Strategisch Kommunizieren mit Spezialkräften

Bei aller Geheimhaltung wurden internationale Spezialkräfteeinsätze immer wieder in der Öffentlichkeit bekannt. Aufgrund des hohen Risikos und der Brisanz eignen sie sich hervorragend für Roman- und Filmstoff. Mediale Zurückhaltung weckt darüber hinaus Neugier. Mythen und Klischees ranken sich um die Spezialkräfte der Welt und um deren Missionen. Kommunizieren mit Spezialkräften oder darüber ist jedoch wie Wasser: Es lässt sich nicht unterdrücken, bestenfalls durch planvolle Informationsarbeit kanalisieren. Unterbleibt das, kann wie bei Hochwasserkatastrophen erheblicher Schaden entstehen.

Kommunizieren mit Spezialkräften: Kommandosoldaten des KSK bewegen sich in jedem Terrain sicher und autark. Verschiedene Wege zum Ziel nutzen zu können, verringert die Berechenbarkeit von Spezialkräften für den Gegner.
Ein Kampfschwimmer des Kommandos Spezialkräfte der Marine (KSM) mit der Waffe G36k sichert das eigene Vorgehen des Trupps aus dem Wasser heraus.
Foto: Bundeswehr

Zahlreiche internationale Spezialkräfte verfügen über eigene Fähigkeiten zur taktischen Kommunikation. Die taktisch-operative Beeinflussung von Zielgruppen durch Verwendung von Kommunikationsmitteln und -methoden ist Aufgabe von Psychological Operations, PsyOps. In den USA beispielsweise gehören PsyOps-Kräfte genuin zu den Special Forces.

In der Bundeswehr hingegen herrscht eine strikte Trennung zwischen taktischer Direktkommunikation der Truppe für Operative Kommunikation und der Informationsarbeit. Die deutschen PsyOps-Kräfte sind auch nicht den Spezialkräften unterstellt. Hinzuweisen ist an dieser Stelle darauf, dass im Folgenden nicht die taktische, sondern die strategische Kommunikation und Informationsarbeit betrachtet werden.

Spezialkräfte wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) unterliegen aufgrund ihrer besonderen Einsatzgrundsätze einer strengen Geheimhaltung. Auf den ersten Blick sind aktive Medienpräsenz und Spezialkräfte unvereinbar. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Thema dennoch präsent. Spezialkräfte müssen nach außen kommunizieren. Ein Nichtkommunizieren ist auch in diesem Fall unmöglich. Es kann lediglich zwischen aktiver und passiver Kommunikation entschieden werden. Die beabsichtigte strategische Wirkung eines Einsatzes kann maßgeblich von der Perzeption des Missionserfolges in der Öffentlichkeit beeinflusst werden.

Informationshoheit behalten

In einer informationsbasierten Gesellschaft, von der die Streitkräfte ein querschnittlicher Teil sind, ist die schnelle Bereitstellung glaubwürdiger Informationen entscheidend. Mittlerweile hat sich diese Einsicht vielerorts durchgesetzt und Einzug in Vorschriften von NATO und Bundeswehr gehalten. Unter der Bezeichnung Strategische Kommunikation (StratCom) wird eine synchronisierte Kommunikation auf allen Ebenen und allen Kanälen angestrebt.

Ein Trupp des Kommando Spezialkräfte seilt sich vom Gebäude ab, während der Breacher eine Zugangssprengung an einem der Fenster durchführt, um in das Gebäude einzudringen. Foto: Bundeswehr / PIZ Heer
Ein Trupp des Kommando Spezialkräfte seilt sich vom Gebäude ab, während der Breacher eine Zugangssprengung an einem der Fenster durchführt, um in das Gebäude einzudringen. Foto:
Bundeswehr / PIZ Heer

Zentrale Bedeutung kommt dabei der wahrheitsgemäßen Informationsarbeit zu, die schnell, transparent und aktiv die eigenen Narrative in die Öffentlichkeit trägt, um letztlich das Vertrauen und die Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten. Zugleich wird die Widerstandsfähigkeit gegen feindliche Propaganda gestärkt.

