BRIMSTONE – Fähigkeitsaufwuchs für den Kampf aus der Luft

Die Anforderungen an moderne Luftstreitkräfte unterliegen einem ständigen Wandel. Asymmetrische Konflikte, urbanes Terrain und hochmobile Gegner stellen immer komplexere Herausforderungen an Präzisionswaffensysteme, die über die herkömmlichen Fähigkeiten hinausgehen müssen. In diesem Zusammenhang stellt der Lenkflugkörper BRIMSTONE 3, entwickelt von MBDA, eine entscheidende Weiterentwicklung für die Luftwaffe dar. Der Chefredakteur des cpmFORUM geht in unserem heutigen Beitrag näher auf das Thema ein.

EUROFIGHTER mit angebauten Flugkörpern BRIMSTONE im Flug. Foto: Bundeswehr
EUROFIGHTER mit angebauten Flugkörpern BRIMSTONE im Flug.
Foto: Bundeswehr

Die geplante Integration dieses Systems in den EUROFIGHTER der Deutschen Luftwaffe wird einen signifikanten Fähigkeitsaufwuchs für die Luftwaffe bedeuten und die Fähigkeit der Bundeswehr, auch in anspruchsvollen Szenarien präzise und effektiv zu agieren, nachhaltig stärken.

Evolution des BRIMSTONE-Systems

Der BRIMSTONE wurde ursprünglich Anfang der 2000er Jahre für die britische Royal Air Force im Rahmen des SPEAR-Programms (Selective Precision Effects at Range) entwickelt und hat seither mehrere Entwicklungszyklen durchlaufen. Grundlagensystem war hier die HELLFIRE-Rakete.

Das in diesem Zusammenhang genannte SPEAR-Programm ist jedoch nicht mit dem Wirkkörper SPEAR 3 gleichzusetzen. Das fünfstufige britische SPEAR-Programm beschreibt die Evolution der Effektoren, angefangen bei PAVEWAY 4 (SPEAR 1), gefolgt von BRIMSTONE (SPEAR 2) über SPEAR 3 (SPEAR 3) und STORM SHADOW (SPEAR 4), hin zu einem zukünftigen Wirksystem (SPEAR 5). Die erste Version des BRIMSTONE wurde 2005 in Dienst gestellt und erlebte ihren ersten Einsatz in Afghanistan.

Seitdem wurde der Lenkflugkörper in verschiedenen Konflikten, darunter im Irak und Syrien, mit großem Erfolg eingesetzt. Die kontinuierliche Weiterentwicklung hat das System auf ein Niveau gebracht, das es zu einem der präzisesten und effektivsten Lenkwaffen im Arsenal westlicher Luftstreitkräfte macht. Die aktuelle Version, BRIMSTONE 3A, integriert fortschrittliche Technologien, die auf den umfangreichen Einsatzerfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte basieren.

Im Rahmen des sogenannten Spiral-Development wird weiterhin an Verbesserungen in Bezug auf unterschiedliche – auch nationale – Anforderungen an den BRIMSTONE 3 gearbeitet. Durch den Einsatz von unterschiedlichen Plattformen, ergeben sich vielfältige operationelle Einsatznotwendigkeiten, die BRIMSTONE zukünftig bedienen muss. So stellt z. B. der Verschuss von einem Kampfhubschrauber aus niedriger Höhe, verbunden mit Hindernissen und evtl. uneinsehbarem Zielgebiet, andere Anforderungen an BRIMSTONE 3, als der Verschuss von einem Kampflugzeug aus großen Höhen.

Diese und weitere Anpassungen werden zukünftig softwareseitig implementiert und zur Verfügung gestellt. Die daraus resultierende BRIMSTONE-Version wird unter dem Programmnamen BRIMSTONE 3B bzw. BRIMSTO-NE 3 Spiral 1 laufen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Bemerkung, dass die BRIMSTONE 3A-Hardware die Basiskonfiguration darstellt.

