Enforce Tac 2024: Die Vielfalt zertifizierter Sonderschutzfahrzeuge

Interview mit Holger Stockey, Verkaufsleiter Sonderschutzfahrzeuge und Prokurist bei der Farmingtons Automotive GmbH, einer Tochtergesellschaft der WELP Group
Der TALOS basiert auf dem Toyota Land Cruiser 300 und ist optisch nicht von einem serienmäßigen Fahrzeug zu unterscheiden. Es handelt sich jedoch um ein Sonderschutzfahrzeug.
Der TALOS basiert auf dem Toyota Land Cruiser 300 und ist optisch nicht von einem serienmäßigen Fahrzeug zu unterscheiden. Es handelt sich jedoch um ein Sonderschutzfahrzeug.
Foto: WELP Group

CPM: Was zeigt die WELP Group auf der Enforce Tac 2024?

Stockey: Farmingtons Automotive als Tochter der WELP Group, einem der weltweit führenden Hersteller von getesteten und zertifizierten zivilen Fahrzeugen, zeigt auf der diesjährigen Enforce Tac den TALOS VR9. Unser aktuelles Fahrzeug basiert auf dem Toyota Land Cruiser 300 und ist optisch nicht von einem serienmäßigen Fahrzeug zu unterscheiden. Es bietet dennoch den höchsten ballistischen Schutz und ist in den Klassen VPAM BRV Edition 3 VR7 und VR9 sowie nach der STANAG 4569 AEP-55 Vol. 2 getestet und zertifiziert worden. Die Besucherinnen und Besucher der Enforce Tac 2024 können den TALOS VR9 vor Ort „anfassen und erleben“.

CPM: Für geschützte Fahrzeuge gibt es unterschiedliche Zertifizierungen, z.B. VPAM oder VR. Können Sie unseren Lesern die Unterschiede erklären, worauf ist als Nutzer zu achten?

Stockey: Die VPAM (Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen) legt gemeinsam mit behördlichen Ämtern Richtlinien zum Schutz von einzelnen Materialien und ganzen Sicherheitsfahrzeugen fest. Dabei werden Prüfungsabläufe, Angriffsszenarien und Belastungswerte der unterschiedlichen Produktgruppen geregelt. Also zum Beispiel von Schutzwesten, -helmen, -materialien und -fahrzeugen.

Die VPAM BRV bezieht sich auf ein komplettes Schutzfahrzeug, BRV steht für „bullet-resistant vehicle“. Wird ein Fahrzeug nach VPAM BRV getestet, werden alle Sicherheitseigenschaften – beispielsweise gepanzerte Karosserieteile, Panzerglas und andere Systeme – im eingebauten Zustand getestet. Die VPAM BRV bewertet also die Effektivität des gesamten Schutzfahrzeugs unter realen Bedingungen.

Im Gegensatz dazu bestätigt die Zertifizierung nach VPAM PM die Schutzeigenschaften von bestimmten Materialien oder Komponenten. PM steht dabei für „plattenartige Materialien“. Die Materialien und Bauteile werden also nicht im verbauten Zustand geprüft, sondern lediglich einzeln in einer Plattengröße von 500 x 500 mm. Allerdings können sich Materialien durch den Zusammenbau im Fahrzeug verändern, etwa durch Wärme beim Schweißen oder durch Umformung. Das kann zu einem geringeren ballistischen Schutz führen.

Plakativ ausgedrückt: Bei einer VPAM-BRV-Prüfung erhalten Sie ein komplett getestetes Sonderschutzfahrzeug, bei einer VPAM-PM-Prüfung kaufen Sie eine geprüfte Scheibe oder Stahlplatte.

 CPM: Neben der Schutzkategorie existieren aber noch andere wichtige Merkmale der Fahrzeuge. Welche Fähigkeiten sind für den Nutzer überlebenswichtig bzw. machen den Unterschied zu Fahrzeugen von Mitbewerbern?

Stockey: Das ist eine wichtige Frage. Ein Punkt ist die erfolgreiche Zertifizierung nach VPAM und STANAG, die die Schutzwirkung bestätigt. Ebenso wichtig sind aber ein gutes Handling des Fahrzeugs, qualifizierte Fahrer und ein weltweiter Service, wenn nötig direkt vor Ort im Einsatzgebiet.

Sichere Fahreigenschaften schützen nicht nur die Insassen, sondern tragen auch dazu bei, Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer zu minimieren. Die Fahrzeuge der WELP Group sind vom TÜV bzw. DEKRA abgenommen, ihre aktive Fahrsicherheit ist also unabhängig geprüft und validiert. Um die Fahrer professionell auszubilden, haben wir gemeinsam mit Experten ein weltweites Trainer-Netzwerk etabliert. Mit höchsten reproduzierbaren Standards, die dafür sorgen, dass die Fahrer auch in Gefahrensituationen überlegt handeln und das Fahrzeug sicher führen. Und schließlich gewährleistet unser weltweiter Fahrzeug-Reparaturservice bei Bedarf rund um den Globus schnelle und zuverlässige Unterstützung. All diese Faktoren gemeinsam tragen dazu bei, die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von zertifizierten Fahrzeugen zu optimieren.

