Interview mit Flottillenadmiral Andreas Czerwinski

Interview mit Flottillenadmiral Andreas Czerwinski, Abteilungsleiter See im Bundesamt für Ausrüstung Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr.
Marineprojekte haben seit jeher einen besonderen Reiz, vereinen sie doch eine Vielzahl unterschiedlicher Fähigkeiten auf einer Plattform. Im Zuge des 100Mrd Euro Sondervermögens können einige Vorhaben zum Fähigkeitsaufbau der Deutschen Marine begonnen werden, andere Vorhaben wie der Bau der Fregatte F126, die Weiterführung des Bauprogramms Korvette K130 oder das Uboot U212 CD spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle im Aufgabenportfolio der Abteilung. Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre.
Soldaten des Kommandos Spezialkräfte Marine (KSM) demonstrieren ihr Fähigkeitsspektrum bei einer Boardingübung während des ersten Truppenbesuchs des Ministers bei der Marine in der Eckernförder Bucht.
Foto: Bundeswehr/Tom Twardy

Herr Admiral, wir blicken zurück auf eineinhalb Jahre Zeitenwende. Können Sie uns zu Beginn vielleicht einen Einblick dazu geben, wie viele Projekte in Ihrer Abteilung dazu bearbeitet wurden und welche Ergebnisse erreicht werden konnten?

Mit der durch den Bundeskanzler am 27. Februar 2022 verkündeten Zeitenwende wurde zugleich die Einrichtung des 100 Milliarden Euro Sondervermögens für die Bundeswehr zur Beschaffung von neuer und moderner Ausrüstung bekannt gegeben und im Juli beschlossen. Die Beschaffung neuer und moderner Großgeräte für die Marine war zu diesem Zeitpunkt bereits auf den Weg gebracht, weshalb vielmehr deren Stückzahlerhöhung als eine Beschaffung weiterer Großgeräte betrachtet wurde.

Folglich wurden ausgewählte Projekte wie die Fregatte F126, Uboot Klasse 212 Common Design, Korvette Klasse 130 und das Unterwasser-Lagedarstellung SONIX zur Finanzierung in das Sondervermögen überführt und zugleich Stückzahlerhöhungen in diesen Projekten geprüft. Zudem wurde ein Kampfbootprojekt für die Spezialkräfte der Marine als Neubeschaffung sowie die Torpedobewaffnung der neu zu beschaffenden P8-POSEIDON für deren Finanzierung aus dem Sondervermögen vorgesehen. Diese Runderneuerung auch im Kontext des Zielbildes 2035+ der Deutschen Marine gilt es nun in den nächsten Jahren zu realisieren.

Wir durften zuletzt an der Taufe des 2. Schiffes des 2. Bauloses der K130 teilnehmen. Wie blicken Sie auf dieses Projekt?

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen schmerzt, gerade im Hinblick auf die aktuelle politische Lage, die verspätete Auslieferung der Boote sehr. Die Marine benötigt dringend diese Fähigkeiten. Zum anderen blicke ich mit einem gewissen Stolz auf die durch Kooperation geprägte Zusammenarbeit zwischen der ARGE K130 und unserem Projektteam. Um den dringenden Bedarf der Marine an Korvetten als Ausbildungsplattform für seemännische Ausbildung der Besatzung zu decken, wird die „vorgezogene Nutzungsvereinbarung KÖLN“ ein Gewinn für alle beteiligten Stellen.

Flottillenadmiral Andreas Czerwinski im Interview mit cpm
Flottillenadmiral Andreas Czerwinski, Abteilungsleiter See im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr
Foto: Bundeswehr

Ihr Projektteam F126 arbeitet aktuell sehr erfolgreich mit der ARGE F126 in einem sogenannten „gläsernen Büro“ zusammen. Welche „Lessons learned“ haben Sie für Ihre Abteilung aus diesem Vorhaben mitnehmen können?

Prägend für das Projekt F126 ist die konstante Begleitung aller Arbeiten durch den Auftraggeber.

Schon früh im Projekt F126 zeichnete sich der Weg ab, dass nur durch eine ausreichende Baubegleitung durch Personal an den Orten der Wertschöpfung die Forderungserfüllung als auch die Termintreue gewährleistet werden kann.
– Flottillenadmiral Andreas Czerwinski

Dies haben wir auch aus anderen Projekten gelernt.

So ist Personal sowohl bei der Damen Schelde Naval Shipbuilding B.V. in Vlissingen, welche für die Konstruktion der Schiffe verantwortlich ist, bei der Thales Nederland B.V. in Hengelo, welche das Einsatzsystem der F126 liefert, als auch an den nationalen Werftstandorten, an denen die Schiffe gefertigt werden, vertreten. Zu den Werftstandorten zählen Hamburg, Kiel und Wolgast.

Neben fest eingerichteten Dienstposten im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) an diesen Orten wird im Rahmen eines Unterstützungsvertrages auf externes Personal zurückgegriffen. Bewährt hat sich im Projekt auch ein Rotationsprinzip, indem sich Personal des Projektes wöchentlich vor Ort einfindet.

Darauf aufbauend sind zahlreiche Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen sich fortwährend hinsichtlich der technischen Lösungen abgestimmt wird. Bei allen Abstimmungsergebnissen wird stets der Blick darauf gerichtet, dass auch die Forderungen der Leistungsbeschreibung und Bauspezifikation erfüllt werden. Diese fortwährenden Abstimmungen dienen auch dem Zweck, die im Vertrag vereinbarten Meilensteine termingerecht zu erreichen. Denn was vor dem beabsichtigten Liefer- und Leistungszeitpunkt einvernehmlich bereits abgestimmt ist, kann am Termin selbst nicht mehr scheitern.