Technologische Kernfähigkeiten des BRIMSTONE 3A

Der BRIMSTONE 3 zeichnet sich insbesondere durch seine außergewöhnliche Zielgenauigkeit und Flexibilität aus. Ein Schlüsselelement der Zielerfassung und -verfolgung ist die Kombination eines aktiven Millimeterwellenradars und eines halbaktiven Lasersuchkopfes (Semi Active Laser, SAL). Dieses Dual-Mode-Zielsuchsystem ermöglicht es dem Flugkörper, sich sowohl auf laserbeleuchtete als auch auf Radarsignaturen zu richten.

Dies ist besonders wichtig in dynamischen Einsatzszenarien, in denen sich Ziele schnell bewegen und ihre Position ändern können. Das Millimeterwellenradar übernimmt dabei die Feinsteuerung des Lenkflugkörpers in der Endphase und korrigiert die Flugbahn, was eine präzise Zielerfassung und -bekämpfung ermöglicht, selbst unter schwierigen Bedingungen wie schlechter Sicht oder in urbanem Gelände.

Flugkörper BRIMSTONE. Foto: Bundeswehr
Flugkörper BRIMSTONE.
Foto: Bundeswehr

Die Wirksamkeit des Systems wird durch die Nutzung einer Tandemhohlladung maximiert, die speziell gegen gepanzerte und gehärtete Ziele optimiert wurde. Diese Ladung ist in der Lage, auch reaktive Panzerungen zu durchdringen, was den BRIMSTONE 3 zu einem äußerst effektiven Mittel zur Bekämpfung schwerer gepanzerter Ziele macht. Mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 98 Prozent in über 700 Einsätzen hat der BRIMSTONE seine überlegene Präzision und Effizienz eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Integration des BRIMSTONE 3A in den deutschen EUROFIGHTER

Die Integration des BRIMSTONE 3A in den EUROFIGHTER der Deutschen Luftwaffe stellt einen signifikanten Meilenstein in der Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Bundeswehr dar. Die Integration des BRIMSTONE 3A, die im Rahmen des P3E-Programms (Phase 3 Enhancement) bis 2028 abgeschlossen sein soll, wird es der Luftwaffe ermöglichen, präzise Luft-Boden-Missionen durchzuführen und somit die Fähigkeit der Bundeswehr zur Unterstützung von Bodentruppen und zur Bekämpfung hochmobiler Ziele erheblich zu erweitern. Die avisierte Konfigurationsversion des deutschen EUROFIGHTER wird hier die viernationale P3Ec Step 2 sein.

Der britische EUROFIGHTER verfügt bereits über eine Integration des BRIMSTONE, was wertvolle Erkenntnisse und Erfahrungen für die deutsche Integration liefert. Das deutsche EUROFIGHTER-Programm kann von diesen Erfahrungen profitieren, um eine nahtlose und effiziente Integration zu gewährleisten.

Technische Integration

Der erste Schritt bei der Integration von BRIMSTONE ist die technische Anpassung des Waffensystems an den EURO-FIGHTER. Dies beinhaltet auf Seiten des Luftfahrzeugs sowohl Software- als auch Hardware-Änderungen. Auf der Software-. Seite muss das Flugmanagementsystem des EUROFIGHTER modifiziert werden, um den Flugkörper zu erkennen, mit ihm zu kommunizieren und die Abschusssequenz zu initiieren. Dies erfordert eine enge Abstimmung zwischen den Entwicklern des EUROFIGHTER und der Firma MBDA, um sicherzustellen, dass beide Systeme nahtlos zusammenarbeiten.

Auf der Hardware-Seite müssen die Trägersysteme des EUROFIGHTER angepasst werden, um die BRIMSTONE-Lenkflugkörper sicher und effektiv zu transportieren und verschießen zu können. Dies erfordert unter anderem Anpassungen an den Pylonen und der Verkabelung des Flugzeugs. Diese Anpassungen müssen den spezifischen Anforderungen von BRIMSTONE in Bezug auf Temperatur, Vibration und andere physische Bedingungen gerecht werden. Dabei ist es entscheidend, dass die Änderungen so gestaltet sind, dass die Integrität und Leistungsfähigkeit des EUROFIGHTER nicht beeinträchtigt wird.