CPM: Die geschützten Fahrzeuge basieren auf handelsüblichen Toyota Land Cruisern. Wie kann man sich die Entwicklung vom Fahrzeug 0 bis hin zu einem fertig zertifizierten und geschützten Sonderschutzfahrzeug vorstellen? Auch zeitlich?

Stockey: Dafür haben wir ein Team von mehr als 70 höchstqualifizierten Entwicklern. Sie transferieren ein neues Fahrzeugmodell zunächst in ein CAD-Modell. Anschließend konstruieren sie unter Berücksichtigung der maximalen Innenraumnutzung eine zweite „Schutzhülle“, die in die bestehende Fahrzeugkarosserie integriert wird. Immer mit dem Fokus, maximalen Schutz gegen Ballistik und Schockwellen zu gewährleisten. Dieser Prozess stellt sicher, dass die Sonderschutzfahrzeuge von WELP höchste Sicherheitsstandards erfüllen, während sie gleichzeitig Komfort und Funktionalität im Innenraum bieten.

Der Prozess von der Modellierung bis zum VPAM-/STANAG-zertifizierten Sonderschutzfahrzeug kann zwei Jahre dauern und Entwicklungsstunden im fünfstelligen Umfang benötigen.

CPM: Die Landes- und Bündnisverteidigung hat wieder an Bedeutung gewonnen. Wo haben Fahrzeuge wie der TALOS ihre Rolle beim Grenzschutz oder den Spezialkräften?

Stockey: Unsere Kunden schätzen schon lange die herausragenden Schutzeigenschaften von Fahrzeugen wie dem TALOS und die Zuverlässigkeit, die mit der Verwendung des Toyota Land Cruiser 300 als Basisfahrzeug einhergeht. Die Möglichkeit, die Fahrzeuge durch verschiedene Zusatzoptionen gezielt für die Aufgabe „Sicherung der Außengrenzen“ zu optimieren, hat die Attraktivität dieser Sonderschutzfahrzeuge noch weiter gesteigert und zu einer erhöhten Nachfrage geführt. Allerdings dürfen wir konkrete Nutzer nachvollziehbarerweise nicht nennen.

CPM: Deutschland ist von Partnern umgeben, daher finden die Einsätze vor allem an den EU- oder NATO-Außengrenzen statt bzw. in weit entfernten Einsatzgebieten auf der Welt. Wie kann ein zertifizierter Service vor Ort angeboten werden?

Stockey: Wir kombinieren unsere eigenen hochqualifizierten Fachkräfte (Field Service Representatives) mit einem Netzwerk aus zertifizierten Fachkräften im Ausland. Dieser Ansatz stellt sicher, dass die Kunden der WELP Group auch in entlegenen oder herausfordernden Umgebungen auf Fachleute zählen können, die die spezifischen Anforderungen vor Ort verstehen und adäquate Unterstützung bieten können. So gewährleisten wir, dass die Sonderschutzfahrzeuge selbst unter extremen Bedingungen optimal gewartet und betreut werden und unsere Kunden jederzeit ein Maximum an Support erhalten. In den vergangenen Jahren hatten wir intensive Einsätze zum Beispiel in Südamerika, Afrika, dem mittleren Osten und dem arabischen Raum.

CPM: Nicht immer sind Einsätze lange im Voraus planbar. Fahrzeuge müssen für Übungen und Einsätze auch einmal kurzfristig abrufbar sein. Was bietet die WELP Group im Bereich Poollösung, schnelle Verfügbarkeit und Miet- oder Leasinglösungen für Behörden an?

Stockey: Wir sind ein zuverlässiger Anbieter, der auch kurzfristig Sonderschutzfahrzeuge zur Verfügung stellen kann. Zudem haben wir umfassende Erfahrung im Fahrservice-Mietgeschäft, sowohl mit als auch ohne Fahrer, insbesondere in Einsatzgebieten. Das macht uns zu einem verlässlichen Partner für Kunden, die auf schnelle und flexible Lösungen angewiesen sind.

CPM: Jetzt bietet die WELP Group aber nicht nur den TALOS „von der Stange an“, sondern auch die Entwicklung und den Bau von Einzelmodellen und Sonderanforderungen für spezialisierte Kunden. Was gehört hier zum Portfolio?

Stockey: Die WELP Group ist mit ihren verschiedenen Standorten in Europa einer der weltweit führenden Entwickler von „Haute Couture“-Sonderschutzfahrzeugen. Wir bieten maßgeschneiderte Lösungen für robuste Einsätze ebenso wie für VVIP-Anforderungen (VVIP = Very, Very Important Person). Mit unserer Erfahrung bei Fahrzeugverlängerungen, Dacherhöhungen und luxuriösem Interieur bieten wir Sonderschutzfahrzeuge, die höchsten Ansprüchen gerecht werden. Diese Vielseitigkeit und das Engagement des ganzen Teams für herausragende Qualität machen uns zu einem angesehenen Marktführer für besondere Fahrzeuglösungen.

Der Aufbau eines sondergeschützten Fahrzeuges bedeutet viel Handarbeit von Experten.

André Forkert

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