Demzufolge haben das Erreichen dieser Meilensteine und damit die Termintreue bis hin zur Lieferung der Schiffe oberste Priorität im Projekt F126.

Neues Systemtestzentrum für deutsches F126-Projekt – Ein Meilenstein in der Marineinnovation
Die F126 kann durch unterschiedliche Missionsmodule flexibel eingesetzt werden.
Illustration: Damen Naval

Mit dem Blick auf zukünftige Minenjagdausrüstung und als Ergebnis der Konzeptarbeiten zu F126 wird durchaus überlegt, auch im Bereich des Marineschiffbaus deutlich modularer zu werden und neue Konzepte zur Realisierung von Marineschiffbauvorhaben zu beschreiten. Könnten Sie uns aus Ihrer Sicht eine Einordnung dazu geben und wie sieht Ihr Austausch mit den nationalen Werften dazu aus?

Für die angestrebte Modularität bieten die von Ihnen erwähnten Projekte sehr gute Beispiele. So soll im Rahmen des Projektes „Fähigkeitserhalt verbundene Seeminenabwehr (FvSma)“ eine sogenannte MCM (Mine Counter Measures)- Toolbox realisiert werden. Ziel dieser MCM-Toolbox ist es, diese missionsspezifischen Fähigkeiten modular auszulegen. Abhängig vom Szenar werden dann die benötigten Anteile an Bord der Minenabwehreinheiten gebracht. Darüber hinaus erlaubt der konsequent modulare Aufbau der MCM-Toolbox ebenfalls, Teile davon als sogenannte Missionsmodule z. B. unseren Schiffen zur Verfügung zu stellen.

Im Zuge der Nutzungsdauerverlängerung der aktuellen Minenabwehreinheiten und der Realisierung der MCM-Tool- box sind wir im intensiven Austausch mit nationalen Werften. Dabei spielt das Thema Modularität selbstverständlich eine entscheidende Rolle. Wie konkrete Lösungen im Detail aussehen, ist allerdings erst mittelfristig absehbar, da dies noch von den festzulegenden Leistungsparametern abhängig ist.

Ein größeres Spektrum der Modularität – bedingt durch die Größe dieses Waffensystems – zeigen die Fregatten der Klasse 126 auf.
– Flottillenadmiral Andreas Czerwinski

Diese werden für den weltweiten Einsatz im gesamten Intensitätsspektrum zur dreidimensionalen Seekriegführung befähigt sein. Zu den wichtigsten Aufgaben gehören die Seeraumüberwachung, das Durchsetzen eines Embargos, das Unterstützen von Spezialkräften sowie Evakuierungsoperationen. Die Aufgabenwahrnehmung wird unterstützt durch die Einrüstung von speziellen Missionsmodulen, welches für die Deutsche Marine in der Art ein Novum ist.

Mit Missionsmodularität ist die Fähigkeit gemeint, ein Schiff durch standardisierte Ausrüstungs- und Personalpakete für bestimmte Einsätze anpassen zu können. Hierzu werden spezielle Missionsmodule und Bordeinsatzkomponenten an Bord gebracht. Die operationellen Forderungen an F126 sehen folgende Missionsmodule vor:

  • Das Missionsmodul ASW – Lagebild (Anti Submarine Warfare) mit einem Schleppsonar zur Erstellung des Unterwasserlagebildes,
  • ein Missionsmodul Gewahrsamnahme zur vorläufigen Ingewahrsamnahme von Personen,
  • das bereits erwähnte Missionsmodul MCM (Mine Counter Measures) zur einzelnen Bekämpfung von Unterwasserkampfmitteln (Seeminen) sowie
  • das Missionsmodul Taucherdruckkammer zur Unterstützung von Tauchereinsätzen.

Die Missionsmodule werden in den Abmessungen als Standardcontainer ausgelegt. Daher kann die Einrüstung der Module weltweit überall dort erfolgen, wo entsprechende Schiffs-Verlademöglichkeiten für Container bereitstehen.

Zur weiteren Anpassung an den jeweiligen Einsatz können organische Bordhubschrauber und ein Unmanned Aerial System (Drohnen) an Bord verbracht werden sowie Spezialkräfte, eine Bordfacharztgruppe oder Personal zur Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung eingeschifft werden. Diese Art der Modularität wird im Gegensatz zu den Missionsmodulen als Bordeinsatzkomponente bezeichnet.

Das Unternehmen NVL ist mit dem Bau von insgesamt drei neuen Flotten- dienstbooten für die Deutsche Marine beauftragt worden. Sie die aktuellen Einheiten der OSTE-Klasse ersetzen und sollen voraussichtlich ab 2027 zur Verfügung stehen. I
llustration: NVL Group

Können Sie uns eine Einschätzung – auch unter dem Gesichtspunkt des Erhalts nationaler Schlüsseltechnologien – zu der Bedeutung der deutschen Marineschiffbauindustrie geben?

Mit dem umfangreichen Schiffbauprogramm, dass sich bereits in der Umsetzung befindet sowie den weiteren notwendigen Projekten zur Erreichung des Zielbildes 2035+ der Deutschen Marine tragen wir zum Erhalt der deutschen Marineschiffbau- und Zulieferindustrie substanziell bei.

Herr Admiral, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Das Interview mit Flottillenadmiral Andreas Czerwinski führte Rainer Krug

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