Gestern fand auf dem Testgelände von Rheinmetall in der Schweiz ein Demonstrationsschießen des Skyranger 30 auf Boxerbasis statt, der noch in diesem Jahr an die Bundeswehr zu weiteren Tests und Versuchen gehen wird. Skyranger 30 auf Boxer wird gemeinsam mit dem Leichten Flugabwehrsystem (LeFlaSys) Ozelot die Grundlage der neuen Heeresflugabwehr-Truppe der Bundeswehr bilden. Nun bewies das System gestern bereits einem ausgewählten Publikum sein Können. Doch eine Weiterentwicklung steht schon bereit.
Zwei Skyranger traten gestern gegen verschiedene Ziele an. Einmal die Bundeswehr-Version Skyranger 30 auf Boxer. Zum zweiten eine neue Eigenentwicklung mit einer Skyranger 35mm-Kanone auf Basis eines Leopard 1. Der Bundeswehr-Skyranger bekämpfte bei der Demonstration eine Drohne im Flug sowie ein Fahrzeug. Beides sichere Zerstörungen der „Angreifer“, was das System den verschiedenen Komponenten verdankt, vom Radar bis zur Airburst-Munition.
Bewaffnung und Detektion des Skyranger
Die Airburst-Munition streut bei der programmierbaren Detonation eine Wolke aus kleinen Wolfram-Elementen, sodass es keinen präzisen Treffer benötigt. Vielmehr fügen die vielen sich schnell ausbreitenden Kleinteile der Airburst den anfliegenden Systemen den eigentlichen Schaden zu. Durch diese Munition eignet sich der Skyranger auch besonders zur Bekämpfung von Drohnenschwärmen, da die Splitterwolke, die sich mit mehreren Schüssen herstellen lässt, in der Luft eine undurchdringliche Wolke für die Kleindrohnen aufbaut.
Wie ein Repräsentant von Rheinmetall erläuterte, ließe sich damit im Notfall auch gegen größere gegnerische Waffensysteme wie Kampf- oder Schützenpanzer wirken, weil die Metallsplitter deren Optiken und Sensoren zerstören.
Die 30mm-Revolverkanone erzielt eine Reichweite von bis zu drei Kilometern. Die Feuerrate liegt bei offiziell 1.250 Schuss pro Minute. Bei der ebenfalls gestern gezeigten 35mm-Version des Skyrangers liegt die maximale Reichweite sogar bei über 4 km. Durch den Kalibersprung von 30mm auf 35mm lässt sich also eine Reichweitensteigerung von über einem Kilometer erzielen, dafür besitzt diese Kanone allerdings einen geringeren Output von bis zu 1.000 Schuss pro Minute.
Eine weitere Besonderheit beim Skyranger 30 für die Bundeswehr ist das Radar von Hensoldt, das einerseits mit zu den besten dieser Welt zählt, andererseits aber auch das teuerste Element des Turms darstellt. Das SPEXER 2000 Radar liefert eine 360 Grad Abdeckung und eine besonders hohe Qualität der Zielklassifizierung plus die Fähigkeit, Ziele während der Fahrt präzise zu verfolgen. Dadurch erhält nicht nur die Kanone, sondern auch die für die deutschen Skyranger-Boxer vorgesehenen Stinger-Lenkflugkörper eine präzise Zieleinweisung.
Der Skyranger 30 verwendet ein rein elektrisch-optisches Nachführsystem, das aus einer Tageslicht- und einer Infrarot-Kamera plus zwei Lasern besteht. Hier ist auch ein weiterer Unterschied zum ebenfalls präsentierten Skyranger 35 auf Leopard-Basis, der zusätzlich noch ein Ku-Band Tracking Radar besitzt.
Skyranger für die deutsche Heeresflugabwehr
„Der Skyranger ist ein wesentlicher Bestandteil der Systeme, die das Heer erhält. Von daher freuen wir uns, dass es hier vorwärts geht und wir Anfang nächsten Jahres schon mit der Erprobung von dem Nachweismuster beginnen können“, sagte ein Soldat des deutschen Heeres beim gestrigen Demonstrationsschießen gegenüber cpm Defence Network. „In der Hoffnung, dass wir jetzt in zwei Jahren die ersten Fahrzeuge in die Truppe bringen.“
Ein Vertreter von Rheinmetall nannte als aktuell geplanten und wahrscheinlichen Zeitplan, dass der deutsche Skyranger noch in diesem Jahr an das BAAINBw übergeben wird und nach den ersten Tests und Versuchen und daraus sich ergebenden Änderungswünschen bereits Ende 2025 Anfang 2026 mit der Serienproduktion begonnen werden könne.
