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Marine auf See: Konzept GOST GEA

Sicherung der Einsatzfähigkeit der Deutschen Marine: Als zukunftsfähige Alternative zur Ausbildung durch das englische Programm FOST (Fleet Operational See Training) wurde in der Einsatzflottille 2 in Wilhelmshaven das Konzept des German Operational Sea Trainings German Authorities, kurz GOST GEA, entwickelt. Die Deutsche Bucht als Übungsraum für die Einheiten gewinnt so seit 2019 wieder an Bedeutung, während die Präsenz vor der eigenen Haustür auch im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung ein signifikantes Zeichen setzt.
GOST GEA 2019. Schleppmanöver Fregatte LÜBECK und Korvette OLDENBURG
GOST GEA 2019. Schleppmanöver Fregatte LÜBECK und Korvette OLDENBURG
Foto: Bundeswehr

In der Einsatzflottille 2 in Wilhelmshaven haben alle großen Kampfeinheiten der Deutschen Marine, d.h. Fregatten, Einsatzgruppenversorger und Tanker, ihren Heimathafen. Auftrag der Einsatzflottille 2 ist es, Einheiten bereitzustellen, die befähigt sind, in allen drei Dimensionen, also auf, über und unter Wasser, im gesamten Intensitätsspektrum maritimer Operationen durchhaltefähig und weltweit wirken zu können. Das abzudeckende Aufgabenportfolio reicht von Aufgaben mit hoher Intensität, wie der mehrdimensionalen Seekriegsführung, über den Schutz von Seeverbindungslinien, die Teilnahme in multinationalen Verbänden, wie z.B. den Ständigen Einsatzverbänden der NATO, bis hin zu humanitären Einsätzen.

Alle Einheiten sind ständig in ihren Kernfähigkeiten auszubilden und in Übung zu halten, um jederzeit für Einsätze höherer Intensität bereitzustehen und so den geforderten Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung unmittelbar leisten zu können.

Die Befähigung zum Kampf unter Mehrfachbedrohung setzt seit jeher den Maßstab für die Einsatzausbildung, um den durch die NATO/UN geforderten Ansprüchen zu entsprechen und für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Aufgaben niedriger Intensität sind bei Beherrschen der Kernfähigkeiten abwärtskompatibel sehr gut leistbar. Dies haben die Einheiten der Einsatzflottille 2 über die letzten Jahrzehnte eindrucksvoll bewiesen.

Einsatzausbildung beim Fleet Operational Sea Training (FOST) in England

Die jeweiligen Einsatzausbildungsprogramme der Einheiten geben die einzelnen Ausbildungsschritte von der ersten Seefahrt nach einer Werftphase bis hin zur vollen Einsatzreife vor. Hierbei ist ein Zeitansatz von 28 Wochen vorgesehen, in denen die jeweiligen Besatzungen zu einer Kampfgemeinschaft zusammengeschweißt werden, immer getreu dem Motto: „Nicht Schiffe, sondern Menschen kämpfen!“

Für Fregatten, Einsatzgruppenversorger und Korvetten (Heimathafen Warnemünde und Teil der Einsatzflottille 1) ist das German Operational Sea Training (GOST) beim Fleet Operational Sea Training (FOST) der Royal Navy in Plymouth/Großbritannien sowohl integraler Bestandteil als auch Abschluss des jeweiligen Einsatzausbildungsprogrammes.

Die FOST-Organisation wird indes absehbar nicht mehr in der Lage sein, die gestiegenen Ausbildungsbedarfe der Deutschen Marine zu erfüllen, da allein durch den Zulauf aller acht Mehrbesatzungen Fregatte F125 sowie der neuen Korvetten die Zahl der auszubildenden Besatzungen von derzeit 21 in den kommenden fünf Jahren auf 29 ansteigen wird.

Die Korvette F 262 ERFURT verlässt den Hafen im Rahmen des German Operational Sea Trainings (GOST) 2017 vor der Küste von Plymouth/Großbritannien.
Die Korvette F 262 ERFURT verlässt den Hafen im Rahmen des German Operational Sea Trainings (GOST) 2017 vor der Küste von Plymouth/Großbritannien.
Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

Alternative zum GOST

Um diesem Problem zu begegnen und eine zukunftsfähige Alternative zur Ausbildung durch das FOST zu haben, wurde in der Einsatzflottille 2 das Konzept des German Operational Sea Trainings German Authorities, kurz GOST GEA, entwickelt und Ende 2019 erstmals erfolgreich durchgeführt. Beim GOST GEA wird das Szenario des FOST genutzt, die Ausbildung an Bord erfolgt aber durch deutsche Ausbilder, welche permanent eingeschifft sind und so die Besatzungen kontinuierlich begleiten.

