„Wir befinden uns nicht im Krieg, aber wir befinden uns schon lange nicht mehr im Frieden“, sagt Generalleutnant André Bodemann. Der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr schilderte im Interview mit dem bundeswehreigenen Radiosender mit Radio Andernach seine Sicht auf die aktuelle Bedrohungslage und welche Antwort Deutschland darauf sucht.
Ende Januar hatte in Berlin das Symposium zum Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU) stattgefunden. Dieses sollte grundsätzliche Zuständigkeiten für den Ernstfall klären, welche aber nur bedingt der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen. Ziel der Veranstaltung war, den gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Auftrag zur Verteidigung in den Vordergrund zu stellen und dann die verschiedenen Expertisen zusammenzuführen.
Worum geht es im OPLAN DEU?
Dem Soldaten ist ein Operationsplan mit seiner Beantwortung der W-Fragen – Wer tut was, wann, wo, wie und wozu? – wohl bekannt. Auf nationaler Ebene soll der OPLAN DEU genau diese Aufgabe erfüllen. Dabei stützt er sich auf zwei Stränge: die Gesamtverteidigung Deutschlands in der Verantwortung von Innen- und Verteidigungsministerium sowie die Ableitung aus den Vorgaben der NATO. Hier kommt insbesondere Deutschlands Rolle als Drehscheibe für verbündete Kräfte ins Spiel.
Laut General Bodemann gehe es um die Frage, „wie unterstützen wir als Gastland – als Host-Nation – die alliierten Kräfte, wenn sie durch Deutschland marschieren und wenn sie dort Rast machen, wenn sie dort im sogenannten Staging verbleiben, auf Übungsplätzen, um ihre Einsatzbereitschaft herzustellen, Truppen zusammenzuführen. Dann müssen sie versorgt werden mit Frischwasser, mit Betriebsstoff, mit Verpflegung, mit sanitätsdienstlicher Versorgung.“ Im Operationsplan finden daher nicht nur militärische, sondern insbesondere auch jene zivilen Akteure einen Platz, die für die Infrastruktur von Bedeutung sind. Von Stadtwerken bis zur Bahn, vom Flughafenbetreiber bis zu Krankenhäusern.
Vor diesen vier Bedrohungen müssen wir uns schützen
Generalleutnant Bodemann spricht von derzeit vier Bedrohungen, denen Deutschland ausgesetzt ist: 1. Desinformation und Fake News in sozialen Netzwerken; 2. Cyberangriffe auf Regierungseinrichtungen und Infrastruktur; 3. Spionage (beispielsweise bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland) und 4. Sabotage von Infrastruktur. „Je näher wir uns an eine Krise oder einen Krieg bewegen“, erklärt Generalleutnant Bodemann, „desto mehr nehmen diese Bedrohungen zu. Aus Fake News und Desinformationen können dann sehr, sehr schnell auch gewaltsame Demonstrationen werden.“
Zwar sei in diesen Fällen der Angreifer nicht immer klar auszumachen und das Spektrum reiche von Organisierter Kriminalität über Terror-Netzwerke bis zu feindlich gesinnten Staaten, doch auf den Kern – den Angriff selbst – müsse und könne man sich vorbereiten. Im Falle von Sabotage müsse beispielsweise der „Schutz vor ballistischen Raketen“ miteingeplant werden. Über die hybriden Bedrohungen wurde sich im ersten von drei Panels beim Berliner Symposium ausgetauscht. In den beiden anderen ging es um die Einbindung von Blaulichtkräften und rein zivilen Akteuren bei der Verteidigung Deutschlands.
Im OPLAN DEU kommen Militär und Blaulichtkräfte zusammen
„So wie wir vorher bei Amts- und Katastrophenhilfe gemäß Artikel 35 des Grundgesetzes die zivile Seite unterstützt haben – bei Waldbränden, bei Hochwasserkatastrophen – so brauchen wir deren Unterstützung bei Krisen und Krieg“, erklärt Generalleutnant Bodemann die enge Zusammenarbeit der Bundeswehr mit Polizei, THW, Feuerwehr und anderen zivilen Akteuren bei der Erstellung des Operationsplans.
Aber auch zivile Dienstleister müssten mit eingebunden werden, wenn es beispielsweise um die Aufrechterhaltung des Energienetzes oder die Versorgung von Truppen im Rahmen der „Drehscheibe Deutschland“ geht. „Die Betriebsstofflieferung kommt dann eben nicht von einem Lkw der Bundeswehr und Verpflegung kommt dann nicht von der Truppenküche, sondern von einem zivilen Caterer“, sagt Generalleutnant Bodemann.
Ende März wird der OPLAN DEU scharfgeschaltet
Nach einem Jahr Arbeit soll der OPLAN DEU Ende März dieses Jahres fertig sein – nicht abschließend, sondern aktivierbar. Denn der Operationsplan Deutschland ist als lebendiges Dokument zu verstehen, das sich stets an veränderte Bedrohungslagen, strukturelle Gegebenheiten im Land und die Anforderung der Alliierten anpassen soll. „Mit jeder Überarbeitung des Plans“, ist sich Generalleutnant Bodemann sicher, „werden wir konkreter, besser und damit am Ende wird der Plan noch besser ausführbar.“
Die genauen Details des OPLAN DEU unterliegt allerdings der Geheimhaltung. Und wenn auch nur wenige diese Details kennen, sollten zumindest alle wissen, dass es ihn gibt. Generalleutnant Bodemann betont: „Natürlich wollen wir alle, dass der Plan geschrieben wird, ohne dass er zur Anwendung kommt. Denn der Plan dient zur Abschreckung.“
Navid Linnemann
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