Die Heeresflugabwehrtruppe der Bundeswehr wird insgesamt 18 Serienfahrzeuge plus das noch in diesem Jahr zu liefernde Erprobungsfahrzeug erhalten. Es handelt sich bei der Beschaffung um eine Sofortmaßnahme im Zuge des Vorhabens Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS). Die Heimat der deutschen Skyranger wird Lüneburg.
Die Lenkflugkörper Stinger sind allerdings noch zu integrieren. Gleiches gilt für die deutschen datenverbundfähigen Funkgeräte und den Kontakt zum deutschen übergeordneten Battle Management System SitaWare Frontline von Systematic sowie zum Integrated Battle Management System, mit dem alle Flugabwehrsysteme geführt werden sollen.
Dies alles miteinander zu verbinden ist eine überaus komplexe Herausforderung, die der deutsche Skyranger noch zu bestehen hat. Bei der gestrigen Demonstration übernahmen schließlich noch die Original-Rheinmetall-Systeme die Führung. Ein Jahr als Zeitansatz bis zur Serienreife ist daher durchaus schnell zu nennen.
Skyranger 35 auf Leopard 1
Ebenfalls vor Ort zu sehen war eine neue (alte) Entwicklung: Skyranger 35 auf Leopard 1. Weder Kanone noch Fahrzeugbasis sind neu. Die Bundeswehr kennt beispielsweise eine Version der Kanone vom C-RAM-System Mantis.
Entstanden ist die Idee zur Entwicklung dieses Skyranger 35 aufgrund von Anfragen aus der Ukraine nach weiteren Luftverteidigungssystemen, die besonders gegen Drohnen geeignet sind. Rheinmetall hat noch Leopard 1-Panzer in seinen Beständen, wodurch sich dieser Aufbau zum Erhalt einer schnellen Lösung anbot. Innerhalb weniger Monate entwickelte Rheinmetall Air Defence in der Schweiz die gestern gezeigte Lösung, die allerdings zuerst nicht performte.
Der Fehler im Gamepad, mit dem dieser Skyranger in der Erprobungsversion bedient wird, ließ sich allerdings schnell beheben, sodass der Skyranger 35 dann erfolgreich seine Wirkung auch gegen anfliegende Drohnen demonstrieren konnte. Dass überhaupt Gamepads zur Steuerung genutzt werden, liegt daran, dass Rheinmetall die Ausbildung der Nutzer möglichst kurz und einfach halten will, zumindest in der Erprobungsversion. Für Kunden stehen dann natürlich militärische Steuerungssysteme zur Verfügung.
Herausforderung Schweizer Standort
Entwickelt wurden die beiden Türme von der Rheinmetall Air Defence, die ihre Wurzen im Traditionsunternehmen Oerlikon Bührle hat. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Zürich und muss dementsprechend mit der Positionierung der Schweizer Politik umgehen, dass keine Waffensysteme geliefert werden dürfen an Länder, die sich im Krieg befinden oder aus denen ein Export der gelieferten Waffensysteme an kriegführende Länder befürchtet werden müsste. Genauer gesagt: In dem Moment, in dem Deutschland seinen ersten Skyranger an die Ukraine abgibt, stellen sich exportrechtliche Fragen.
Dies nimmt der Geschäftsführer von Rheinmetall Air Defence, Oliver Dürr, allerdings gelassen. „Die eidgenössischen Exportregularien beachten wir natürlich“, so Dürr gegenüber cpm Defence Network. „Allerdings sind wir auch an anderen internationalen Standorten vertreten, beispielsweise in Italien. Hier werden bereits jetzt große Anteile des Skyranger produziert. Zur Not können wir weitere Anteile der Produktion auch dorthin verlagern.“
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