Zeitenwende – Auswirkungen auf die Logistik des österreichischen Bundesheeres

Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde eine Zeitenwende eingeleitet. Mit dieser ist auch eine Neu- bzw. Umorientierung der Ausrichtung der westlichen Streitkräfte verbunden. Waren bis vor kurzem noch Stabilisierungseinsätze für die Fähigkeitenentwicklung maßgebend, so ist jetzt die Bündnis- und/oder Landesverteidigung der Treiber – das gilt auch für die Logistik des österreichischen Bundesheeres.

Auch die Republik Österreich hat aufgrund dieses für die europäische Sicherheitslandschaft einschneidendes Ereignis Maßnahmen gesetzt, um den derzeitigen sowie zukünftigen Bedrohungen gerecht zu werden. So wurden dem Österreichischen Bundesheer zusätzliche finanzielle Mittel zugewiesen, um die Streitkräfte in einer langfristigen Perspektive zu modernisieren und neue Fähigkeiten aufzubauen. Und dieser Modernisierungsschub sowie Fähigkeitenaufbau betrifft auch die militärlogistische Unterstützung.

Dieser Fachbeitrag von Prof. (FH) Mag. Andreas Alexa aus Wien erschien zuerst im cpmFORUM 01/24.

Logistik des österreichischen Bundesheeres: Pandur Evolution. Foto: Bundesheer
Pandur Evolution.
Foto: Bundesheer
Wer die Beschaffung bei der Bundeswehr verstehen möchte, der muss genau hier ansetzen: Im BAAINBw, der deutschen Beschaffungsbehörde in Koblenz.
Wer die Beschaffung bei der Bundeswehr verstehen möchte, der muss genau hier ansetzen: Im BAAINBw, der deutschen Beschaffungsbehörde in Koblenz.
Foto: BAAINBw

Es stellt sich also die Frage, welche Auswirkungen der 24. Februar 2022 im Allgemeinen auf das Österreichische Bundesheer und im Speziellen auf die militärlogistische Unterstützung der österreichischen Streitkräfte hat.

Eingangs wird auf die Besonderheiten der Militärlogistik im Österreichischen Bundesheer eingegangen, um in weiterer Folge die Mission Vorwärts sowie die Auswirkungen auf die Militärlogistik zu erörtern.

Militärlogistik der Landstreitkräfte im österreichischen Bundesheer

Im österreichischen Verständnis gewährleistet die Militärlogistik die Herstellung der Einsatzfähigkeit und stellt in weiterer Folge die Durchhalte- und Überlebensfähigkeit der Streitkräfte bzw. relevanter Akteure sicher. Durch eine multifunktionale, alle Führungsebenen umfassende, mehrphasige Planung, Realisierung, Kontrolle und Steuerung wird sichergestellt, dass die eingangs angeführte Wirkung auch erzielt wird.

Multifunktional in Bezug auf die Logistik des österreichischen Bundesheeres bedeutet, dass die Teilbereiche der Militärlogistik (Materialbewirtschaftung, Materialerhaltung, Verkehrs- und Transportwesen, Militärisches Gesundheitswesen und sonstige logistische Dienstleistungen) ihren entsprechenden Beitrag zu liefern haben. Aufgrund der Interdependenzen zwischen diesen Teilbereichen (z. B. das Gesundheitswesen oder die Materialbewirtschaftung mit dem Transportwesen) ist eine isolierte Betrachtung nicht dienlich. Im Gegenteil, es behindert im schlechtesten Falle sogar die Zweckerfüllung.

Die Planung, Kontrolle und Steuerung aller militärlogistischen Maßnahmen erfolgt durch spezifische Elemente auf den entsprechenden Führungsebenen. So werden diese Aufgaben auf der taktischen Ebene (Bataillon, Brigade sowie Militärkommando) durch das Führungsgrundgebiet 4 (Logistik) wahrgenommen, welches gemeinsam mit dem Führungsgrundgebiet 1 (Personal) im Einsatz eine Einsatzunterstützungszentrale bildet.

Da im Österreichischen Bundesheer die Divisionsebene oder Korpsebene nicht strukturell vorhanden sind, werden die notwendigen planerischen und koordinierenden Aufgaben der Logistik des österreichischen Bundesheeres von der Direktion 4 (Logistik), welche in der Generaldirektion für Landesverteidigung abgebildet ist, wahrgenommen. Die Realisierungsaufgaben der militärlogistischen Unterstützung werden auf unterschiedlichen Führungsebenen wahrgenommen.

