F-35, CH-47 und FCAS – Die Zukunft der Bundeswehr-Luftfahrt

Die Bundeswehr-Luftfahrt steht vor einem umfassenden Modernisierungsschub. Mit der Einführung neuer Kampfflugzeuge wie der F-35A, der Ablösung der CH-53 durch den CH-47 F und der Weiterentwicklung des Next Generation Weapon Systems (NGWS) im Rahmen von FCAS stehen bedeutende Projekte an. Direktor BAAINBw Elmar Günther, Abteilungsleiter Luft im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) gibt im Interview mit dem cpmFORUM Einblicke in die aktuellen Beschaffungen, technologische Herausforderungen und die Auswirkungen auf Ausbildung und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. Das Interview führte Rainer Krug.

Zukunft der Bundeswehr-Luftfahrt: Porträt von Direktor BAAINBw Elmar Günther. Foto: Bundeswehr / BAAINBw
Porträt von Direktor BAAINBw Elmar Günther, vor einer Illustration der CH-47F_Block II Chinook.
Foto: Bundeswehr / BAAINBw
Herr Günther, Ihre Abteilung ist für die luft- und raumgestützten Systeme der Bundeswehr verantwortlich. Können Sie uns zu Beginn einen Überblick über die aktuell aus Ihrer Sicht bedeutendsten Vorhaben der Bundeswehr-Luftfahrt geben?

Grundsätzlich ist die Abteilung Luft für die projektbezogene Bedarfsdeckung und Nutzungssteuerung aller fliegenden Waffensysteme der Bundeswehr (Bw) inklusive Klein- und Kleinstdrohnen sowie Satelliten zur raumgestützten Aufklärung verantwortlich. Zudem verantwortet die Abteilung Luft die Umsetzung von Forschungs- & Technologie (F&T)-Vorhaben, die luftfahrttechnische Handlungsfelder abdecken und übt die Fachaussicht über die Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät der Bundeswehr (WTD 61) in Manching aus.

Ein Schwerpunkt der Abteilung Luft liegt derzeit in der Beschaffung der neuen Waffensysteme (WaSys) F-35A als Ersatz für das Waffensystem TORNADO und des neuen schweren Transporthubschraubers CH-47 F Block 2, der die bewährte CH-53 ersetzen wird. Nicht zu vergessen ist die Entwicklung des Next Generation Weapon System (NGWS) als Teil des Future Combat Air System (FCAS), ein Luftfahrzeug der 6. Generation.

Darüber hinaus sind auch weiterhin die bestehenden Waffensysteme der Bundeswehr-Luftfahrt weiterzuentwickeln und an neue Bedrohungsszenarien anzupassen. Beispielhaft sei hier die Entwicklung, Beschaffung und Einrüstung des neuen AESA-Radars beim WaSys EUROFIGHTER oder das Block Upgrade 0 Paket des A400M genannt.

Anpassungsbedarfe haben sich zudem auch durch die veränderte geopolitische Lage ergeben, wie der Krieg in der Ukraine zeigt. Insbesondere der Einsatz von Klein- und Kleinstdrohnen hat sich äußerst dynamisch entwickelt und stellt mittlerweile ein ganz wesentliches Mittel dar. Vor diesem Hintergrund nimmt die Abteilung Luft die Koordinierung aller sich aus den Aufgabenfeldern der im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) etablierten Task Force (TF) Drohne für den Organisationsbereich AIN als Bedarfsdecker ergebenden Aktivitäten wahr.

Darüber hinaus werden unter anderem konkrete Maßnahmen zur schnellstmöglichen Stückzahlerhöhung bereits in die Bundeswehr eingeführter unbemannter Klein- und Kleinstdrohnen sowie der zeitnahen Beschaffung von Loitering Munition Systems in der Abteilung Luft bearbeitet.