In der Bundeswehr betonen beispielsweise die „Operativen Leitlinien für die Streitkräfte“ (OpLLSK) in einem eigenen Kapitel, dass einer stringenten und kohärenten Strategischen Kommunikation zentrale Bedeutung zukommt. Gemäß der Zentralen Dienstvorschrift für die Informationsarbeit der Bundeswehr A-600/1 soll die Öffentlichkeit mittel- und unmittelbar sachlich, wahrheitsgetreu, ausgewogen, differenziert und somit transparent informiert werden.

Für das KSK fordert der Bericht der Arbeitsgruppe Kommando Spezialkräfte zusätzlich, „die Informationsarbeit zu intensivieren“ . Im Grunde stimmen alle Vorschriften überein, dass möglichst schnell, transparent und aktiv kommuniziert werden muss, um die Deutungshoheit gegenüber propagandistischen Angriffen zu behalten oder zu gewinnen.

Kriterien für Spezialkräfte und Kommunikation

Nach Ansicht des Autors können wesentliche Kriterien für erfolgreiche Spezialkräfteeinsätze auf die Informationsarbeit übertragen werden. Wenn es nämlich um die erfolgreiche Durchführung von Spezialoperationen geht, gelten Grundsätze, die Admiral William H. McRaven – u.a. Kommandeur des United States Joint Special Operations Command und für die Operation Neptune’s Spear verantwortlich, bei der Osama bin Laden getötet wurde – als Erster sinngemäß so definierte:

Überraschungsmoment z. B. auch durch unkonventionelle Methoden oder neueste Technik, Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit in der Durchführung, strikte Geheimhaltung, intensives Einüben der Abläufe sowie Einfachheit des Plans. Auf diese Weise können Spezialkräfte mit einem geringen Kräfteansatz kriegsentscheidende Wirkung erzielen. Geheimhaltung als einer der elementarsten Faktoren scheint scheinbar jedweder aktiven Kommunikation im Wege zu stehen. Auf jeden Fall wirkt strikte Geheimhaltung sehr limitierend.

Aktive Öffentlichkeitsarbeit wie im Besucherzentrum des Kommandos Spezialkräfte ist auch bei Spezialkräften möglich. In den ersten elf Monaten verschafften sich gut 11.000 Besucher einen Einblick in Geschichte, Aufgaben und Einsätze des KSK. Foto: Bundeswehr / KSK
Aktive Öffentlichkeitsarbeit wie im Besucherzentrum des Kommandos Spezialkräfte ist auch bei Spezialkräften möglich. In den ersten elf Monaten verschafften sich gut 11.000 Besucher einen Einblick in Geschichte, Aufgaben und Einsätze des KSK.
Foto: Bundeswehr / KSK

Offensichtlich eignen sich Spezialkräfteeinsätze bestens für medienwirksames Senden von Botschaften und damit vor allem zur Abschreckung. Im Informationsumfeld werden beim Kommunizieren mit Spezialkräften hierdurch reichweitenstarke, also viel beachtete, Impulse gesetzt. Mit kleinen und chirurgischen Operationen durch Spezialkräfte lassen sich große und strategische Erfolge erzielen.

Es lässt sich ableiten, dass die Kriterien für erfolgreiche Spezialkräfteeinsätze nach Mc Raven auch auf mediale Kommunikation anwendbar sind. Um eine Wirkung, d. h. Aufmerksamkeit, im Informationsumfeld zu erzielen, gelten wesentliche Rahmenbedingungen wie bei Spezialkräfteeinsätzen. Zusammengefasst und vereinfacht können Mc Ravens Thesen so übertragen werden:

Erstens besteht meist ein Ungleichgewicht zwischen eigenen und gegnerischen Kräften. Im Informationsumfeld sind bereits reichweitenstarke Akteure mit konkurrierenden, gut platzierten Botschaften präsent. Es gilt also, eine punktuelle Kräftebündelung vorzunehmen, die in der Lage ist, das eigene Thema hervorzuheben, die konkurrierende Informationsflut wenigstens temporär zu durchdringen. Dies kann durch Superlative oder emotionale Botschaften, begeisternde Darstellung, Nutzung neuer Kanäle oder Techniken sowie gleichzeitiges, crossmediales Senden erreicht werden.

