Der Digitale Zwilling in Rüstung und Nutzung

Verbesserte Einsatzbereitschaft, gesteigerte Lagereffektivität, weniger ungeplante Reparaturen: IT-Dienstleister unterstützen Streitkräfte und Hersteller weltweit mit bewährten, ausgereiften und robusten IT-Lösungen. Mit Hilfe von moderner Technologie steigt nicht nur die Kampfkraft von Waffensystemen, sondern auch die Zuverlässigkeit. So konnte das IT-Urgestein IBM bei verschiedenen Waffensystemen zum Beispiel eine Verbesserung der Einsatzbereitschaft um bis zu 25 Prozent erreichen. Ein Plädoyer für die Vorteile des Einsatzes von Digitalen Zwillingen in der Defence-Industrie von Yann Patrick Böhly.
Der Einsatz eines Digitalen Zwillings ermöglicht eine integrierte Lebenzyklusplanung.
Der Einsatz eines Digitalen Zwillings ermöglicht eine integrierte Lebenzyklusplanung.
Grafik: IBM

Über den Digitalen Zwilling können im industriellen Netzwerk logistische Bedarfe unmittelbar eingesteuert werden, von der einfachen Störmeldung bis hin zur Produktänderung und möglichen Obsoleszenzbeseitigung. Damit unterstützt der Digitale Zwilling eine phasenübergreifende Abbildung im Sinne des CPM von der „Wiege bis zur Bahre“ .

Weitere Ansatzpunkte ergeben sich bereits in der Entwicklungsphase, also im CPM-Prozess links angesiedelt (‘shift left‘). Hier können über Digitale Zwillinge verschiedene Szenarien operativ simuliert werden und damit die Nutzungsphase des Waffensystems deutlich effektiver ausgerichtet werden.

Was ist ein digitaler Zwilling?

Als digitalen Zwilling bezeichnet man die dynamische virtuelle Darstellung eines physischen Objekts im Lebenszyklus basierend auf realen Daten kombiniert mit Funktions-, Simulations- bzw. maschinellen Lernmodellen. Der Digitale Zwilling liefert mögliche Antworten auf Was-wäre-wenn-Fragen und bietet eine intuitive Präsentation möglicher Erkenntnisse. Mit anderen Worten, ein digitaler Zwilling ist eine Kopie der realen Welt. Echtzeit-Updates werden verwendet, um den Überblick über die aktuelle Situation zu behalten.

Über Sensoren an den Maschinen werden Maschinendaten erhoben und ausgelesen sowie „digitale Zwillinge“ realer Aktiva und Objekte geschaffen. Diese digitalen Zwillinge stellen sozusagen „digitale Akten“ realer Objekte dar. Augmented und Virtual Reality sowie 3D-Grafik und Datenmodellierung werden bei der Erstellung eines digitalen Zwillings eingesetzt.

Beispiele für Einsatzbereiche des Digitalen Zwilling

Digitale Zwillinge können in verschiedenen Branchen eingesetzt werden, z. B. im Gesundheitswesen, in der Fertigung, im Energie- und Versorgungssektor, Smart-City-Initiativen und Katastrophenmanagement.

Ein Bereich sticht allerdings von dem zu erwartenden Nutzen besonders hervor, nämlich der Bereich Aerospace and Defence. Derzeit umfassen Betrieb und Support in dieser Branche ca. 70 Prozent der gesamten Produktlebenszykluskosten. Kritisch sind auch Kosten für Realisierung der nächsten Generation von Luftfahrzeugen, von denen einige voraussichtlich mehr als 50 Jahre im Einsatz sein werden. Die Möglichkeit, Daten zur Vorhersage von Problemen in der Nutzung zu verwenden, haben auch das Potenzial diese Kosten über den Gesamtlebenszyklus drastisch zu senken.

Mit dem DigTwin-Ansatz werden über Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) wie Deep Learning mögliche Risiken frühzeitig erkannt und vorhergesagt, bevor sie sich auf Leistung und Einsatzbereitschaft auswirken. Durch Integration der prädiekativen Erkenntnisse konnten bereits folgende KPIs erreicht werden: Verbesserung der Einsatzbereitschaft um bis zu 25 %, potenzielle Steigerung der Lagereffektivitätsrate um bis zu 37 % und bis zu 33 % weniger ungeplante Reparaturen.
Mit dem DigTwin-Ansatz werden über Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) wie Deep Learning mögliche Risiken frühzeitig erkannt und vorhergesagt, bevor sie sich auf Leistung und Einsatzbereitschaft auswirken. Durch Integration der prädiekativen Erkenntnisse konnten bereits folgende KPIs erreicht werden: Verbesserung der Einsatzbereitschaft um bis zu 25 %, potenzielle Steigerung der Lagereffektivitätsrate um bis zu 37 % und bis zu 33 % weniger ungeplante Reparaturen.
Grafik: IBM

Erfolgsgeschichte V-280 VALOR

V-280 VALOR ist ein Kipprotorflugzeug, das von Bell entwickelt wurde und kürzlich den Wettbewerb um den wichtigsten Hubschrauber der US Army in 40 Jahren gewonnen hat. Im Rahmen des Future Vertical Lift-Programms von Bell Flight, genannt Digital Systems, wurden Flugzeugsensordaten genutzt, um die Art und Weise zu erfassen und zu optimieren, wie die US-Army die Luftfahrzeuge in maximaler Einsatzbereitschaft hält.