Abnahme des Systems

Nach der technischen Integration folgt die Abnahme des Systems, ein entscheidender Schritt zur Sicherstellung der Einsatzfähigkeit. In dieser Phase werden umfassende Tests durchgeführt, um zu überprüfen, ob das integrierte Waffensystem alle Anforderungen erfüllt und unter realistischen Einsatzbedingungen zuverlässig funktioniert.

Die Abnahme des Systems erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst werden am Boden Simulationstests durchgeführt, um die Funktionsfähigkeit des Waffensystems zu überprüfen. Diese Tests umfassen eine detaillierte Analyse des Zusammenspiels zwischen den Software-Systemen des EUROFIGHTER und des BRIMSTONE-Flugkörpers. Dabei wird insbesondere darauf geachtet, dass alle Steuerungs- und Kommunikationsprozesse fehlerfrei ablaufen.

Plattformübergreifende Einsatzmöglichkeiten - der Flugkörper BRIMSTONE kann auch von unbemannten Luftfahrzeugen eingesetzt werden. Foto: Bundeswehr
Plattformübergreifende Einsatzmöglichkeiten - der Flugkörper BRIMSTONE kann auch von unbemannten Luftfahrzeugen eingesetzt werden.
Foto: Bundeswehr

Anschließend folgen Flugtests, bei denen der Flugkörper unter verschiedenen Einsatzbedingungen abgefeuert wird. Diese Tests sind besonders wichtig, da sie sicherstellen, dass BRIMSTONE in allen Szenarien, für die er vorgesehen ist, effektiv eingesetzt werden kann. Die Flugtests dienen auch dazu, die Leistung von BRIMSTONE in realen Einsatzbedingungen zu validieren und eventuelle Anpassungen vorzunehmen.

Zertifizierung

Die Zertifizierung ist der abschließende Schritt des Integrationsprozesses und stellt sicher, dass das System nicht nur technisch einwandfrei funktioniert, sondern auch allen nationalen und internationalen Sicherheits- und Einsatzstandards entspricht. Diese Phase ist besonders wichtig, da sie die endgültige Einsatzbereitschaft des Systems besiegelt.

Im Rahmen der Zertifizierung werden die Ergebnisse der vorherigen Tests analysiert und überprüft, ob das System alle Anforderungen erfüllt. Diese Bewertung umfasst auch eine gründliche Analyse der Sicherheitsstandards, um sicherzustellen, dass der Einsatz von BRIMSTONE keine unvorhergesehenen Risiken birgt. Zudem wird überprüft, ob das System den Anforderungen der NATO-Standards entspricht, um die Interoperabilität im Bündnisfall sicherzustellen.

Die Zertifizierung erfolgt durch nationale und internationale Stellen, die sicherstellen, dass alle regulatorischen Anforderungen erfüllt sind. Nach erfolgreicher Zertifizierung wird das System offiziell in den Bestand der Deutschen Luftwaffe aufgenommen und ist bereit für den Einsatz.

Bedeutung der Luft-Boden-Fähigkeiten des EUROFIGHTER

Mit der Außerdienststellung des TORNADO verliert die Luftwaffe ein bewährtes Waffensystem, das jahrzehntelang eine tragende Säule der deutschen Luftstreitkräfte war. Der TORNA-DO, als vielseitige Plattform für Luft-Boden-Operationen, hatte eine zentrale Rolle in der deutschen Verteidigungsstrategie inne. Die Übernahme dieser Rolle durch den EUROFIGHTER ist daher von entscheidender Bedeutung. Die Integration des BRIMSTONE 3A ermöglicht es dem EUROFIGHTER, diese Lücke zu füllen und überragende Präzision und Effektivität in Luft-Boden-Operationen zu gewährleisten.