Zweitens müssen alle Abläufe intensiv geplant, präzise abgestimmt und eintrainiert sein. Für eine Kommunikationsaktivität müssen vorher die Zielgruppe, die Erreichbarkeit sowie mögliche aufkommende Fragen und Antworten analysiert werden. Das Setting, die Bilder und Protagonisten beispielsweise müssen abgestimmt und eingewiesen sein. Alle Kommunikationsaktivitäten müssen nach innen bekannt gemacht werden, um Akzeptanz und Mitwirkung im Sinne der Botschaft zu erhalten.

Drittens ist das Informationsumfeld von Botschaften und Angeboten übersättigt. Die kurze Aufmerksamkeitsspanne, die sich möglicherweise bewirken lässt, muss durch einfache, klar verständliche und überzeugende Botschaften gefüllt sein. „Nur das Einfache hat Bestand“ – gilt insbesondere für die Kommunikation.

Hundeführer Hauptfeldwebel W. des KSK trainiert mit seinem Zugriffsdiensthund Diego den taktischen freien Fall in Arizona/USA. Foto: Bundeswehr / Jana Neumann
Hundeführer Hauptfeldwebel W. des KSK trainiert mit seinem Zugriffsdiensthund Diego den taktischen freien Fall in Arizona/USA.
Foto: Bundeswehr / Jana Neumann

Viertens ist militärische Sicherheit ausnahmslos einzuhalten: Weder dürfen Personen, Verfahren oder geheime Ausrüstungsdetails verraten werden, noch sollten Einzelheiten der geplanten Informationsaktivität vorab veröffentlicht werden, um die Wirkung nicht zu relativieren.

Spezialkräftemissionen als Kommunikationsmittel

Allein die Existenz eines Spezialkräfteverbandes ist eine Botschaft. Die Absicht, das KSK aufzustellen, war ein klares politisches Zeichen an Milizen in den Bürgerkriegen weltweit, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Staatsbürger nun auch mit militärischen Mitteln zu schützen bereit ist. Aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten haben Spezialkräfte immer auch einen kommunikativ sehr hohen Stellenwert.

Jede Aktivität kann somit per se zur Botschaft werden. Dies unterstreicht auch in kommunikativer Hinsicht den Zwang zum durchdachten, präzise geplanten Umgang mit Spezialkräften. Spezialkräfte werden für drei klassische Kernaufgaben eingesetzt: Military Assistance (MA), Special Reconnaissance (SR) und Direct Action (DA).

Military Assistance beinhaltet vor allem Ausbildungsunterstützung für Spezialkräfte von Partnerstaaten aber auch Arten von Special Warfare wie Partisanen- oder unkonventionellen Kampf. Dies sind immer auch Mittel der Kommunikation und beinhalten meist politische Botschaften. Gemeinsame Ausbildungen und Übungen lassen sich medial gut und bildstark darstellen. Der Zweck dieser Missionen ist leicht verständlich, geht es doch um die Befähigung der Partnerländer zur Selbsthilfe.

Zahlreiche positiv besetzte Begriffe wie Kooperation, Multilateralität, Partnerschaft, Interoperabilität, Hilfe vor Ort etc. können in die Berichte eingeflochten werden. Oft lassen sich während der Ausbildung geeignete Bilder zu Standardsituationen stellen, ohne militärische Geheimnisse preiszugeben. Das KSK ist seit Jahren an solchen Missionen beteiligt. Derzeit werden regelmäßig mit jordanischen Partnern während Arabian LEOPARD-Ausbildungen zur Vertikalen Verbringung trainiert. Die Ausbildungsmission FENNEK in Tunesien beinhaltet Themenblöcke u.a. zur medizinischen Erstversorgung, Aufklärung oder Diensthundewesen.