Bataillonsebene

Auf der unteren taktischen Führungsebene (kleiner Verband bzw. Bataillon) werden durch die Züge (Versorgungszug, Instandsetzungszug, Sanitätszug) der Stabskompanie im rückwärtigen Verantwortungsbereich unterschiedliche Versorgungspunkte (Güter, Instandsetzung Feldsanitätsstation) errichtet und betrieben, aus dem die unmittelbare Unterstützung der im Einsatz stehenden Kräfte sichergestellt wird.

Abb.1: Logistische Fähigkeiten auf Bataillonsebene.
Abb.1: Logistische Fähigkeiten auf Bataillonsebene.
Grafik: Bundesheer

Diese Einrichtungen sind verlegefähig und können auch mobile Versorgungspakete (z. B. Munition, Betriebsmittel, Bergung und Abschub, Patiententransport, Notarzt) bilden, um Bedarfsspitzen direkt vor Ort beim Bedarfsträger abzudecken. Das Bataillon hat in den Bereichen Verpflegung, Munition, Betriebsmittel und Ersatzteile eine zeitlich begrenzte Autarkie, bis eine Folgeversorgung durch die übergeordnete Ebene der Logistik des österreichischen Bundesheeres notwendig wird.

Brigadeebene

Die nächste Ebene, der Logistik des österreichischen Bundesheeres – also die mittlere taktische Ebene (großer Verband bzw. Brigade) – ist nach der gleichen Systematik aufgebaut. Die entsprechenden funktionalen Kompanien (Werkstattkompanie, Nachschub- und Transportkompanie, Feldambulanz) des Stabsbataillons der Brigade errichten und betreiben Versorgungspunkte bzw. stellen mobile Versorgungspakete bereit.

Die Zuführung bzw. Abholung von Versorgungsgütern erfolgt entweder anlassbezogen nach einer Anforderung (Pull-Verfahren) oder aufgrund einer Beurteilung der Einsatzunterstützungszentrale des Brigadekommandos (Push-Verfahren). Während das Pull-Verfahren die Folge- und Anschlussversorgung aufgrund einer tatsächlichen Nachfrage steuert, erfordert das Push-Verfahren eine antizipative zentrale Planung und Steuerung.

Durch eine laufende Auffüllung der Bataillone mit logistischen Mitteln im Rahmen der Folgeversorgung unter Koordinierung des zugeteilten Transportraumes sowie durch Abschub von Schadmaterial, Durchführung von spezifischen Instandsetzungsaufgaben gemäß zeitlichen Vorgaben und Steuerung des Patientenflusses wird die Durchhaltefähigkeit der kleinen Verbände sichergestellt.

Heeresebene

Da im Österreichischen Bundesheer oberhalb der Brigade keine Verbände strukturiert sind, ist die nächste zu betrachtende Ebene die Heeresebene. Diese stellt die Aufrechterhaltung der materiellen Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit des Bundesheeres in allen Teilbereichen der Militärlogistik sicher.

In unterschiedlich strukturierten Lagern bzw. Anstalten werden einerseits Munition bzw. Bekleidung gelagert und für den Einsatz bereitgestellt und andererseits Gerät, welches bei der Truppe nicht instandgesetzt werden kann, repariert. Die Zuführung von Versorgungsgütern zur mittleren taktischen Führungsebene, also zu den Stabsbataillonen der Brigaden, erfolgt durch Transportkompanien des Versorgungsregimentes. Dazu werden auf dieser Ebene spezifische Transportmittel (z. B. Container) bereitgehalten.

Die Heeresebene in der Logistik des österreichischen Bundesheeres stellt auch die Verbindung zur wehrtechnischen Industrie sicher, welche beschafftes Gerät und Material an festgelegte Übernahmepunkte liefert. Durch diese integrative Zusammenarbeit mit der Wirtschaft werden die notwendigen Ressourcen in das Bundesheer eingeführt. Nach Überprüfung und Durchführung der verwaltungsmäßigen Übernahme steht dieses, nach erfolgter Disponierung, dann der Truppe zur Verfügung.

Auf dieser Ebene sind auch spezielle Sanitätselemente verfügbar, welche einerseits den Brigaden zugeführt werden können und andererseits aus ortsfesten Einrichtungen militärmedizinische Leistungen erbringen.

