Etwa 34.000 Reservistinnen und Reservisten leisten regelmäßig Dienst für die Bundeswehr. Ihre Heranziehung erfolgt durch einen analogen Prozess, der sich digital deutlich beschleunigen ließe. Die vom Bundeswehr-Digitalisierungspartner BWI entwickelte App „Meine Reserve“ könnte in Zukunft Abhilfe schaffen. Der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant Markus Laubenthal, konnte sich vergangene Woche selbst ein Bild vom entwickelten Demonstrator machen.
Die von der BWI Innovationseinheit innoX in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) entwickelte Smartphone-App „Meine Reserve“ könnte in Zukunft den Prozess der Heranziehung von Reservedienstleistenden digitalisieren und damit spürbar beschleunigen. Reservedienstleistende sind für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ein wichtiger Baustein: Sie tragen nicht nur zur Landes- und Bündnisverteidigung bei, sondern leisten auch einen wertvollen Dienst in Sachen Heimatschutz, bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen. Werden sie gebraucht, werden sie von der Bundeswehr postalisch mit einem Heranziehungsbescheid einberufen – ein Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt.
Ziel des BMVg: Heranziehung von Reservistinnen und Reservisten in 48 Stunden
Allerdings ist gerade im Krisen- oder Katastrophenfall schnelles Handeln gefragt, um schnell die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sicherzustellen. Der stellvertretende Generalinspekteur und Beauftragte für Reservistenangelegenheiten, Generalleutnant Markus Laubenthal, hebt dies auch in der Weisung des Bundesverteidigungsministeriums für die Reservistenarbeit in den Jahren 2023 bis 2025 hervor: Demnach ist die Heranziehung von Reservistendienstleistenden innerhalb von 48 Stunden sicherzustellen. Dazu soll Generalleutnant Laubenthal zufolge auch die von der BWI entwickelte App beitragen. Vergangenen Freitag ließ er sich die Anwendung bei der BWI in Bonn persönlich vorführen.
Ist-Zustand: Analoge Prozesse als Hemmschuh
Ein Grund dafür, dass der Prozess der Heranziehung von Reservist*innen heute so lange dauert: der analoge Schriftverkehr. Das zuständige Karrierecenter der Bundeswehr erstellt den Heranziehungsbescheid und weitere Informationsschreiben, Formulare und Bescheinigungen – und versendet alles per Briefpost. Die Reservedienstleistenden müssen alle Unterlagen ebenfalls auf dem Postweg zurückschicken. Der gesamte Prozess nimmt daher meist mehrere Wochen in Anspruch. Einer der zahlreichen Knackpunkte: Es gibt beispielsweise derzeit keinen automatisierten Datenaustausch zwischen der Bundeswehr und den Meldebehörden. Zieht ein Reservist um und gibt bei der Bundeswehr nicht selbständig seine neue Anschrift oder andere Kontaktdaten an, ist er für die Karrierecenter der Bundeswehr und die anfordernden Einheiten und Dienststellen zunächst nicht mehr erreichbar.
Lösung: Digitalisierte Prozesse durch „Meine-Reserve“-App
Mit der App „Meine Reserve“ könnte der Prozess in Zukunft Dank Digitalisierung deutlich schneller und komfortabler ablaufen. Reservedienstleistende erhalten sämtliche Informationen und Unterlagen direkt auf ihr Smartphone. Der Heranziehungsbescheid wird dabei ebenso in der App zugestellt wie auch die Dienstzeitbescheinigung nach Abschluss des Reservedienstes. Mit diesen Dokumenten können weitere Prozesse bedient werden, wie beispielsweise die Unterhaltssicherung. Dadurch könnte „Meine Reserve“ dazu beitragen, Reservistendienstleistende innerhalb von 48 Stunden heranzuziehen.
Eine weitere wichtige Funktion ist die Alarmierung: Im Bedarfsfall, beispielsweise einer Naturkatastrophe wie 2021 im Ahrtal, könnten alle Reservedienstleistenden, ausgewählte Gruppen oder auch Einzelpersonen schnell und einfach über die App alarmiert und dazu aufgefordert werden, sich für einen Dienst zu melden.
Zudem umfasst die App auch eine Art Stellenbörse für Reservedienste, in der alle entsprechenden Angebot der Bundeswehr zentral veröffentlicht werden. Diese Funktion ist bislang in der Bundeswehr nicht vorhanden. So können Interessierte eigenständig nach geeigneten Einsatzmöglichkeiten suchen und formal ihr eigenes Interesse digital bekunden.
Ihre Stammdaten können die Reservistinnen und Reservisten selbst pflegen und aktuell halten. Erforderliche Nachweise und andere Bescheinigungen werden ebenfalls direkt über die App abgewickelt und dort nachgehalten.
Sicherheit durch digitale Identitäten und souveräne Daten
Für die sichere Identifikation der Reservedienstleistenden kommen digitale Identitäten zum Tragen: Die Reservedienstleistenden registrieren sich in der App einmalig dabei mit einem digitalen Ausweisdokument, wie beispielsweise der heute bereits verfügbaren eID des Personalausweises. Als Resultat erhält jeder Nutzer einen digitalen Reservistennachweis, der auch als Login-Berechtigung in der App dient. UserID und Passwort hätten damit ausgedient. Darüber hinaus stellt die BWI durch die Eigenentwicklung der App die Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität der verarbeiteten Daten sicher.
Ausblick: Ausbau des Prototypen und Einsatz im Feldtest
Die Idee und eine erste Struktur des späteren Prototypen entstanden in einem fünftägigen Workshop mit BWI, Vertretern des BAPersBw und nachgelagerter Dienststellen wie dem Karrierecenter. Im Rahmen eines Innovationsexperiments hat BWI innoX die Smartphone-App inklusive entsprechender Komponente für die Bundeswehr in einen funktionsfähigen Demonstrator weiterentwickelt. Gemeinsam mit der Bundeswehr arbeitet BWI nun daran, dass die noch prototypische Lösung ausgebaut wird und sich im Rahmen eines Feldtests schnellstmöglich im Praxiseinsatz bewähren kann.
Redakteur des Fachbeitrags: Frank Hornbach
Fachliche Ansprechpartner: André Röhrig, Frank Hornbach