Mit einer Partnernation zu kooperieren eignet sich als politisches Signal ebenso wie die medienwirksame Aufkündigung des Engagements als Protest z. B. gegen politische Fehlentwicklungen. Regelmäßig bedienen sich z. B. die USA dieses Kommunikators. Die jährlichen Übungen von US Special Forces mit japanischen Spezialkräften sind „designed to strengthen the defensive capabilities of the U.S.-Japan Alliance“. Elitetruppen für solches Partnering einzusetzen, betont die Ernsthaftigkeit der Botschaft.

Einsatz einer Motorflex um sich einen Zugang zu verschaffen. Foto: Bundeswehr / PIZ Heer
Einsatz einer Motorflex um sich einen Zugang zu verschaffen.
Foto: Bundeswehr / PIZ Heer

Special Reconnaissance beinhaltet die Beschaffung von Schlüsselinformationen von strategischer Bedeutung. Hierbei hängt sehr viel davon ab, unerkannt zu handeln. Der Erwerb der Informationen darf selbst im Nachhinein nicht bekannt werden, lassen sich doch ggf. Rückschlüsse auf Einsatzverfahren oder ähnliches ziehen. In der Regel ist dieses Aufgabenfeld tatsächlich ein Tabu für Informationsarbeit.

Direct Action umfasst letale und nichtletale Einsätze gegen Hochwertziele von operativer oder strategischer Bedeutung. Das KSK war Ende der 1990er Jahre an der Festsetzung mutmaßlicher Kriegsverbrecher im ehemaligen Jugoslawien beteiligt. Der auch in Deutschland medial beachtete Erfolg der sogenannten „Kilo-Operationen“ verschaffte dem gerade neu aufgestellten Verband internationale Reputation. Auch einige Operationen in Afghanistan fallen in diese Kategorie.

Bei allen DA-Operationen ist Kommunikation der Schlüssel zur strategischen Wirkung, sowohl bei Erfolg als auch bei Misserfolg. Vorbereitende, begleitende sowie nachträgliche Medienpräsenz muss von vornherein mitgedacht werden. Im Grunde werden solche Einsätze um die beabsichtigte öffentliche (Medien-)Wirkung herum geplant. „Vom (medienwirksamen) Ende her denken“, gilt besonders für Direct Action.

Der militärische Schaden kann durchaus irrelevant sein, während die moralische Wirkung erheblich ausfällt. In der Kommunikation müssen mögliche negative wie positive Effekte einer Mission im Fokus der Betrachtung stehen. So ist die Festnahme eines Terroristenführers für sein Netzwerk durchaus kompensierbar. Der moralische Schaden der propagandistisch aufgeladenen Niederlage wirkt stets um vieles schwerer auf Anhänger und Unterstützer.

Fazit: Kommunizieren mit Spezialkräften wirkt immer strategisch

Das Themenfeld Spezialkräfte ist damit nicht nur für aktive Informationsarbeit geeignet, sondern ist sogar zwingend aktiv mit Informationsaktivitäten zu begleiten. Eine Loslösung der Verbindung von Spezialkräften und kommunikativer Wirkung entspricht nicht dem Wesen der Spezialkräfte. Deren abschreckende Wirkung basiert maßgeblich auf öffentlicher Wahrnehmung ihrer Fähigkeiten, ihrer Überlegenheit.

Gleichzeitig ähneln sich Bedingungen und Anforderungen für erfolgversprechende Aktivitäten von Spezialkräften und Informationsarbeit stark, was zusätzlich die Komplementarität beider strategisch wirkender Mittel unterstreicht.

Geheimhaltung und Sicherheitsauflagen setzen daher den Rahmen, schließen jedoch keineswegs eine aktive, schnelle und wirksame Innen- und Außenkommunikation von Spezialkräften aus, sondern ermöglichen diese erst.

Auch und gerade für Spezialkräfte bringt unterlassene Kommunikation keinerlei Vorteil, sondern führt zur einseitigen Aufgabe des Informationsumfeldes und Einflussgewinn gegnerischer Propaganda.

Oberstleutnant Kieron Kleinert,
Pressestabsoffizier, Kommando Spezialkräfte

 

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