Die Fähigkeit, stationäre, bewegliche und manövrierende Ziele präzise zu bekämpfen, ist in modernen Einsatzszenarien unerlässlich. Dies gilt insbesondere für Szenarien, in denen feindliche Kräfte in urbanem Gelände oder in der Nähe von zivilen Infrastrukturen operieren. Der BRIMSTONE 3A ermöglicht es dem EUROFIGHTER, solche Ziele mit minimalen Kollateralschäden schnell und äußerst präzise zu bekämpfen, was in asymmetrischen Konflikten von unschätzbarem Wert ist.

Plattformübergreifende Einsatzmöglichkeiten

Ein weiterer Vorteil des BRIMSTONE 3 ist seine Vielseitigkeit in Bezug auf die Plattformintegration. Der Lenkflugkörper kann nicht nur von bemannten Flugzeugen wie dem EUROFIGHTER eingesetzt werden, sondern auch von unbemannten Systemen wie der REAPER MQ-9B, dem HERON TP oder der zukünftigen EURODROHNE. Darüber hinaus ist eine Integration auf Landfahrzeugen, Hubschraubern und schweren Remote Carriern möglich. Diese plattformübergreifende Einsatzfähigkeit erweitert das operationelle Einsatzspektrum des Systems erheblich und trägt zur Flexibilität und Reaktionsfähigkeit der Bundeswehr bei.

Die deutsche Luftwaffe wird mehrere tausend Brimstone 3 Luft-Boden-Lenkflugkörpern für ihre Eurofighter erhalten.
Die deutsche Luftwaffe wird mehrere tausend Brimstone 3 Luft-Boden-Lenkflugkörpern für ihre Eurofighter erhalten.
Bild: MBDA

Durch die Nutzung des BRIMSTONE 3 auf verschiedenen Plattformen können logistische und finanzielle Synergien erzielt werden. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Ausbildung und Instandhaltung, da ähnliche oder identische Komponenten und Systeme auf verschiedenen Plattformen verwendet werden können. Diese Synergien führen zu einer erheblichen Kostenoptimierung und einer Reduzierung des erforderlichen Personals in querschnittlichen Bereichen. Die Bundeswehr kann somit effizienter operieren und gleichzeitig ihre Einsatzfähigkeit aufrechterhalten.

Nationale Beschaffungsstrategie und Kooperation

Die Beschaffung des BRIMSTONE 3A erfolgt im Rahmen eines Rahmenvertrags zwischen dem BAAINBw (Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) und MBDA Deutschland. Dieser Vertrag sieht die Lieferung von bis zu 3.266 BRIMSTONE 3-Flugkörpern vor, wobei die ersten Auslieferungen ab 2028 erfolgen sollen. Die Fertigung und Integration des Systems erfolgt teilweise in Deutschland, wobei MBDA Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Produktion von Elektronikkomponenten und dem Aufbau einer Endmontagelinie in Schrobenhausen spielt.

Diese Produktionslinie wird die erste ihrer Art außerhalb Großbritanniens sein und stellt einen wichtigen Schritt zur Stärkung der nationalen industriellen Basis dar. Ebenso stammt der Gefechtskopf des BRIMSTONE 3 aus deutscher Produktion, er wird von der TDW hergestellt, einem 100 Prozent Tochterunternehmen der MBDA Deutschland GmbH.

Wichtiger Schritt für die Zukunft der Luft-Boden-Fähigkeit

Der Fähigkeitsaufwuchs, den der BRIMSTONE 3A für die Luftwaffe mit sich bringt, ist nicht nur eine Antwort auf die aktuellen Anforderungen moderner Konflikte, sondern auch eine strategische Investition in die zukünftige Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. Mit der geplanten Integration in den EUROFIGHTER und der plattformübergreifenden Nutzung auf unbemannten Systemen und anderen Plattformen wird der BRIMSTONE 3 zu einem unverzichtbaren Bestandteil der deutschen Verteidigungsstrategie werden.

Die enge Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und MBDA Deutschland sowie die nationale Fertigung und Weiterentwicklung des Systems unterstreichen die Bedeutung dieses Projekts für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

 

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