Geplant und durchgeführt wird das GOST GEA durch das Einsatzausbildungszentrum Fregatte Einsatzgruppenversorger Mehrdimensionale Seekriegsführung (EAZ F/EGV MD SeekFü) der Einsatzflottille 2. Die Einsatzüberprüfung, Final Inspection, wird durch den jeweiligen Geschwaderkommandeur abgenommen.

Grundsätzlich sieht das Konzept GOST GEA der Einsatzflottille 2 vor, zwei Wochen Ausbildung in der Deutschen Bucht durchzuführen und anschließend die Ausbildung in die Übungsgebiete der Royal Navy vor Südwestengland, die sogenannten South Coast Exercise Areas, zu verlegen.

Coronabedingte Ausbildung in der Deutschen Bucht

Unknown aircraft in position 15 nautical miles west of Helgoland with a heading of 270 speed 140 knots. This is Nato Warship 216. You are flying towards the UN Exclusion Zone. Good morning. Please answer this call and state your intentions.

So werden nun schon seit zwei Jahren Luftfahrzeuge in der Deutschen Bucht von Einheiten der Einsatzflottille 2 angesprochen, die im Rahmen der Ausbildung GOST GEA in See stehen und zum Abschluss ihres fordernden Einsatzaus­bildungsprogrammes in allen Bereichen der Seekriegsführung ausgebildet und gefordert werden.

Da Plymouth aufgrund der Corona-Pandemie nicht wie sonst bei einem GOST üblich als Hafen genutzt werden konnte, wurden die letzten vier GOST GEA überwiegend in der Deutschen Bucht bzw. im Skagerrak durchgeführt. Dies erhöhte naturgemäß den organisatorischen Aufwand, da sich nicht auf das bewährte Szenario des FOST abgestützt werden konnte.

Neben der umfassenden Planung der gesamten operativen Lage ist die Luftzieldarstellung durch zivile Anbieter (LEARJETS, ALPHA-JETS, HAWKS) oder die Luftwaffe (EUROFIGHTER, TORNADO) dabei die größte Herausforderung, da diese koordiniert und zeitlich abgestimmt erfolgen muss und die jeweiligen Luftfahrzeuge von Bord der seegehenden Einheit durch einen Ausbilder geleitet werden.

Für die Besatzungen ist der Unterschied in der operativen Ausbildung kaum spürbar. Da jeder Soldatin und jedem Soldaten in den Operationszentralen der Einsatzflottille 2 das Szenario des FOST, mit dem Konflikt zwischen den fiktiven Ländern BROWNIA (die Guten) und GINGER (die Bösen), welcher die geopolitische Grundlage für das Training bietet, ein Begriff ist, finden sich die Besatzungen sehr schnell in dem Szenario zurecht.

GOST GEA 2021. Besatzung CHARLIE F125: Nutzung des Hangars F125 als Verbandsplatz bei einer Gefechtsübung.
GOST GEA 2021. Besatzung CHARLIE F125: Nutzung des Hangars F125 als Verbandsplatz bei einer Gefechtsübung.
Foto: Bundeswehr/Hülsmann

Vergleichbarkeit der Ausbildung zu einem englischen Gost

Um die Ausbildung während eines GOST GEA mit der eines GOST vergleichbar zu gestalten, nutzen die Ausbilder des EAZ F/EGV MD SeekFü dieselben Bewertungsmaßstäbe wie ihre englischen Kameraden in Plymouth.

Für das Innere Gefecht bedeutet dies, dass die jeweiligen Ausbildungsskripte mit denen aus England in der Anzahl und Art der jeweiligen Schäden identisch sind.

Im Externen Gefecht werden dieselben Einsatzregeln (Rules of Engagement) angewendet, und die Herausforderungen bei der Erstellung der jeweiligen Lagebilder sind dieselben.

Jede Übung wird bewertet, und zu jeder Übung wird ein schriftlicher Übungsbericht erstellt, der die festgestellten Schwächen und Verbesserungsvorschläge aufzeigt. Der Ausbilder agiert nicht als rein reaktiver „Checker“, sondern als Mentor, der bei groben Fehlern direkt eingreift und dadurch den Auszubildenden auf den richtigen Weg führt.

Safe System of Training

Um eine Einheit in See ausbilden zu können, muss ein System entwickelt werden, welches die Sicherheit während der Ausbildung gewährleistet.

Grundlage bildet hier der Material Assessment and Safety Check (MASC), der zu Beginn eines jeden GOST GEA durchgeführt wird und in erster Linie den sicheren Zustand der Plattform untersucht. Nur wenn dieser gegeben ist, kann die Ausbildung beginnen.