Nicht nur die Bedarfsdeckung ist ein wesentliches Element des Aufgabenportfolios der Abteilung Luft. Ein weiterer wichtiger Baustein betrifft die Nutzungssteuerung der Systeme. Diese erstreckt sich von der Herstellung der Versorgungsreife bei der Einführung neuer Produkte über die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Einsatzreife während der Nutzungsphase bis hin zur Ausphasung von Altsystemen.

Durch die enge Verzahnung der beiden wesentlichen Handlungsfelder in der Nutzungsphase in Gestalt der Materialverantwortung für die Einsatzreife und der Betriebs- und Versorgungsverantwortung werden diese Aufgaben in enger Abstimmung mit den militärischen Organisationsbereichen, zuvorderst den drei Teilstreitkräften Luftwaffe, Heer und Marine, wahrgenommen.

F-35 A über der Reichsburg in Cochem. Foto: Lockheed Marina
F-35 A über der Reichsburg in Cochem.
Foto: Lockheed Marina

Die Abteilung Luft betreut somit fliegende Waffensysteme von der Wiege bis zur Bahre, in einem überwiegend internationalen Umfeld und insbesondere geprägt durch den Treiber Zeitenwende sowie stets im Spannungsfeld der Faktoren Zeit, Leistung und Kosten, wobei derzeit Zeit den handlungsleitenden Faktor darstellt.

Neben FCAS ragen die Beschaffungen des schweren Transporthubschraubers und des Kampfflugzeugs F-35 heraus. Sie werden als Foreign Military Sales (FMS) mit der US-Regierung durchgeführt. Was sind die Besonderheiten dieses Beschaffungsverfahrens und welchen Einfluss haben Sie mit Ihrer Abteilung auf die Realisierungsdurchführung in den USA?

Zunächst einmal sollten wir uns immer vergegenwärtigen, dass die USA unter Führung der Defence Security Cooperation Agency (DSCA) das FMS-Verfahren als ein wichtiges Instrument innerhalb ihrer durch Diplomatie und direkte militärische, aber eben auch durch (rüstungs-)wirtschaftliche/ industrielle Einflussnahme gekennzeichneten Außenund Sicherheitspolitik betrachten.

Mit diesem Ansatz werden verbündete und befreundete Staaten, welche entweder nicht über das erforderliche industrielle Potential verfügen oder aus anderen Gründen und Zwängen die benötigten Fähigkeiten nicht abbilden können, abschreckungswirksam und konkurrenzfähig gegenüber potentiellen Aggressoren ausgerüstet und ausgebildet. Auf diesem Weg und durch die somit vollzogene Angleichung von beispielsweise technischen Standards und Einsatzdoktrinen werden sie zugleich anschluss- und bündnisfähig mit den USA.

Grundsätzlich erfolgt die FMS-Beschaffung im Rahmen einer Regierungsvereinbarung und, wie mit unseren aktuellen Großprojekten beispielhaft umrissen, als kommerziell marktverfügbares Produkt aus US-eigenen Rüstungsprogrammen sowie als Anteil von größeren Bestellungen der US-Streitkräfte und anderer Kundennationen.

Daraus resultierend besteht auf der einen Seite ein sehr geringes Entwicklungs-, Liefer- und Preisrisiko – auf der anderen Seite ist das jedoch verbunden mit relativ eng umrissenen Möglichkeiten für nationale Anpassungen, welche im jeweiligen Einzelfall zu verhandeln und hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit zu bewerten sind.

Im Falle der Bundesrepublik Deutschland verzichten die USA regelmäßig auf eine anteilige Erstattung der entstandenen Entwicklungskosten für die betroffenen Waffensysteme, da mit der Nutzung durch die Bundeswehr zugleich auch US-Sicherheitsinteressen wahrgenommen werden.

