Air Defender 23 – Die Rückkehr zu LV/BV

Air Defender 23 ist die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der NATO. Mit 25 Nationen und 250 Luftfahrzeugen sucht die vom 12. Bis 23. Juni 2023 stattfindende multinationale Übung ihresgleichen. Wer glaubt diese Übung sei als Drohgebärde und Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu werten der irrt.
Eine C130H Herkules in der Nähe von Wunstorf.
Foto: Carsten Vennemann

Übungsvorbereitung und -planung einer Übung derartiger Größe wäre in so kurzer Zeit kaum realisierbar, hängt doch hinter einer solchen Großübung ein langwieriger Planungsprozess, um allein die Logistik und den weiterlaufenden zivilen Flugbetrieb zu gewährleisten. So ist diese Übung bereits lange vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine entschieden und geplant worden. Und dennoch, diese Übung ist ein deutliches Signal der NATO und weiterer Partnerstaaten für Geschlossenheit und abbildbare Fähigkeiten.

Deutschland als Leadnation

Der größte Anteil der übenden Truppen kommt aus den Vereinigten Staaten. Deutschland übernimmt erneut die Rolle der logistischen Drehscheibe. Mit etwa 10.000 teilnehmenden Soldatinnen und Soldaten und 250 beteiligten Flugzeugen (100 davon aus den USA) lässt sich die logistische Dimension hinter dieser Übung erahnen. Die Einsätze werden hauptsächlich von den Standorten

  • Jagel/Hohn in Schleswig-Holstein
  • Wunstorf in Niedersachsen
  • Lechfeld in Bayern
  • Spangdahlem in Rheinland-Pfalz
  • Volkel in den Niederlanden
  • Čáslav in der Tschechischen Republik

starten und beschränken sich primär auf drei Übungslufträume über Deutschland. Als Hauptkreuze benennt die Bundeswehr Schleswig/Hohn, Wunstorf und Lechfeld.

Eine amerikanische F-15 während AIR DEFENDER 23 bei Hohn.
Foto: Carsten Vennemann

Luftüberlegenheit als wichtiger Gradmesser für den Erfolg von Operationen

Welch wichtige Rolle dem Luftraum und seiner Kontrolle zukommt ließ sich in zahlreichen Kriegen nach dem Ersten Weltkrieg erkennen. Ohne eigene Lufthoheit wird das Operieren in landbasierten Operationen signifikant beeinträchtigt. Ein Stören der Operationen ganzer Truppenverbände durch Wirkung aus der Luft kann die Überlegenheit von Kräften auf dem Gefechtsfeld am Boden in kürzester Zeit zunichte machen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist ein ständiges Beüben fliegender Einheiten in unterschiedlichsten Szenarien und Rollen unabdingbar. Dies soll in den kommenden Tagen durch die Truppen der 25 Nationen geschehen. Neben Luftkampf und Luftbetankung sollen auch der Abwurf von Bomben und der Einsatz von Fallschirmjägern Bestandteil der Großübung sein. Insgesamt lässt sich aus dieser Übung auch ein weiterer Schritt der deutschen Streitkräfte in Richtung Landes- und Bündnisverteidigung lesen. Die Rückbesinnung auf dieses komplexe Einsatzszenar ist wieder im Zentrum militärischer Operationsplanung angekommen.

Eine SAAB 39C Gripen kurz vor dem Start in Jagel.
Foto: Carsten Vennemann

Carsten Vennemann für uns unterwegs

Als passionierter Plane-Spotter ist Carsten Vennemann für uns unterwegs. Nach vielen Jahren in den Diensten der Streitkräfte kann er in den kommenden Tagen für uns quasi „vom Rollfeld“ berichten.

Carsten, wo warst Du heute unterwegs und was konntest Du beobachten?

Den Übungsbeginn am 12. Juni habe ich in Wunstorf beim LTG 62 erlebt. Wunstorf als logistische Drehscheibe nimmt eine wichtige Funktion wahr. So waren dann auch einige Airbus A400 als Tankflugzeug im Einsatz. Transportflugzeuge der US Air National Guard vom Typ Hercules C-130 flogen Transporteinsätze im Rahmen der Übung. Den zweiten Übungstag habe ich dann in Hohn und Jagel verfolgt. Hier sind auf beiden Flugplätzen Jagdflieger und Jagdbomber aus mehreren Nationen stationiert. Jagel nimmt zusätzlich zum dortigen TLG 51 Kräfte aus der Türkei, Ungarn und den USA auf. Neben den deutschen Tornados operieren von hier aus ungarische Gripen, F-16 der USA und der Türkei sowie sechs A-10 der US Air National Guard. Hohn ist Operating Base für F-15 der US Air National Guard, britische Typhoons, finnische F/A-18 C Hornets und F/A-18E Super Hornets sowie EA-18G Growler der US Navy, die sämtlich zum Trägergeschwader der USS Gerald R. Ford gehören.

Gab es für dich besondere Auffälligkeiten während der Übung?

In Hohn und Jagel ließen sich die unterschiedliche Länge der einzelnen Missionen nachvollziehen. Interessant auch die Tatsache, dass einige Missionen bis ins Baltikum (Estland) reichen, die hauptsächlich von den A-10 durchgeführt werden. Ebenso aufschlussreich ist das Zusammenwirken der einzelnen Nationen mit ihren unterschiedlichen Flugzeugtypen. Der zweite Tag, so ist zu hören, war bereits deutlich flugintensiver als der Montag.

Wie ist Dein Eindruck von den Anwohnern? Trifft die Übung eher auf Interesse oder auf Ablehnung?

In Wunstorf wie auch in Hohn und Jagel habe ich eine überwiegend aufgeschlossene und unaufgeregte Bevölkerung erlebt. Das mag wohl an der zum Teil jahrzehntelangen Verbundenheit zum jeweiligen Flugplatz liegen. Ein weiterer Grund ist vermutlich auch die umfangreiche und informative Berichterstattung der regionalen Presse. Wesentlich interessanter dagegen scheint für die Anwohner das Heer der Planespotter und Fotografen zu sein, die aus allen Teilen Europas anreisen. Nicht nur mit den Anwohnern ergeben sich zum Teil sehr aufschlussreiche Gespräche, auch die Presse sucht das Gespräch mit den Spottern für Reportagen und Kurzberichte im Zusammenhang mit der Übung.

 

Autoren: Matthias Wunsch und Carsten Vennemann

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