Neben der technischen Überprüfung wird durch verschiedene personelle Maßnahmen eine sichere Ausbildungsumgebung gewährleistet. Die vordringlichste hierbei ist natürlich der Einsatz eines Sicherheitsoffiziers auf der Brücke. Dieser gewährleistet, dass Anlagenausfälle, wie z.B. Ausfall der Antriebs- oder der Ruderanlage, nur eingespielt werden, wenn es die navigatorische Sicherheit zulässt. Darüber hinaus erfolgen aber auch die Einspielungen von Schäden im Schiff nur unter Anwesenheit eines jeweiligen qualifizierten Ausbilders, der jederzeit eingreifen kann, um Schäden an Personen oder Material zu verhindern.

Das Ausbilderteam

Um das Safe System of Training sicherzustellen, muss das Ausbilderteam auf einer Fregatte oder einem Einsatzgruppenversorger aus mindestens 32 Personen bestehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass zum einen alle Sicherheitsregularien eingehalten werden können und zum anderen die notwendige Komplexität der Übungen im Inneren wie Externen Gefecht erreicht werden kann.

Naturgemäß birgt die durchgehende Einschiffung an Bord Vor- und Nachteile. Das Gefühl der Besatzung, ständig unter Beobachtung zu stehen, ist dabei der gravierendste Nachteil. Dem gegenüber steht aber die Chance, die Ausbilder jederzeit verfügbar zu haben und diese auch außerhalb der angesetzten Übungen für Schwerpunktausbildungen nutzen zu können.

Darüber hinaus wird die effektiv zur Verfügung stehende Ausbildungszeit im Vergleich zu einem beim FOST durchgeführten GOST deutlich erhöht, da auf zeitraubende Bootstransfers zum Austausch der jeweiligen Ausbilder, welche beim FOST notwendig sind, verzichtet werden kann. Dies kommt der Besatzung im Übrigen auch dadurch zugute, dass das jeweilige morgendliche Wecken später erfolgen kann.

Wie dem auch sei: bei allen Vorteilen der permanenten Einschiffung hat es sich bewährt, dass an den jeweiligen Wochenenden die Ausbilder die Einheit verlassen, um eine temporäre Trennung vorzunehmen. Dies gibt beiden Seiten die Möglichkeit, Kraft zu tanken.

In der Zeit von Corona bedeutet dies für die Ausbilder, dass sie in Wilhelmshaven in einen Unterkunftsblock einziehen, um die Kohortenisolation aufrechtzuerhalten, während die Besatzungen an Bord verbleiben.

GOST GEA 2021. Besatzung CHARLIE F125: Durchführung Gefechtsstand-Huddle auf Fregatte NORDRHEIN-WESTFALEN.
GOST GEA 2021. Besatzung CHARLIE F125: Durchführung Gefechtsstand-Huddle auf Fregatte NORDRHEIN-WESTFALEN.
Foto: Bundeswehr/Hülsmann

Hohe Flexibilität

Da die Ausbilder bereits an Bord sind, kann die Ausbildung unabhängig von sonst notwendigen Einschiffungen dort stattfinden, wo Übungspartner zur Verfügung stehen oder das Wetter eine Ausbildung zulässt.

So wurde z.B. beim GOST GEA der Fregatte BRANDENBURG Ausbildung im Skagerrak mit deutschen Ubooten und der niederländischen TASK GROUP durchgeführt, in der Deutschen Bucht vor Helgoland mit weiteren Einheiten der Einsatzflottille 2 zusammen trainiert und in den Minches mit der SNMG 1 Übungen absolviert.

Da die Ausbildung in deutscher Hand liegt (German Authorities), entscheidet der Ausbildungsleiter vor Ort in Rücksprache mit dem jeweiligen Geschwaderkommandeur, wo die Ausbildung stattfindet. Zwar ist die deutsche Einheit während ihrer Zeit in den South Coast Exercise Areas an den Ausbildungsplan der Royal Navy gebunden, d.h. sie darf sich nur in den Übungsgebieten aufhalten, die ihr zugewiesen wurden, dennoch kann entschieden werden, die Ausbildungen vor Ort abzubrechen und sie woanders weiter zu führen. So wurden z.B. die Ausbildungen der Fregatte LÜBECK und der Besatzung ALPHA F125 kurzfristig aus den South Coast Exercise Areas in die Deutsche Bucht verlegt, da der Seegang vor der Südwestküste Englands zu stark war. Auch die jeweiligen Transitphasen werden für die Ausbildung genutzt, so dass die Effizienz zusätzlich gesteigert wird.

Ausbildungsablauf

Ein GOST GEA folgt in seiner Übungsanlage grundsätzlich einem normalen GOST. So unterscheidet sich der Syllabus einer Ausbildungswoche kaum:

  • