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Interview mit Bettina Knappke – Abteilungsleiterin Einkauf Bw

Der Einkauf Bw ist die Beschaffungsvariante, die vorrangig zu nutzen ist, um den Betrieb eingeführter Systeme mit Ersatz- und Austauschteilen sicherzustellen. Gerade hier wird in besonders starkem Maß handelsüblich und marktverfügbar beschafft. Einkauf Bw liegt im BAAINBw in der Abteilung Einkauf in den betroffenen Referaten der Gruppen E 1 und E2. Ein wesentliches Element – gerade in Zeiten wie aktuell der Störungen der Lieferketten – kommt der strategischen Steuerung des Einkaufs eine besonders wichtige Rolle zu. Im folgenden Interview geht die Abteilungsleiterin nicht nur auf die administrativen Elemente des Einkaufs ein, sondern beleuchtet auch Einkaufsschwerpunkte wie die Beschaffung von Bekleidung und Ausrüstung des Soldaten.
(Dieses Interview erschien zuerst im cpmFORUM 4/23)
Soldaten vom Jägerbataillon 413 nehmen mit dem Schützenpanzer Marder an der Übung Griffin Lightning 2023 auf dem Truppenübungsplatz Pabrade/Litauen teil, am 03.03.2023. ©Bundeswehr/Jana Neumann
Soldaten vom Jägerbataillon 413 nehmen mit dem Schützenpanzer Marder an der Übung Griffin Lightning 2023 auf dem Truppenübungsplatz Pabrade/Litauen teil, am 03.03.2023. ©Bundeswehr/Jana Neumann
Foto: Bundeswehr / Jana Neumann

Frau Knappke, mit der Beschaffungsstrategie des Bundesministeriums der Verteidigung kommt dem Einkauf Bundes- wehr zukünftig eine besondere Wichtigkeit zu. Wie wirkt sich dies auf Ihre Arbeit und die zukünftig in Ihrer Abteilung zu bearbeitenden Aufgaben konkret aus?

Gemäß der Beschaffungsstrategie des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) ist der Einkauf Bundeswehr (Bw) – neben dem CPM (Customer Product Management) und dem Anteil KDL (Nutzung Komplexer Dienstleistungen) – eine der drei Beschaffungsvarianten im Ausrüstungs- und Nutzungsprozess der Bundeswehr. Hierbei kommt dem Einkauf Bw eine besondere Bedeutung im Rahmen der Versorgungs- und Betriebssicherheit der Bundeswehr zu. Er stellt mit der kontinuierlichen und zeitgerechten Beschaffung von Ersatz- und Austauschteilen für die Truppe alle betriebs- und nutzungsbedingten Bedarfe der Truppe bzw. der Bundeswehr insgesamt sicher. Um das übergeordnete Ziel der Beschleunigung der Beschaffungsprozesse der Bundeswehr zu erreichen, wird der Einkauf Bw künftig in zunehmendem Maße für Beschaffungen in Anspruch genommen werden, die durch den integrierten Planungsprozess, insbesondere aus der Beschaffungsvariante CPM, in den Einkauf Bw gesteuert werden. Hierbei sollen die bewährten und schlanken.

Abläufe im Einkauf der Bundeswehr genutzt werden, um diese Beschaf- fungen in besonderem Maße aufwandsarm durchzuführen und somit einen schnellen Zulauf der zu beschaffenden Güter an die Truppe zu gewährleisten. Infolge seiner langjährigen Expertise in der zeitgerechten Beschaffung einer Vielzahl von Versorgungsartikeln für die Truppe ist der Einkauf der Bundeswehr sowohl strategisch als auch operativ für diese zusätzlichen Beschaffungsaufgaben besonders gut aufgestellt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die betroffenen Referate der Gruppen E2 und E1 der Abteilung Einkauf im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) bereits mit dem bisherigen Aufgabenportfolio mehr als hinreichend ausgelastet sind. Die beabsichtigte Verstärkung der Inanspruchnahme des Einkaufs Bw im Rahmen der Einkaufsstrategie der Bundeswehr wird daher auch eine Verstärkung der organisatorischen und personellen Ressourcen in den Gruppen E1 und E2 der Abteilung Einkauf erforderlich machen.

