Aufgaben des Planungsamtes in der Umsetzung internationaler Kooperationen

Die sicherheitspolitische Einbindung Deutschlands in NATO und EU erfordert eine gezielte Planung und Umsetzung multinationaler Kooperationen. Die Bundeswehr übernimmt hierbei in Gestalt des Planungsamtes eine Schlüsselfunktion: Das Amt koordiniert Planungsziele, fördert Fähigkeitsentwicklungen und unterstützt innovative Rüstungsprojekte mit Partnern. Durch enge Zusammenarbeit auf europäischer und transatlantischer Ebene trägt es dazu bei, Synergien zu nutzen, Kosten zu senken und Verteidigungsfähigkeiten effizient weiterzuentwickeln. Wie das konkret gelingt, berichtete Fregattenkapitän Hendrik Wissler für das cpmFORUM.

Haben viele Aufgaben: Ein Blick ins Innere des Planungsamtes.
Ein Blick ins Innere des Planungsamtes.
Foto: Bundeswehr

„Deutschlands Sicherheit ist untrennbar mit der unserer europäischen Partner und Verbündeten verbunden. Unser Bekenntnis zu NATO und EU ist unverrückbar.“ (Nationale Sicherheitsstrategie 2023, Seite 13)

Seit ihrer Gründung ist die Bundeswehr als „Bündnisarmee“ in die Strukturen der NATO eingebunden. Nach dem Ende des Kalten Krieges gewann auch die Europäische Union (EU) zunehmend an Bedeutung in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In der 2023 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie und den daran anknüpfenden Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) wurde die streitkräfteplanerisch herausragende Bedeutung dieser Einbettung in NATO und EU durch das klare Bekenntnis der Bundesregierung zur Erfüllung der NATO-Planungsziele prominent unterstrichen. Diese bilden zusammen mit den Verpflichtungen aus dem europäischen Headline-Goal-Prozess wesentliche Eingangsgrößen für das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr (FPBw).

„Die Bundesregierung richtet einen besonderen Fokus auf Fähigkeitsziele der NATO und das zügige Schließen von Fähigkeitslücken. Strukturelle Defizite, die diesem Ziel entgegenstehen, werden wir beseitigen.“ (Nationale Sicherheitsstrategie 2023, Seite 30)

Das Planungsamt der Bundeswehr leistet einen wesentlichen Beitrag für den Abstimmungsprozess über die Zuweisung neuer Planungsziele sowie die Evaluation der Zielerreichung. Dazu erhebt das Amt zusammen mit den Teilstreitkräften und militärischen Organisationsbereichen umfangreiche Daten in den Planungskategorien Rüstung, Personal und Organisation, bereitet diese auf und berät auf dieser Grundlage die ministeriellen Arbeitsgruppenleiter in den Verhandlungen mit der NATO.

Bi- und multinationale Kooperation in der Fähigkeitsentwicklung

Über die streitkräfteplanerischen Anforderungen von NATO und EU hinaus unterstützt Deutschland mit Nachdruck auch multinationale Kooperation im Rahmen konkreter Forschungs-, Entwicklungs- und Beschaffungsprojekte. Dazu beteiligt sich die Bundesrepublik an verschiedenen europäischen Initiativen sowie bi- und multilateralen Kooperationen wie z.B. der Permanent Structured Cooperation in Defence (PESCO) oder dem Framework Nations Concept (FNC).

FNC und PESCO – zwei Formate multinationaler Kooperation.
FNC und PESCO – zwei Formate multinationaler Kooperation.
Grafik: PlgABw

Aus planerischer Sicht können durch Fähigkeitskooperationen Synergien zwischen den NATO-Partnern und EU-Mitgliedern nutzbar gemacht werden, beispielsweise durch gemeinsame Ausbildung des Personals unterschiedlicher Streitkräfte „am selben System“. Bei einer gemeinsamen Beschaffung werden zudem Skaleneffekte kreiert, indem Entwicklungskosten auf eine größere Stückzahl umgelegt werden können. Dadurch wird eine Gesamtkostensenkung für alle beteiligten Nationen erreicht. Als positives Beispiel sei hier als bilaterales Format z.B. die umfassende deutsch-norwegische Uboot-Kooperation angeführt.