Als Besonderheit des Verfahrens sind derartige Verträge für exportkontrollierte Rüstungsgüter per FMS immer durch den US-Kongress zu billigen. Zudem erfolgt die Rechnungsstellung und Zahlungsabwicklung zwischen Auftragnehmer und einer US-Programmorganisation, welche wiederum entsprechende Qualitäts- und Preisprüfungen analog dem Vorgehen für die US-Streitkräfte übernimmt sowie über die DSCA mit dem Endkunden abrechnet.

Der Einfluss des Kunden auf das Produkt und die Vertragsabwicklung ist vor diesem Hintergrund einerseits eher eingeschränkt – als Vorteil lässt sich jedoch andererseits festhalten, dass die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der Industrie als Teil einer in der Regel weltweiten und entsprechend großen Kundengemeinschaft deutlich gestärkt wird und sich in der Nutzung Skaleneffekte positiv auswirken können.

Symbolische Darstellung des Weltraumaufklärungssystems SARah. Grafik: BAAINBw
Symbolische Darstellung des Weltraumaufklärungssystems SARah.
Grafik: BAAINBw

Für das BAAINBw besteht die Herausforderung, eng mit den US-Behörden, dem Hersteller und der Luftwaffe als Bedarfsträger zu kooperieren, um die limitierten Spielräume optimal auszunutzen, potentielle Risiken frühzeitig zu identifizieren, geeignete Strategien zu deren Lösung und Mitigation entwickeln zu können und die durch die US-Regierung beschafften und an die Bw ausgelieferten Systeme in der Bw und im deutschen sowie europäischen Luftraum betreiben zu können.

Auch die Beteiligung der deutschen Industrie an wertschöpfenden Anteilen der Rüstungsprojekte ist alles andere als trivial, da die Beschaffung über den FMS-Prozess in erster Linie keinen Workshare Off-set vorsieht.

Wann ist bei diesen beiden Vorhaben mit dem Zulauf der ersten Exemplare zu rechnen und wie bereiten Sie die Ausbildung auf diesen Waffensystemen vor? Welche Rolle spielen Simulatoren in diesem Bereich?

Das Waffensystem F-35A wird im Zeitraum 2026 bis 2029 an die Luftwaffe ausgeliefert, wobei die ersten acht Luftfahrzeuge am Ausbildungsstandort Ebbing Air National Guard Base in Ft. Smith, Arkansas, USA verbleiben und bis mindestens zum Jahr 2031 in Kooperation mit der United States Air Force (USAF) für die Ausbildung der deutschen Pilotinnen und Piloten genutzt werden. D

ie Schulung des technisch-logistischen Personals erfolgt in einer ersten Phase der Umschulung an US-Ausbildungseinrichtungen, unter anderem auf der Eglin Air Force Base in Florida, USA, und über sogenannte „Mobile Training Teams“ am Standort Büchel – es ist jedoch auch vorgesehen, relativ zeitnah eigene deutsche Ausbildungskapazitäten zu etablieren.

Hinsichtlich der Rolle von Simulatoren lässt sich festhalten, dass sich die Bereitstellung von zeitgemäßen und realitätsnahen Übungsszenarien im Realflugbetrieb in Deutschland aufgrund der erforderlichen räumlichen Ausmaße (Luftraum) und Komplexität (Bedrohungsspektrum) kaum noch realisieren lässt.

Aus diesem Grund steigt die Bedeutung von „Live-Virtual-Constructive“ (LVC)-Anteilen unter Abstützung auf Simulationen in der Aus- und Weiterbildung immens an. Der Beschaffungsumfang von acht miteinander vernetzten Full Mission Simulatoren für das Waffensystem F-35A am Standort Büchel trägt diesem Umstand Rechnung – es ist davon auszugehen, dass das Verhältnis simulatorgestützter Ausbildung zu Realflugstunde zukünftig bei etwa 50:50 liegen wird.