Ein EAGLE der Bundeswehr wird in dem Heeresinstandsetzungs- werk der HIL GmbH in Doberlug-Kirchhain instandgesetzt. Foto: HIL GmbH
Ein EAGLE der Bundeswehr wird in dem Heeresinstandsetzungs- werk der HIL GmbH in Doberlug-Kirchhain instandgesetzt.
Foto: HIL GmbH

Einkauf Bw bedeutet, dass sowohl handelsübliche als auch marktverfügbare Produkte beschafft werden. Der frühere Wehrbeauftragte sprach in diesem Zusammenhang von einer „IKEA-Lösung“. Wie kann man sich das im Einzelnen für bundeswehrspezifische Güter vorstellen?

Die Äußerungen des früheren Wehrbeauftragten haben sich ersichtlich auf sämtliche Beschaffungsvarianten der Bundeswehr bezogen. Er hat darauf hingewiesen, dass etwa die Einführung und damit die Verfügbarkeit eines neuen Waffensystems teilweise einen Zeitraum von über 15 Jahren in Anspruch nehmen kann. Deswegen hat der Bundesminister der Verteidigung als Ziel vorgegeben, wo immer möglich, marktverfügbare Produkte zu beschaffen, die nicht erst über einen langen Zeitraum entwickelt werden müssen.

Speziell bei der Beschaffungsvariante Einkauf Bw geht es um die Sicherstellung des Betriebs bereits eingeführter Systeme mit Ersatz- und Austauschteilen; hier wird ohnehin in stärkerem Maße handelsüblich als auch marktverfügbar beschafft. Der Einkauf Bw hat damit gute Erfahrungen gemacht, die Versorgung der Truppe funktioniert hier insgesamt schnell und zuverlässig. Dennoch ist auch der Einkauf Bw in diesem Bereich, wie andere Marktteilnehmer auch, dem makroökonomischen Umfeld ausgesetzt. Sofern es also zu Verwerfungen am Markt, insbesondere auch zu Störungen in den Lieferketten, kommt, ist der Einkauf Bw davon auch im Bereich der handelsüblichen Güter betroffen. Es ist daher eine der Kernaufgaben der strategischen Steuerung des Einkaufs Bw, entsprechende Risiken frühzeitig zu identifizieren und hier mit geeigneten Maßnahmen entgegenzusteuern.

Ein weiterer Bereich, der in Ihrer Abteilung bearbeitet wird, sind „Komplexe Dienstleistungen“. In welchen Bereichen gibt es Überlegungen über die bereits etablierten Lösungen Bw-Bekleidung, BwFuhrpark und HIL sowie BWI und GÜZ hinaus weitere KDL einzurichten?

Zu Überlegungen über die bereits etablierten Komplexen Dienstleistungen (KDL) hinaus weitere KDL einzurichten, ist mir nichts bekannt.

Kommen wir zu einzelnen Fachgebieten. Das Thema Bekleidung und Ausrüstung des Soldaten ist seit langem immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Wo stehen wir da aktuell und wie wird es auch unter dem Gesichtspunkt der aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklung weitergehen?