„Dazu werden wir das europäische Profil in der NATO durch die intensivierte Zusammenarbeit und Kapazitäten im Bereich der Rüstungs- und Fähigkeitskooperation schärfen. [..] Europäische Initiativen zu gemeinsamer Forschung, Entwicklung und Beschaffung wollen wir gestalten und in den nationalen Planungsprozess sowie in die Beschaffungsverfahren einbeziehen.“ (VPR 2023, Seite 32)

Auf europäischer Ebene besteht mit der Europäischen Verteidigungsagentur (European Defence Agency (EDA)) ein permanentes Forum der EU-Mitgliedstaaten mit einer Vielzahl von Arbeitsgruppen zu einem breiten Spektrum von Themen. Diese dienen u.a. der Anbahnung und Umsetzung von Kooperationen, die im Idealfall in konkrete Entwicklungsprojekte münden. Erfolge zeigen sich z.B. in der steigenden Zahl und kontinuierlichen Umsetzung von Projekten der EU-Verteidigungsinitiativen PESCO und CARD (Coordinated Annual Review on Defence).

Einen weiteren Meilenstein stellt die Schaffung des European Defence Fund (EDF) dar, für den die Europäische Kommission rund acht Mrd. EUR im mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 zur Verfügung gestellt hat. Mit diesem Instrument wird planerisch der „frühe Lebenszyklus“ von Verteidigungssystemen beginnend bei Grundlagenforschung bis hin zur Demonstratorentwicklung abgedeckt, an den dann z. B. im Rahmen von PESCO-Projekten angeknüpft werden kann.

In der Innovationsförderung werden sowohl die EDA-Initiative HEDI (Hub for European Defence Innovation) als auch das NATO-Format DIANA (Defence Innovation Accelerator for the North Atlantic) aktiv durch das Planungsamt begleitet. Beide bieten die Möglichkeit zur Identifikation und Förderung von Innovationen nicht nur für den Verteidigungsbereich. Die untersuchten Themenfelder werden entlang der NATO-Planungsziele, Emerging Disruptive Technologies (EDTs) und weiteren Schwerpunkten festgelegt.

Multinationale Potentialanalyse. Grafik: PlgABw
Multinationale Potentialanalyse.
Grafik: PlgABw

Mit anderem Schwerpunkt dient das durch Deutschland initiierte und 2014 auf dem NATO-Gipfel in Wales beschlossene FNC der Verteidigungskooperation europäischer NATO-Staaten dem Ziel, die jeweiligen NATO-Fähigkeitsziele durch systematische, gegenseitige Abstimmung in einer Gruppe von Nationen gemeinsam besser zu erfüllen.

Kooperationspotenziale frühzeitig erkennen – die multinationale Potentialanalyse

Um die genannten Formate gezielt anzusteuern und mit dem nationalen Prozess zu verknüpfen, wurde in der Planungsorganisation die sog. „multinationale Potentialanalyse“ etabliert. Diese zielt darauf ab, Kooperationspotentiale frühzeitig im Leistungsprozess „Integrierte Planung Durchführen (IPD)“ zu identifizieren, in einem strukturierten Prozess zu bewerten und passende multinationale Formate anzusteuern.

Dem Planungsamt kommt auch hierbei besondere Bedeutung zu. Wie keine andere Dienststelle ist es mit seiner von der Zielbildung bis zur Planungsumsetzung umfassenden Kompetenz befähigt, Potentiale ganzheitlich zu bewerten. Schließlich ist es Kernauftrag des Amtes, im Spannungsfeld zwischen ministeriellen Vorgaben und Forderungen der Organisationsbereiche sowohl als Mittler zwischen BMVg und Organisationsbereichen zu agieren als auch die Organisationsbereiche selbst zu koordinieren.