Das im Projekt „schwerer Transporthubschrauber“ beschaffte Waffensystem CH-47F wird im Zeitraum 2027 bis 2032 an die Bundeswehr ausgeliefert. Von den 60 bestellten Hubschraubern werden nach heutiger Planung 47 Hubschrauber am Standort Holzdorf/Schönewalde, zwölf Hubschrauber am Standort Laupheim und ein Hubschrauber bei der Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching stationiert.

Die benötigte Ausbildung für das technisch-logistische Personal ist in drei Phasen gegliedert. Schon heute werden erfahrene Technikerinnen und Techniker aus dem Bereich der CH-53 durch Partnernationen (bspw. die Niederlande) auf das Waffensystem CH-47F qualifiziert. Im Rahmen des FMS-Vertrages werden weitere, bereits erfahrene Techniker, umgeschult und qualifiziert. Diese Ausbildungen finden sowohl in den USA als auch in Deutschland statt. Parallel hierzu werden die Voraussetzungen für die vollständige Übernahme der Ausbildungsverantwortung durch das Technische Ausbildungszentrum der Luftwaffe geschaffen.

Insgesamt sollen bis zu 60 Pilotinnen und Piloten der Luftwaffe bei der US Army im US Army Aviation Center of Excellence (USAACE) in Ft. Novosel (USA/Alabama) zum Erwerb der Musterberechtigung auf der CH-47F ausgebildet werden. Darüber hinaus durchläuft ein Teil der ausgebildeten Besatzungen zusätzlich einen ergänzenden Lehrgang für Fluglehrer bzw. zum Erwerb der Berechtigung für Abnahmeflüge nach Inspektions-/Instandhaltungsmaßnahmen.

Nano Drohne PD 100 der Fa. Teledyne FLIR LLC.
Nano Drohne PD 100 der Fa. Teledyne FLIR LLC.
Foto:. Teledyne FLIR LLC

Zur Vermittlung der spezifischen Eigenschaften der deutschen CH-47F findet im Anschluss an die Ausbildung in den USA eine Deltaschulung mit Unterstützung der US Army in Deutschland statt.

Dazu werden verstärkt die Ausbildungssimulatoren Transportable Flight Proficiency Simulator (TFPS, mobile Flugsimulatoren ohne Bewegungssystem) und Full Flight Full Mission Simulator (FFFMSim, stationäre Simulatoren mit Bewegungssystem), die ebenfalls über den FMS-Case beschafft werden, genutzt. Ergänzt und abgeschlossen wird die Deltaschulung mit Realflugstunden auf den ausgelieferten CH-47F. Es ist beabsichtigt, die Deltaschulung in der Anfangsphase mit Fluglehrpersonal der US Army in Deutschland zu unterstützen.

Langfristig soll die Ausbildung zum Erwerb von Musterberechtigungen der Luftwaffenpilotinnen und -piloten auf Basis einer noch zu schließenden Vereinbarung mit der US Army vorzugsweise beim USAACE und soweit kapazitätsbedingt erforderlich und möglich beim Eastern Army Aviation Training Site (EAATS) erfolgen.

Notwendige ergänzende Deltaschulungen auf die deutsche Konfiguration der CH-47F Block II („CH-47F (DE)“) sowie allgemeine fliegerische und taktische Ausbildungsinhalte werden dann in Deutschland durch Fluglehrpersonal der Luftwaffe vermittelt. Dabei werden auch die beschafften Flugsimulatoren eingesetzt, wobei die FFFMSim durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr für die Anerkennung von Flugstunden zum Erwerb und Erhalt der Muster- und Instrumentenflugberechtigung entsprechend den Forderungen der EASA-Qualifizierungsrichtlinien Level C zugelassen werden.

Vorgesehen sind insgesamt zwei verlegbare containerisierte „Transportable Flight Proficiency Simulatoren“ für den Standort Laupheim und zwei stationäre Full Flight Full Mission Simulatoren CH-47F (DE) für den Standort Holzdorf/ Schönewalde in einem bereitzustellenden Simulatorgebäude. Über den FMS-Case werden zusätzlich noch zwei Rear Cabin Trainer (RCT) zur Aus- und Weiterbildung der Luftfahrzeugbesatzungsmitglieder beschafft, deren Aufgabenbereiche sich im Laderaum während des Fluges/Mission befinden. Dies sind u.a. der Ladungsmeister, Kampfretter und Bordsicherungssoldaten.

