Am Airbus Helicopters-Standort Donauwörth in Bayern flog am 30. November zum ersten Mal der neue NH90 Sea Tiger des Joint Ventures NHIndustries. Dieser moderne Marinehubschrauber soll ab 2025 an die Bundeswehr ausgeliefert werden – cpm hat sich vor Ort über die Fähigkeiten des Sea Tigers informiert und ein Video vom erfolgreichen Erstflug machen können.
„In den letzten 40 Jahren haben wir kein einziges völlig neues Waffensystem in Dienst gestellt“, erklärt Kapitän zur See Broder Nielsen, Kommandeur der Marineflieger, kurz vor dem Erstflug des NH90 Sea Tiger. „Doch in diesem Jahrzehnt werden wir sämtliche Systeme modernisieren.“ Im Frühjahr dieses Jahres wurde bereits die Auslieferung von 18 NH90 Sea Lion als Ersatz des in die Jahre gekommenen Sea Kings abgeschlossen. Jetzt fliegt auch der als Bordhubschrauber für Fregatten konzipierte NH90 MRFH (Multi Role Frigate Helicopter) Sea Tiger.
Der NH90 MRFH Sea Tiger im Fokus
Mit viereinhalb Tonnen maximaler Nutzlast und bis zu 20 Sitzen + zwei im Cockpit liegt das maximale Startgewicht des NH90 bei elf Tonnen. Der Sea Tiger kann von einem einzigen Piloten geflogen werden, verfügt in der Regel jedoch über einen Co-Piloten sowie ein bis zwei zusätzlichen Crewmitgliedern je nach Missionsziel. Laut Hersteller NHIndustries (NHI) sollen drei Personen ausreichend sein, um in weniger als fünf Stunden den Aufbau des Innenraums je nach Mission umzubauen. Mögliche Missionslayouts des Mehrrollenhelikopters Sea Tiger sind unter anderem Truppentransport, Search and Rescue (SAR), Boardingoperationen sowie ASW (Anti-Submarine Warfare) und ASuW (Anti-Surface Warfare) mit einer Bewaffnung von 1 oder 2 Torpedos bzw. MARTE-ER Anti-Schiff-Lenkflugkörper – auch kombiniert.
Auch ein neues EOS (Electro-Optical System) und ein neues ESM-System („Electronic Support Measures“-System zur Erkennung von elektromagnetischen Signalen) gehören zum Upgrade dieser neuesten NFH-Konfiguration für den NH90. „Die Deutsche Marine wird das neueste und größte Angebot für den NH90 im Bereich der See- und U-Boot-Bekämpfung haben“, ist sich NHIndustries-Chef Axel Aloccio sicher.
Für die Aufklärung feindlicher U-Boote ist der NH90 Sea Tiger mit Sonobojen und dem Flash-Sonar von Thales ausgestattet. Dieses Reihenfrequenz-Lichttauchsonar ermöglicht aktive oder passive Modi der Aufklärung Unterwasser. Die Rotorblätter des NH90 können dank eines automatischen Systems schneller für die Sicherung im Hangar der Fregatte zusammengeklappt werden. Die Größe des Hubschraubers ist dann kompatibel mit den Hangarabmessungen der Klasse F124 und höher.
Technische Daten des NH90 Sea Tiger:
- Länge*Breite*Höhe: 19,56*4,52*5,31 m
- Abfluggewicht: 11.000 kg (24.250 lb)
- Nutzlast: 4.500 kg (9.920 lb)
- Reichweite: 900+ km (486 NM)
- Höchstgeschwindigkeit: 274 km/h (148 kts)
- Flugzeit: 5 Stunden
- Crew: 2 + 1 oder 2 + 2
- Motorisierung: 2 RTM 322-01/09
Einsatzmöglichkeiten des NH90 Sea Tiger
„Der Sea Tiger ist ein NFH (NATO Frigate Helicopter, Anm. d. Verf.). Wir werden uns mit ihm mehr auf die U-Boot-Bekämpfung und die Überwasser-Kriegsführung konzentrieren, während der Sea Lion eher für Such- und Rettungseinsätze gedacht ist“, erklärt Axel Aloccio. Im Gegensatz zum NTH (Naval Transport Helicopter) NH90 Sea Lion wird der neue MRFH NH90 Sea Tiger für die Deutschen Marine daher mit voller Seekriegsausrüstung ausgestattet.
Für die U-Bootjagd gehen die Marineflieger mit den bisherigen Sea Lynx nach dem „Dipper und Pony“-Mustervor. Dabei fliegt ein Hubschrauber in die Nähe des vermuteten U-Boots, um mit dem Tauchsonar die Position des Ziels zu bestimmen, während der zweite Hubschrauber den Torpedo mitführt und bei aufgeklärtem Ziel abfeuert. Der neue NH90 Sea Tiger hat hingegen Raum für Sonar-Technik und Bewaffnung, sodass er auch allein feindliche U-Boote aufklären und bekämpfen kann.
Bedeutung für die Bundeswehr
Auf die Frage, wieso eine modern ausgerüstete deutsche Marine überhaupt wichtig ist, antwortet Kapitän zur See Nielson so: „Ein guter Freund aus der Schweiz sagt immer: ‚Ich verstehe es: No shipping, no shopping.‘ Das ist der Grund, warum wir eine Marine haben.“
Um diese Modernisierung der Marineflieger voranzubringen, soll der NH90 Sea Tiger die 22 Bordhubschrauber Sea Lynx Mk88A ersetzen, da diese bereits seit 1981 im Dienst sind. Pro Fregatte sollen zwei Helikopter beschafft werden, wodurch sich bei 15 Fregatten laut Marine-Plan 2035+ und einem Gerät zu Testzwecken die Gesamtzahl von 31 NH90 Sea Tiger ergibt.
Vom Erstflug an noch zwei Jahre
Nach dem offiziellen Erstflug des NH90 Sea Tiger am 30. November dauert es jetzt noch rund zwei Jahre, bis die ersten Helikopter an die Marineflieger ausgeliefert werden können. „In den nächsten 12 bis 14 Monaten wird es viele Flüge geben, um das System zu testen“, erklärt Axel Aloccio. „Es ist das neueste ASW-System, also wird es Flüge in Deutschland und Frankreich geben, um sicherzustellen, dass alles funktioniert. Die letzten 10 Monate bis zur Auslieferung werden dem Qualifikationsprozess gewidmet sein.“ Der Leiter des NH90-Programms ist jedoch guter Dinge, dass die Dokumente reibungslos von den deutschen Behörden bearbeitet werden können. Die Auslieferung soll dann mit 6-7 Helikoptern pro Jahr von 2025 bis zum Ende des Jahrzehnts dauern.
Navid Linnemann
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