Das Bekleidungsmanagement hat rund 2,4 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen bekommen, um die Bekleidung und persönliche Ausrüstung der Truppe zu verbessern. Die Bw Bekleidungsmanagement GmbH (BwBM) hat dazu im Jahr 2022 Verträge mit verschiedenen Lieferanten geschlossen, um moderne Schutzwestensysteme, Kampfbekleidung, Gefechtshelme sowie Rucksacksysteme in großer Anzahl zu beschaffen. Bis zu diesen sogenannten „vorgezogenen“ Beschaffungen war geplant, weite Teile der Truppe erst bis zum Jahr 2031 mit diesen Artikeln auszustatten. Durch das Sondervermögen steht bereits bis Ende 2025 entsprechend viel Material zur Verfügung, um alle aktiven Soldatinnen und Soldaten und weite Teile der Reserve mit diesen Artikeln auszustatten. Somit erhalten wesentlich mehr Soldatinnen und Soldaten zu einem deutlich früheren Zeitpunkt die genannten Artikel. Mit der Luftlandebrigade 1 ist inzwischen der erste Großverband vollständig mit diesen Artikeln ausgestat- tet. Weitere Verbände werden sukzessive folgen, um diese modernen State-of-the-Art-Artikel bald bundeswehrweit nutzen zu können. Dies ist auch ein Beitrag, die Kaltstartfähigkeit der Bundeswehr zu verbessern.

Zudem gibt es ab diesem Jahr eine neue Grundlage, auf der weitere Verbesserungen im Bekleidungswesen aufgebaut werden. Die bislang befristeten Leistungsverträge mit der BwBM wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2023 entfristet, was dem Bekleidungswesen der Bundeswehr eine langfristige vertragliche Grundlage gibt und weitreichende Veränderungen ermöglicht. Zu den Neuerungen, welche in Zukunft die Versorgung der Truppe mit Bekleidung und persönlicher Ausrüstung vereinfachen sollen, zählt insbesondere eine Digitalisierung der Prozesse, zu der beispielsweise die Entwicklung einer Online-Plattform oder digitale Vermessungsmöglichkeiten gehören. Darüber hinaus wird die BwBM die Lagerflächen vergrößern und eine an die Bundeswehr anschlussfähige durchgängige IT auf der Basis von SAP einführen. Damit wird zukünftig die Zusammenarbeit der BwBM mit der Bundeswehr auch in logistischer Hinsicht deutlich vereinfacht.

Rekruten vom 6. Gebirgsjägerbataillon 232 bereiten auf dem Hochplateau Reiteralpe das Lager für die Nacht vor während der Rekrutenbesichtigung, am 16.09.2020.
Rekruten vom 6. Gebirgsjägerbataillon 232 bereiten auf dem Hochplateau Reiteralpe das Lager für die Nacht vor während der Rekrutenbesichtigung, am 16.09.2020.

Weitere Verbesserungen im Bekleidungswesen entstehen am Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB) in Erding. Um zum Beispiel die benötigten Größen von neuer Bekleidung in der Bundeswehr besser planen zu können, vermisst das WIWeB im Rahmen einer Reihenvermessung an verschiedenen Standorten einen repräsentativen Anteil von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und ermittelt somit eine präzisere Grundlage für genauere Passformen und bedarfsgerechte Bestellmengen. Der sogenannte Größenschlüssel verändert sich über die Jahre und muss daher regelmäßig angepasst werden. Bislang nutzt die Bundeswehr einen Größenschlüssel, der auch im zivilen Bekleidungssektor genutzt wird. Mit Abschluss der Vermessungen im Jahr 2025 stehen dann speziell auf die Bundeswehr zugeschnittene Daten zur Verfügung, mit denen wir u. a. die Verfügbarkeit bestimmter Randgrößen verbessern wollen.

Das Bekleidungswesen umfasst ein deutlich größeres Spektrum als die genannten Projekte. Weit über 100 Projekte werden aktuell geplant bzw. realisiert, viele davon dienen der Ausstattung nur kleiner Nutzerkreise und stehen daher meist nicht so im Blickpunkt wie die bundeswehrweite Ausstattung.

Schwerpunkt aber bleibt – gerade im Lichte der Zeitenwende – die Bereitstellung von Kampfbekleidung und Ausrüstung, um einen Beitrag zur Stärkung der Einsatzbereitschaft aller Truppenteile der Bundeswehr zu leisten.

Auch die Heeresinstandsetzungslogistik ist durch die Entwicklung in der Ukraine in den Fokus gerückt. Auch hier gibt und gab es Veränderungen. Können Sie uns einen Überblick darüber geben, welche aktuellen Entwicklungen im Bereich der HIL geschehen und wie man auf die weitere Entwicklung an der NATO-Ostflanke reagiert?

