Der Ukraine-Krieg zeigt, dass der klassische Landkampf und die Befähigung dazu unabdingbar sind. Leopard-Kampfpanzer bewähren sich auch in diesem Krieg, doch gleichzeitig wird deutlich, dass Anpassungen an die heutigen Bedrohungen notwendig sind. cpm Defence Network sprach über die absehbaren Entwicklungen im Bereich der Kampfpanzer mit dem Geschäftsführer von Krauss-Maffei Wegmann, Ralf Ketzel. Das Interview führte Dorothee Frank.
Vergangene Woche wurde der letzte Leopard 2 A7V an die Bundeswehr übergeben, wie unterscheidet er sich von den bisher hauptsächlich in der Bundeswehr genutzten Leopard 2 A6?
Die Unterschiede sind erheblich. Der 2 A7V ist ausgerüstet mit der A1-Waffenanlage, die eine größere Durchschlagsleistung besitzt. Es ist auch eine echte Anpassung bezogen auf den Schutz, sodass wir beide Schutzsysteme fahren können: Zum einen jenen, den die Kanadier in Afghanistan als Peacekeeping hatten – und der jetzt auch im Gaza gefordert sein wird – und zum anderen den schweren Duell-Schutz, den die Schweden, Griechen und Kataris bereits in früheren Versionen einführten. Die Bundeswehr erhält diesen Duell-Schutz allerdings mit dieser Version zum ersten Mal.
In dieser Kombination sind die deutschen Leoparden gleichwertig – eigentlich schon ein bisschen überlegen – gegenüber all jenen Kampfpanzern, die wir bisher an andere Nationen geliefert haben.
Eine weitere Neuerung gegenüber der vorigen Bundeswehrversion ist die Klimaanlage, sodass die Soldatinnen und Soldaten unabhängig von der Außentemperatur im Kampfpanzer verbleiben können.
Kommen wir zurück zum Schutz. In der Ukraine sieht man sehr häufig sogenannte Top-Attacken, also Angriffe durch Drohnen oder Flugkörper direkt von oben. Wie lässt sich der Leopard dagegen schützen?
Wir besitzen hierfür zwei Lösungen. Zum einen haben wir für Schweden und Griechenland einen wirklich schweren Schutz gegen Artilleriegeschosse realisiert, die Hohlladungen verschießen. Das ist aber ein wirklich schwerer Schutz. Dann haben wir noch das Trophy- Selbstschutzsystem, das nun auch einige deutsche Leoparden erhalten werden. Auch dieses bietet einen gewissen Schutz gegen Drohnen. Aber wirklich ausreichend sind beide Lösungen nicht.
Ich bin der Ansicht, dass wir anders mit der Bedrohung durch Drohnen umgehen müssen. Wir haben bei KMW sehr erfolgreich demonstriert, dass man mit dem Schützenpanzer Puma Drohnen bekämpfen kann. Das heißt also, das Tandem Puma und Leopard besäße an der Front einen sehr guten Schutz gegen Drohnen.
Wir müssen uns meiner Ansicht nach von der Vorstellung lösen, dass man alle Aufgaben in einem System realisieren könnte. Der Leopard bringt die Durchschlagskraft mit, der Puma – oder ein anderes Fahrzeug – den Schutz vor Drohnen.
Manche behaupten allerdings, dass die Entwicklung der Drohnen das Ende der schweren Landsysteme und besonders der Kampfpanzer bedeutet.
Darauf könnte man entgegnen, dass die Einführung von Torpedos auch nicht die Schiffe überflüssig machte. Die Themen Angriff und Schutz gehen immer Hand in Hand. Kein System wird durch die Entwicklung auf einer der beiden Seiten tatsächlich völlig abgelöst, es sind allerdings ständig Anpassungen notwendig.
Aber es stimmt, wir müssen uns intensiv mit dem Thema Drohnen beschäftigen. So müssen wir uns z. B. fragen, wie Drohnen tatsächlich bekämpft werden sollen. Schließlich reden wir bei der Bedrohung von billigen Massenprodukten. Es wird also zusätzliche Lösungen geben müssen, die ich allerdings nur bedingt auf dem Leopard sehe, eher auf anderen geschützten Kettenfahrzeugen.
Solche Anpassungen sind allerdings nicht neu. Wir haben früher zum Beispiel das Heer ohne Hubschrauber gedacht und das würde heute auch niemand mehr machen. Um am Puls der Zeit zu bleiben, haben wir für das nächste neue Projekt, das Main Ground Combat System, Themen festgelegt, wie der Landkampf in Zukunft gedacht werden muss. Dazu zählt für mich Remote Control, vernetzte ffektoren und natürlich auch der Schutz gegen Bedrohungen aus der Luft.
Sie sprachen MGCS an, wie ist der Sachstand bei diesem deutsch-französischen Projekt?
Die Besprechung der beiden Minister im Sommer war mit Sicherheit ein Meilenstein, um das Projekt wieder anzustoßen. Ich habe zwar gerade schon ein paar technische Dimensionen von MGCS angesprochen, aber im Grunde ist es ein extrem politisches Projekt. Die industrielle Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich im Landbereich hat keine lange Tradition, im Gegensatz zur seit langem bestehenden Kooperation zwischen den Leopard-Nutzernationen, den LEOBEN-Staaten.
Wie viele europäische Staaten zählen aktuell zu LEOBEN?
Die meisten west-europäischen Nationen besitzen Leoparden – bedauerlicherweise sind die beiden militärischen wichtigen Partner UK und Frankreich nicht Teil der Leopard 2 Welt. Er ist wirklich die Grundlage der Landstreitkräfte Europas.
Wäre es dann nicht sinnvoll, ihn als Element von MGCS zu behalten?
Das dürfen Sie keinen Techniker fragen, da es wie gesagt ein politisches Programm ist. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass MGCS und Leopard-Weiterentwicklungen parallel in den deutschen Streitkräften vorhanden sein werden. Außer Deutschland und Frankreich ist kein weiteres Land an MGCS beteiligt, deshalb kann ich nur für Deutschland sprechen. Und hier wird MGCS Anforderungen stellen, mit denen der Leopard dann kooperieren und gemeinsam im Gefecht stehen muss. So wie auch ein Schützenpanzer mit einem Kampfpanzer kooperieren muss. Ich glaube also nicht, dass MGCS den Leopard ablöst, sondern dass beides parallel läuft und sich ergänzt.
Noch einen Blick in die nähere Zukunft, wann kommt die nächste Leopard-Serie?
Wir fertigen gerade parallel die Leoparden für Ungarn mit der ersten Auslieferung im Dezember. Dann hat uns Norwegen in diesem Jahr den Auftrag für die Lieferung von Leopard 2 A8 erteilt.
Für die Bundeswehr läuft die Anpassung von Leopard 2 A6 auf Stand A6MA3 sowie die Serie Leopard 2 A7A1, welche mit dem israelischen aktiven Selbstschutzsystem Trophy ausgerüstet werden. Ferner läuft mit dem Programm Leopard 2 A8 noch die Nachbeschaffung jener Leoparden, die an die Ukraine gingen.
Wir haben also eine überaus lebendige Leopardzukunft vor uns.
Herr Ketzel, vielen Dank für das Gespräch!