Die Ausbildung kann dabei sowohl als Stand-alone-Ausbildung als auch im Verbund mit den Flugsimulatoren TFPS und FFFMSim CH-47F(DE) erfolgen. Dazu können sämtliche fliegerischen Ausbildungsmittel miteinander zur Schwarmausbildung sowohl lokal als auch standortübergreifend vernetzt werden.

Die Flugversuchspiloten und sonstiges Flugversuchspersonal der Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching erhalten ein CH-47F-Musterberechtigung (Type Rating) durch die US Army und eine ergänzende aufgabenspezifische Einweisung durch die Testpilotinnen und -piloten der US-Beschaffungsbehörden.

Kommen wir zu einem weiteren Kooperationsprojekt. Mit dem FCAS in Deutsch-Französischer Kooperation ist der Einstieg in ein fliegendes Waffensystem der 6. Generation vorgesehen. Wo stehen wir in diesem Vorhaben heute? Wo liegen aus Ihrer Einschätzung die hauptsächlichen technischen Risiken?

Mit dem Beitritt Spaniens im Jahr 2019 ist das Next Generation Weapon System (NGWS) ein trinationales Programm geworden. Mit Belgien, welches seit diesem Jahr – vorerst als Observer – die Demonstratorphase begleiten wird, steht schon der nächste Kooperationspartner am Horizont. Aktuell befindet sich das Projekt in der Demonstratorphase 1B; diese entspricht einer Technologiedefinitions- und Entwicklungsphase. Die Verträge zum Aufsatz der Phase 2 werden gerade vorbereitet. Hierbei werden die Demonstratoren dann entwickelt und gebaut. Der Erstflug der einzelnen Demonstratoren ist im Jahr 2029 zum Ende der Phase 2 avisiert.

NGWS ist ein System-of-Systems-Konzept, dessen Komplexität die technischen Risiken bestimmt. Dies bedeutet, dass die zentrale bemannte Plattform (New Generation Fighter – NGF) mit verschiedenen unbemannten Fähigkeitsträgern, den Remote Carrier (RC), interagieren und kooperieren muss. Dieses Gesamtkonzept bietet zwar eine bisher unerreichte, operationelle Flexibilität, stellt aber auch eine erhebliche technische Herausforderung, u. a. in den Bereichen sichere Kommunikation und intelligentes Informationsmanagement, dar.

Wie gelingt eigentlich die Zusammenarbeit der Partner auf industrieller Ebene in diesem doch heiß umkämpften industriellen Bereich?

NGWS ist das zentrale europäische Rüstungsprojekt im Bereich Luftkampfsysteme des 21. Jahrhunderts. Dies ist auch allen Projektpartnern bewusst. Vor diesem Hintergrund finden die Verhandlungen über Workshare und Einflussnahme im Projekt in einem sehr anspruchsvollen Umfeld statt. Aktuell ist das Projekt so aufgebaut, dass jede Nation und ihre korrespondierenden industriellen Partner über einzel ne Projektanteile den Lead innehaben. Für Deutschland mit dem Hauptauftragnehmer AIRBUS Defence and Space trifft dies für die Anteile Remote Carrier und Combat Cloud zu. Frankreich führt mit Dassault beispielsweise den bemannten Fighter Anteil.

Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit nach wie vor von industriepolitischen Herausforderungen geprägt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde jetzt vor der Entscheidung zur Phase 2 ein Quality Gate vereinbart, in dem u.a. das Kooperationsbemühen der beteiligten Firmen explizit bewertet wird.