Gemäß der aktuellen Weisungslage ist die Heeresinstandsetzungslogistik GmbH (HIL GmbH) mittelbar durch umzusetzende Maßnahmen wie zum Beispiel technisch-logistische Vorbereitung von Material, welches zur Abgabe an die Ukraine vorgesehen ist, technische Unterstützung der für die Ausbildung von ukrainischen Streitkräften verantwortlichen Truppenteile sowie die fachliche Unterstützung des Helpdesk-Einsatzes der Technischen Schule des Heeres(TSH) Aachen, betroffen und eingebunden.

Darüber hinaus wird mit Hochdruck an der Neuausrichtung der HIL GmbH im Projekt „Zukunft HIL“ und dem damit verbundenen Änderungsvertrag gearbeitet, der Ende 2023 gezeichnet werden soll.

Die zukunftsorientierte Ausrichtung und Weiterentwicklung der HIL GmbH in die Zielstruktur 2031 folgt dem Rational staatlicher Sicherheitsvorsorge und berücksichtigt insbesondere die sicherheitspolitische Vorgabe zur Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung.

Ein angehender Fernspäher sitzt im Beobachtungsversteck im Technologiestützpunkt Tarnen und Täuschen auf dem Truppenübungsplatz Storkow, am 13.11.2019. Einkauf im BAAIMBw
Ein angehender Fernspäher sitzt im Beobachtungsversteck im Technologiestützpunkt Tarnen und Täuschen auf dem Truppenübungsplatz Storkow, am 13.11.2019.
©Bundeswehr/Jana Neumann

Bemessen am zukünftigen Geräteportfolio und der vorgesehenen Stückzahlen im Bereich der eigenbewirtschafteten Landsysteme ergibt sich für die HIL GmbH ein abzudeckender Instandhaltungsbedarf von jährlich etwa 5,8 Millionen Instandhaltungsstunden. Mit dem Ziel, der Bundeswehr eine leistungsstarke Instandhaltung mit hoher Verfügbarkeit von Landsystemen zur Verfügung zu stellen, soll die HIL GmbH dabei mit einem deutlich aufwachsenden Personalkörper zukünftig einen Eigeninstandhaltungsumfang von jährlich mindestens 1,8 Millionen Instandhaltungsstunden mit einem verstärkten Fokus auf einsatzwichtiges und zukunftsorientiertes Gerät erbringen. Die Zielstruktur 2031 sieht u. a. dazu vor:

  • Einstellung eines zusätzlich ermittelten Personalbedarfs von 1.900 Arbeitnehmenden,
  • Eine technische Qualifizierung in Breite und Tiefe, um mit der fortschreitenden Digitalisierung der Landsysteme Schritt zu halten,
  • Aufbau eines Wissensmanagements zum Erhalt der technischen Fähigkeiten,
  • Weiterentwicklung und Umbau der Werke in Sankt Wendel und Doberlug-Kirchhain zu Kompetenzzentren „Kette“ bzw. „Rad“ sowie
  • Überführung des Werks Darmstadt zu einem neu zu errichtenden Servicezentrum der Niederlassungsorganisation in Pfungstadt.

Mit diesen und weiteren Maßnahmen, die Eingang in den Leistungsvertrag/-beschreibung gefunden haben, unter anderem im Bereich der Infrastruktur sowie der logistischen Prozesse, wird die HIL GmbH zu einer Beschleunigung der Instandhaltung und damit zu einer Erhöhung der materiellen Einsatzbereitschaft der Landstreitkräfte beitragen. Diese zukunftsorientierte Ausrichtung erhöht die Agilität, die Flexibilität, die Resilienz und besonders die Leistungsfähigkeit der HIL GmbH, um einen entscheidenden Beitrag für die materielle Einsatzbereitschaft der Landstreitkräfte zu gewährleisten.

Frau Knappke, wir danken Ihnen für das Gespräch.

das Interview führte Rainer Krug

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