Befragung über die Militärlogistik

Interessant in diesem Zusammenhang ist das Ergebnis einer Umfrage aus dem Frühjahr 2023. 76 Offiziere unterschiedlicher Waffengattungen und Führungsebenen des Österreichischen Bundesheeres wurden ersucht, an einer Untersuchung über den Zustand der Militärlogistik teilzunehmen. Aktiv teilgenommen an der Befragung haben insgesamt 44 Personen. Dies entspricht einer Gesamtrücklaufquote von 58 Prozent.

Abb.2: Integration militärlogistischer Aspekte in Ausbildung und Planung.
Abb.2: Integration militärlogistischer Aspekte in Ausbildung und Planung.
Grafik: Bundesheer

Es sollen hieraus zugsweise zwei Themenkomplexe dargestellt werden: (1) logistische Fähigkeiten auf der Bataillonsebene und (2) Integration in die Planung und Ausbildung.

Mehr als 90 % der Befragten sind der Meinung, dass ein Bataillon die notfallmedizinische Erstversorgung abdecken können muss. 75 % gaben an, dass das Bataillon seine Erstausstattung (Munition, Betriebsmittel, Verpflegung) selbstständig mitführen sowie sein Hauptgerät instandsetzen können muss (siehe Abbildung 1).

In der Abbildung 2 ist die Meinung der Befragten zu Planung und Ausbildung ersichtlich. So sind nur etwas über 40 % der Meinung, dass die Aspekte der logistischen Unterstützung ausreichend in die Planungen des Bundesheeres einbezogen werden. Noch schlechter schneidet die Ausbildung ab. Nur etwa 30 % sind der Meinung, dass die logistische Ausbildung ausreichende Bedeutung genießt und weniger als 10 % sagen, dass diese bei Übungen einbezogen wird.

Mission Vorwärts

Im Tagesbefehl zum Nationalfeiertag am 26. Oktober 2022 stellte Frau Bundesministerin Klaudia Tanner fest, dass „mit den zusätzlichen finanziellen Mitteln in die Mobilität, in den Schutz und in die Wirkung der Soldatinnen und Soldaten sowie in die Infrastruktur des Heeres investiert wird. Und dieses nicht zum Selbstzweck, sondern um Österreich und dessen Bevölkerung zu schützen“. Das Bundesheer wird dadurch moderner und einsatzfähiger. Das Schlagwort dazu, quasi als Branding, lautet: „Mission Vorwärts“. Hierzu wurde ein Aufbauplan (Abbildung 3) entworfen, welcher bis in das Jahr 2032 und darüber hinaus die derzeitigen Fähigkeiten erweitert und neue aufbaut.

Schutzoperation

Das planungsleitende Szenario im Rahmen der Militärischen Landesverteidigung ist die Schutzoperation. Dabei handelt es sich um einen spezifischen militärischen Einsatz zur Abwehr überwiegend subkonventioneller, souveränitätsgefährdender Angriffe auf die Souveränität Österreichs. Dabei muss das Österreichische Bundesheer auf eine Einsatzführung im gesamten Bundesgebiet ausgerichtet und optimiert sein.

So ist der Schutz all jener kritischen Infrastruktur sichergestellt, die für die staatliche Führungsfähigkeit und für die Grundversorgung der Bevölkerung bzw. Energiebereitstellung erforderlich ist. Desweiteren wird durch Präsenz von Kräften eine Abhaltewirkung erzeugt. Das Zwischengelände wird überwacht und rasch verfügbare Kräfte können an entstehenden Brennpunkten zusammengeführt werden, um Gefahrensituationen zu neutralisieren.

Zur großräumigen Isolierung von Gefahrengebieten und für aktive Maßnahmen gegen militante Gruppierungen stehen Kräfte bis Brigadegröße sowie Spezialeinsatzkräfte bereit. Sie gewährleisten auch die Wiederinbesitznahme von Gebieten, die durch gegnerische Gruppierungen der staatlichen Souveränität entzogen wurden. Natürlich wird Österreich auch seiner Verpflichtung im internationalen Krisenmanagement nachkommen und dafür ausgesuchte Fähigkeiten zur Verfügung stellen.