Die luftfahrtrechtliche Zulassung war in der Vergangenheit immer wieder Punkt der öffentlichen Kritik. Wie sind Ihre Erfahrungen mit den zwischenzeitlich national und europäisch umgesetzten Regelungen? Wie gestaltet sich hier die Zusammenarbeit mit dem Luftfahrtamt der Bundeswehr?

Unbenommen von der grundsätzlich sehr professionell verlaufenden Zusammenarbeit mit dem Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw) stellen die Besonderheiten im Bereich der militärischen Zulassung von Luftfahrzeugen naturgemäß eine enorme Herausforderung dar. Gerade in den oben angesprochenen umfangreichen FMS-Cases ergeben sich für die Projekte aber auch für die Fachleute im LufABw immer wieder neue Besonderheiten, die mit den bestehenden Verfahren in Einklang gebracht werden müssen.

Nano Drohne PD 100 der Fa. Teledyne FLIR LLC. Fotos: Fa. Teledyne FLIR LLC
Nano Drohne PD 100 der Fa. Teledyne FLIR LLC.
Foto: Fa. Teledyne FLIR LLC

Die Orientierung an den europäischen Regelungen der European Military Airworthiness Requirements (EMAR) hilft hierbei nur bedingt, denn die FMS-Cases sind naturgemäß von den aus den USA bezogenen Waffensystemen geprägt. Auch wenn in der US-Administration grundsätzlich alle Funktionalitäten für die Erlangung und den Erhalt einer Musterzulassung prinzipiell vorhanden sind, ist die technische Übersetzung der einzelnen Dokumente – die Zulassung spricht hierbei von Artefakten – in unsem Zulassungssystem stets herausfordernd.

Letztlich lassen sich nur mit dem LufABw und dem BMVg zusammen im deutschen Rechtsrahmen tragfähige und für die Streitkräfte einsatztaugliche Lösungen für die Bundeswehr finden.

Durch den Ukrainekrieg hat die Kriegsführung mit Drohnen eine herausgehobene Bedeutung gewonnen. National haben wir in diesem Jahr die ersten Drohnen mit nationaler Verkehrszulassung in die Streitkräfte übernommen. Welche besonderen Anstrengungen wurden von Ihrer Seite zum Erreichen der Verkehrszulassung übernommen, was kann dafür für zukünftige Vorhaben genutzt werden?

Sie sprechen hier zwei Aspekte an, die bei näherer Betrachtung gar nicht viel miteinander zu tun haben. Der Drohneneinsatz im Krieg in der Ukraine wird in erster Linie durch flexible und innovative Lösungen bestimmt, die Erfolg auf dem Gefechtsfeld versprechen. Zulassungsfragen werden dabei nicht prioritär betrachtet.

Für den German HERON TP (GHTP) hat das Luftfahrtamt der Bundeswehr als Voraussetzung für einen zunächst befristeten Demonstrationsflugbetrieb am Standort Jagel eine Verkehrszulassung erteilt, die vor allem durch ausgesprochen intensive und konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten erreicht werden konnte.

Hierzu zählen neben den beteiligten Dienststellen der Bundeswehr auch die zivilen Beteiligten wie der Industrie und der Deutschen Flugsicherung. Der gemeinsame Wille zum Erfolg hat aus unserer Sicht erheblich dazu beigetragen, erstmals, auch im internationalen Vergleich, ein UAS (Unmanned Aircraft System) dieser Größenordnung mittels einer regulären Verkehrszulassung zu betreiben. Die Erkenntnisse des derzeit laufenden Demonstrationsflugbetriebes werden in die Lösungsfindung zu weiteren Zulassungsfragen im Sektor UAS einfließen.

Aus Sicht der Muster- und Verkehrszulassung sind die größten Schritte die Reduzierung der grundsätzlichen Zulassungspflicht auf Drohnen, die ohne Gewichtsbeschränkung über jeglichem, als auch dicht besiedeltem, Gebiet und ggf. auch im allgemeinen Luftraum betrieben werden können. Alle anderen Drohnen sollen in der Regel maximal eine Typfreigabe, was einen deutlich verringerten Aufwand bedeutet, erhalten.

