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Autobahn wird wieder Landebahn

Angesichts einer geänderten Bedrohungslage werden auch in der Schweiz erste Maßnahmen sichtbar, die an Altbekanntes aus dem Bereich der Landesverteidigung erinnern. Ein Beispiel dafür ist: die Autobahn wird wieder Landebahn. Wie weit ist die Schweiz mit dieser und anderen Maßnahmen und welche Beispiele aus Deutschland gibt es?

Autobahn wird wieder Landebahn: Hercules C-130 landet im Rahmen der Nato-Übung "Highway 84" auf dem in der Nähe der Ortschaft Ahlhorn auf der Bundesautobahn A29 eingerichteten Notlandepatz. (Foto: USAF)
Hercules C-130 landet im Rahmen der Nato-Übung "Highway 84" auf dem in der Nähe der Ortschaft Ahlhorn auf der Bundesautobahn A29 eingerichteten Notlandepatz.
Foto: USAF

Die Schweiz steht vor allem für Neutralität, ist keine Mitglieder der NATO oder der Europäischen Union. Die Schweizer Streitkräfte sind ausschließlich auf den Einsatz und die Verteidigung der Heimat ausgerichtet. Die Schweizer Armee ist die bewaffnete Streitmacht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, und wurde 1817 als gesamteidgenössische Institution gegründet. Die Neutralität zeigte sich schon in den vergangenen Weltkriegen, es kam jeweils zur allgemeinen Mobilmachung, aber keiner Beteiligung für keine der Kriegsparteien. Charakteristisch für sie ist das Milizsystem, bei dem fast alle Dienstposten durch Wehrpflichtige besetzt sind. Aktuell gibt es rund 147.000 aktive Soldaten.

Doch die aktuellen Konflikte gehen auch an der neutralen Schweiz nicht spurlos vorbei. So schreibt die Armee auf ihrer offiziellen Website: „Um die Schweiz und deren Bewohner auch in Zukunft schützen zu können, muss die Armee ihre Verteidigungsfähigkeit in allen Wirkungsräumen konsequent stärken. Mit welchem Ziel und welcher Strategie sie dies tun wird, hat die Armeeführung schriftlich festgehalten. Der Bericht definiert drei Stoßrichtungen.“ Dabei geht es um die Weiterentwicklung der Luftverteidigung, der Bodentruppen und des Bereichs Cyber.

Weiter schreibt die Schweizer Armee: „Mit dem militärischen Angriff auf die Ukraine hat Russland die Grundlagen für eine regelbasierte Friedensordnung in Europa zerstört. Der Krieg ist ein einschneidendes Ereignis mit nachhaltigen Folgen für die Sicherheit in Europa und damit auch der Schweiz. Es ist davon auszugehen, dass sich das sicherheitspolitische Umfeld der Schweiz als Folge des Krieges dauerhaft verschlechtert und unbeständig bleibt.“

Eine von vielen Maßnahmen: Autobahn wird wieder Landebahn

Und die ersten Maßnahmen sind mittlerweile klar zu sehen: Die Autobahn wird wieder Landebahn. So will die Armee im kommenden Sommer die Autobahn A1 sperren, um dort dann Kampfjet-Landung zu üben. Die Übung soll einen Tag dauern. Der Schweizer Bundesrat muss die Maßnahme allerdings noch genehmigen. Einige Autobahnabschnitte wurden bei ihrer Planung und dem Bau genau für solche vorgesehen. Laut aktuellen Medienberichten gib es solche Abschnitte unter anderem in der Gemeinde Münsingen (Bern-Mittelland), Oensingen (Kanton Solothurn), Alpnach (Kanton Obwalden), Lodrino (Kanton Tessin), Sitten (Kanton Wallis) und Flums (Kanton St. Gallen).