Wo kommen die Daten ins Spiel? Auch wenn ein militärisches Gerät einsatzbereit erscheinen kann, kann es Teile oder Komponenten geben, die kurz vor dem Ausfall stehen. Mit dem DigTwin-Ansatz werden über Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) wie Deep Learning mögliche Risiken frühzeitig erkannt und vorhergesagt, bevor sie sich auf Leistung und Einsatzbereitschaft auswirken. IBM hatte bereits für die US-Armee für gepanzerte Kampffahrzeuge ein ähnliches Projekt erfolgreich realisiert (US Stryker-Plattform).

Vorhersagen zu vorbeugenden Wartungen auf Basis von Daten aus der Wartungshistorie

Im Rahmen des Projekts stellte die US-Army eine 15-jährige Wartungshistorie für eine Flotte von 350 gepanzerten Kampffahrzeugen sowie rund 5 Milliarden Sensorwerte und Textdaten aus dem gleichen Zeitraum zur Verfügung. Mithilfe von Deep-Learning-KI-Algorithmen und dem digitalen Zwilling erstellte IBM Vorhersagen darüber, welche Fahrzeuge eine vorbeugende Wartung benötigten. Durch Einspeisung einer Vielzahl von technischen Handbüchern in diesen Datenpool war das System dann in der Lage u.a. auch auf Basis von Natural Language Processing (NLP) jede Fehlervorhersage mit einer Grundursache bis auf Teile- oder Komponentenebene zu verknüpfen.

Verbesserung der Einsatzbereitschaft und Lagereffektivitätsrate, Vermeidung von ungeplanten Reparaturen

Ein großer Vorteil, der durch die DigTwin-Lösung veranschaulicht wurde, war, wie die Vorhersage des Ausfalls eines relativ kostengünstigen Teils die Notwendigkeit vermeiden kann, ein ganzes System wie z. B. einen Motor zu ersetzen, was weit über 12 Millionen US-Dollar einspart. Durch Integration der prädiktiven Erkenntnisse in das ERP-System können dann folgende KPIs erreicht werden

  • Bis zu 25 % Verbesserung der Einsatzbereitschaft
  • Bis zu 37% potenzielle Steigerung der Lagereffektivitätsrate
  • Bis zu 33 % weniger ungeplante Reparaturen

Diese Integration der DigTwin-Lösung in ein ERP-System liefert dann Erkenntnisse, bevor sie sich auf Liefertermine auswirken können. Die Integration der Lösung nach SASPF ist abbildbar (S/4HANA) und im Kontext zukünftiger sensorbasierter Ansätze auch auf andere Plattformen (z.B. Luft) übertragbar. Die Integration kann über das SAP PO-Nachfolgeprodukt (z.B. SAP Cloud Integration) auf der gesamten Strecke auch on-prem im WANBw abgebildet werden.

DigTwin-Integrationsansatz S/4HANA
DigTwin-Integrationsansatz S/4HANA
Grafik: IBM

Ein Prototyp auf Basis von F-16 Triebwerksdaten (Sensor und Textdaten US Air Force F-16) liegt vor und kann demonstriert werden. Das Ergebnis im ERP ist entweder eine prädiktive IH-Meldung mit Statusboard Integration SAP D&S oder eine auf Basis der Textanalyse (Hestellercode / Teilekennzeichen) erzeugte Bestellanforderung (Banf). Über die Schnittstelle in das ERP (z.B. S/4HANA) kann dann basierend auf analytischen Daten (z.B. Early-Fail-Kenner des Bauteils/Gerät) ausgelöst werden. Die Logik wurde bereits erfolgreich für die US Air Force getestet.

Zulauf neuer Waffensystem bei der Bundeswehr

Im Rahmen des Zulaufs der Waffensysteme gibt es verschiedene systemrelevante Konstellationen im Ökosystem SASPF. Neu-zulaufende Waffensysteme werden meist industrieseitig gem. ASD S1000D bzw. S2000M geliefert. Ein Beispiel sind die Motoren von Rolls-Royce Solution. Gemeinsam mit der BWI erstellt IBM die Dokumentation für die EDiMot, ADiMot und Gasturbine und stellt somit durch konsequente Nutzung des Industriestandards die Weichen für den Digitalen Zwilling in der Nutzung.

Mit mehr Transparenz über die zugrundeliegenden Teileausfallmuster haben die Streitkräfte das Potenzial, ihre Ersatzteilbestände besser zu verwalten. Dabei können im Rahmen von LV/BV verschiedene Einsatzszenarien simuliert werden und bilden das Potenzial für eine verbesserte logistische Bedarfsplanung und nachhaltige Erhöhung der Einsatzbereitschaft.

Autor: Yann Patrick Böhly, IBM Global Center of Excellence

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige

Verwendete Schlagwörter

ARDigitalisierungEinsatzbereitschaftIBMS/4HANASASPF
Index