Folgerichtig koordiniert das Planungsamt mit dem Referat „Multinationale Verteidigungsplanung und Fähigkeitskooperation“ die Zuarbeit des nachgeordneten Bereichs zur abschließend im BMVg verantworteten multinationalen Potentialanalyse.

Um frühzeitig schon jenseits des Horizonts des FPBw Potentiale erkennen zu können, analysiert das Planungsamt der Bundeswehr dazu bereits „ganz vorne“ im Prozess Produkte der Zukunftsanalyse wie z.B. das Future Operating Environment und Analysen des Innovationsmanagements in Verbindung mit Zielvorstellungen der Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche sowie korrespondierenden Dokumenten von Partnern.

arüber hinaus wird aufbauend auf den jährlich in Verantwortung des Planungsamtes der Bundeswehr und unter Mitwirkung der Organisationsbereiche auf Grundlage der aktualisierten Fähigkeitslage der Bundeswehr durchgeführten Teilportfolioanalysen noch vor einem Projektstart geprüft, inwieweit bestehende oder sich mittelfristig öffnende Fähigkeitslücken ggf. multinational geschlossen werden können.

Und schließlich wird auch bei jeder aus der Bundeswehr vorgelegten Initiative multinationales Kooperationspotential in den Prüfergebnissen des Planungsamtes betrachtet. Im Ergebnis entsteht durch die Verknüpfung nationaler Handlungsbedarfe mit den Erkenntnissen über die Absichten von Partnernationen (aus dem NATO-Planungsprozess, Datenbanken wie z.B. der EUCLID (EU Collaboration in Defence), Analysen der EDA und Verbindungsorganisationen der Teilstreitkräfte ein umfassendes Bild potentieller Kooperationen.

Angesichts der oftmals politisch geprägten Großvorhaben fokussiert sich die multinationale Potentialanalyse im Planungsamt in aller Regel auf „kleinere“ Vorhaben mit Finanzansätzen unterhalb des Milliarden-EURO-Bereichs, wie z.B. die gemeinsam mit den Niederlanden in einem PESCO-Projekt organisierte Entwicklung eines „Anti-Torpedo Torpedo“-Systems mit dem Ziel der Erreichung einer Beschaffungsreife.

Über die multinationale Potentialanalyse hinaus führt das Planungsamt im Auftrag des BMVg im Intranet das „Portal Multinationale Fähigkeitsentwicklung“, wo Informationen etwa aus multinationalen Stabsgesprächen, Analysen zu Kooperationspotentialen bei einzelnen Projekten und Übersichten zu Fähigkeitskooperationen mit Partnernationen für die beteiligten Akteure aus der gesamten Bundeswehr bereitgestellt werden.

Zukunft der Planungsamtes

Im Zusammenhang mit der Reorganisation des BMVg und des nachgeordneten Bereichs mögliche Änderungen an der Rolle des Planungsamtes können zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in Gänze erfasst werden. Es zeichnet sich jedoch ab, dass das Portfolio des Amtes im Bereich der Multinationalität nicht schrumpfen, sondern eher weiter aufwachsen wird.

Ein erster Schritt dabei war die zum 1. Mai 2024 erfolgte Übergabe der Funktion des zentralen deutschen Ansprechpartners für die Datenbank EUCLID einschließlich der Zuständigkeit für die Erarbeitung von in der Datenbank einzustellenden nationalen Kooperationsinteressen vom BMVg auf die Ämterebene. Damit ist schon jetzt klar, dass das Planungsamt im Bereich multinationaler Kooperation künftig nicht nur starker Servicedienstleister für das BMVg bleiben, sondern zunehmend auch im multinationalen Raum eigenständig gestalten wird.

Fregattenkapitän Hendrik Wissler,
Stellvertretender Referatsleiter und Grundsatzreferent im Referat für Multinationale Verteidigungsplanung und Fähigkeitsentwicklung, der Planungsamtes der Bundeswehr

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