Autobahn wird wieder Landebahn: Diese Abschnitte sollen bis zu zwei Kilometer lang sein. Sie sind kerzengerade gebaut und verfügen über eine schnell abzubauende Mittelleitplanke. Ihre Planung stammt noch aus den Zeiten des Kalten Krieges. Da hier die militärischen Flugplätze und ihre Start- und Landebahnen eines der ersten Ziele wären, und nach kürzester Zeit schon nicht mehr nutzbar. Die Autobahnen werden dann zu Hilfspisten.

Starten und Landen auf der Autobahn, Versorgung an der Tankstelle Münsingen Ost in der Schweiz.
Starten und Landen auf der Autobahn, Versorgung an der Tankstelle Münsingen Ost in der Schweiz.
Foto: Schweizer Armee

Wie aber in vielen Ländern wurde solche Überbleibsel des Kalten Kriegs aber aufgegeben. Offiziell erfolgte die Aufgabe mit der Armeereform 95. Jetzt also die Kehrtwende. Im Frühjahr 2023 sprach Luftwaffenchef Divisionär Peter Merz davon, diese Idee wieder aufleben zu lassen.

Die ersten Versuche sollen nun im Sommer auf der Autobahn A1 zwischen Bern und Lausanne stattfinden. Im Januar muss aber der Bundesrat noch grünes Licht geben.

Eine Rückkehr auch in Deutschland?

Auch in Deutschland wurden während des Kalten Krieges auf den deutschen Autobahnen sogenannte Notlandeplätze für Kampfjets für den Verteidigungsfall eingerichtet. Einige der Teilabschnitte sind auch heute noch zu erkennen. Aber auch zu nutzen? Denn offiziell wurden diese durch das BMVg im Juni 1995 als nicht mehr erforderlich eingestuft.

Zu erkennen sind die Teilabschnitte vor allem durch das fehlende Grün unter den Leitplanken. Hier war die Fahrbahn durchgehend. Zudem gibt es auf den Strecken keine Brücken oder Schilderbrücken, einfach nichts, was einem Flugzeug gefährlich werden könnte. Auch ein „Parkplatz“ – heute oft Parkplatz/Rastanlage für LKW – war seitlich vertreten. Heute sollen noch folgende Teilabschnitte zumindest zu erkennen sein, auch wenn einige Parkplätze zurückgebaut, Schilderbrücken aufgebaut und Tanks deinstalliert wurden:

A7 zwischen Schleswig/Jagel und Owschlag, A9 zwischen Dessau-Süd und Zörbig, A10 zwischen Dreieck Havelland und Falkensee, A12 zwischen Storkow und Friedersdorf (Parkplätze zurückgebaut), A15 zwischen Forst und Bademeusel, A27 zwischen Nordholz und Neuenwalde, A44 zwischen Büren und Geseke sowie A81 zwischen Oberndorf und Rottweil. Laut einer BR-Reportage von 2018 müssen es früher einmal rund 240 Stellen in Deutschland gegeben haben.

Landeübung mit Tornado der Luftwaffe auf der Autobahn bei Diebholz Ahlhorn während der Übung „Operation Highway 84“ (Foto- Bundeswehr)
Landeübung mit Tornado der Luftwaffe auf der Autobahn bei Diebholz Ahlhorn während der Übung „Operation Highway 84“.
Foto: Bundeswehr

Schweden und Finnland haben solche Notlandepisten heute noch. Während der Übung AIR DEFENDER landete ein norwegischer Kampfjet des Typs Lockheed Martin F-35A auf einer finnischen Autobahn. Im Rahmen des „Hotpit refuel“ Vorgangs wurde er umgehend betankt und hob anschließend wieder ab. Ort soll ein spezieller Autobahnabschnitt im finnischen Tervo gewesen sind.

Muss auch Deutschland im Sinne der Zeitenwende zurück zu dieser Maßnahme des Kalten Kriegs? Das würde Zeit und Investitionen bedeuten. Und sicherlich ist nicht jeder Bereich reaktivierbar; nicht jede Autobahn wird wieder Landebahn, weil dort heute schwere Bauten wie Brücken stehen.

André Forkert

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