Eckpunkte des Aufbauplanes 2032+

Mobilität der Einsatzkräfte

Die Investitionen in die Mobilität des Bundesheeres bringen die Ergänzung der geschützten und gepanzerten Fahrzeugflotte (s. S. 57) sowie von dringend benötigten Transportfahrzeugen. Auch in der Luft wird die Handlungsfähigkeit gezielt erhöht: Neue Transportflugzeuge werden beschafft und die Hubschrauberflotte wird modernisiert.

Abb.3: Aufbauplan 2032+. Grafiken: Bundesheer
Abb.3: Aufbauplan 2032+.
Grafik: Bundesheer

Schutz und Wirkung

In diesem Bereich werden beispielsweise der Individualschutz der Soldaten und Soldatinnen verbessert und neue Kommunikationsmittel angeschafft. Darüber hinaus wird die Fähigkeit zur Aufklärung an den Stand der Technik angepasst und die Präzisionswirkung der Artillerie signifikant erhöht.

Autarkie und Nachhaltigkeit

Damit die Aufgabe als strategische Reserve der Republik Österreich gewährleistet werden kann, werden die Autonomie und die Resilienzfähigkeit verbessert. So werden die Lagerbestände von einsatzwichtigen Versorgungsgütern zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit schrittweise erhöht und in den Schutz der Informations- und Kommunikationssystems investiert. Desweiteren wird die militärische Infrastruktur erneuert und modernisiert und autarke Sicherheitsinseln geschaffen.

Auswirkungen auf die Militärlogistik

Aber was bedeutet das jetzt für die Militärlogistik? Die Maßnahmen in den drei Bereichen Mobilität, Schutz und Wirkung sowie Autarkie und Nachhaltigkeit können mit einem Wort umrissen werden: Beschaffungsoffensive. Somit bedeutet die „Mission Vorwärts“ in Verbindung mit dem Aufbauplan 2032+ für die Militärlogistik eine bis vor kurzem nicht vorstellbare Fähigkeitsentwicklung.

Bewaffnete und Geschützte Transportfahrzeuge werden den Nachschubkräften ermöglichen, auch unter Bedrohung die notwendigen Güter den Kampfelementen zuführen zu können. Moderne, leistungsfähige Berge- und Abschubfahrzeuge (siehe unten) stellen den Transport zu den Materialerhaltungseinrichtungen in der Tiefe des Raumes sicher.

Bergefahrzeug HX2. Foto: Bundesheer
Bergefahrzeug HX2.
Foto: Bundesheer

Hochbewegliche Sanitätselemente des Leistungsbereichs 1 sowie des Leistungsbereichs 2 ermöglichen eine notfallmedizinische sowie notfallchirurgische Versorgung von Patienten und Verwundeten direkt am Gefechtsfeld nach derzeitigen medizinischen Standards.

Dies sind nur einige Beispiele der Logistik des österreichischen Bundesheeres, welche in den nächsten Jahren materialisiert werden. Entscheidend wird aber sein, dass eben nicht nur das Gerät entwickelt, beschafft, eingeführt und verwendungsfähig ist, sondern auch dieses dann mit entsprechendem Personal besetzt ist. Der Kampf um die besten Köpfe hat bereits begonnen.

Auch im Logistikbereich ist dies erkennbar. Vom Mechaniker in einem Instandsetzungspunkt über den Koch in einer mobilen Feldküche bis zum Fahrer eines geschützten Transportfahrzeugs. Das sind Funktionen, welche durch Soldaten und Soldatinnen zu bekleiden sind. Es müssen daher Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Organisationselemente, im wahrsten Sinne des Wortes, mit Leben zu befüllen. Und die Bezahlung alleine wird es nicht sein.

Logistik des österreichischen Bundesheeres – Conclusio

Der Aufbauplan 2032+ gibt die Richtung vor, wobei das Ziel, einsatzfähige Streitkräfte mit Wirkungsmöglichkeiten im oberen Spektrum, klar ist. Dieser Fähigkeitsaufbau zum Kampf der verbundenen Waffen mit einer entsprechenden logistischen Unterstützung wird das Österreichische Bundesheer die nächsten Jahre begleiten.

Prof. (FH) Mag. Andreas Alexa,
Oberst des Generalstabsdienstes, Referatsleiter & Forscher & Hauptlehroffizier für Logistik,
Institut für Höhere militärische Führung/Landesverteidigungsakademie, Fachhochschule für angewandte Militärwissenschaften, Wien

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