Kleindrohnen bis max. 25 kg Abflugmasse sollen bei vorhandenem EU Class Label C0-C4 ganz ohne weitere Freigabe betrieben werden können. Wir stimmen mit dem LufABw gemeinsam ab, wie wir auf der einen Seite die Sicherheit der eigenen Streitkräfte und unserer Verbündeten und die Funktionsfähigkeit der Systeme gemäß ihrer Zweckbestimmung auf der anderen Seite bestmöglich in Einklang bringen. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Drohnen außerhalb der Sichtweite des Operators.

Schlussendlich kommt es insbesondere bei den Drohnen bis 25 kg noch mehr als bei den größeren oder bemannten Systemen darauf an, sich so effizient wie möglich der Kräfte des Marktes und dem Innovationspotential der industriellen Basis nutzbar zu machen und marktverfügbare Produkte nicht durch „überzogene“ sicherheitsgetriebene Anforderungen bei der Deckung des Bedarfs der Bundeswehr auszuschließen.

Eine letzte Frage zum Thema Weltraumgestützte Systeme: Das Nachfolgesystem der nationalen Aufklärungssatelliten SAR-Lupe SARaH ist im Orbit. Was waren die besonderen Herausforderungen bei der Realisierung dieses Waffensystems, worauf hat man besonders zu achten?

Die im Vergleich zum Vorgängersystem SAR-Lupe höheren Forderungen hinsichtlich der Bildqualität, die auch von verfügbaren zivilen SAR-Satellitensystemen nicht erreicht wird, stellte eine hohe technologische Anforderung an ein innovatives Design und die Fertigung des entsprechenden SAR-Instruments dar und hat somit letztendlich die Auslegung, die Größe und den Preis der für die Bundeswehr zu bauenden SARah-Satelliten bestimmt.

Das Vorgängerprojekt SAR-Lupe beruhte ausschließlich auf Satelliten mit SAR-Reflektor-Antennen. Im Projekt SARah wurde von Anfang an auch die Phased Array-Antennentechnologie mitberücksichtigt, die im Hinblick auf hochaufgelöste, kontrastreiche Bilder weitergehendes Potential verspricht.

Demzufolge wurden im Projekt SARah, das aus einem Phased Array-Satellit der Fa. Airbus Defence and Space und zwei Reflektor-Satelliten der Fa. OHB System besteht, beide Technologien parallel nebeneinander für die Bundeswehrbelange zunächst weiterentwickelt und verwirklicht, was aus Sicht des BAAINBw die Realisierung von zwei eigenständigen Teilprojekten mit zwei unterschiedlichen Systemherstellern bedeutet, wobei sich beide Bestandteile letztendlich für den vorgesehenen Zweck auf der Gesamtsystemebene komplementär ergänzen und zusammen funktionieren müssen.

Zeitverzüge, z.B. aufgrund der notwendigen nachträglichen Berücksichtigung von neuen, zusätzlichen IT-Sicherheitsanforderungen, die in der bereits fortgeschrittenen Entwicklung und Fertigung des ursprünglich im Jahr 2023 geschlossenen Vertrages berücksichtigt werden mussten, sowie Verzögerungen aufgrund der Corona-Pandemie durch zusammengebrochene Zulieferketten und personellen Einschränkungen bei der Industrie waren weitere, zusätzlich zu bewältigende Herausforderungen.

Der bereits im Juni 2022 gestartete SARah Phased Array-Satellit – die beiden SARah Reflektor-Satelliten wurden im Dezember 2023 ins Weltall verbracht – konnte nach ausführlichen Tests im Oktober 2023 erfolgreich den operationellen Betrieb aufnehmen.

Herr Günther, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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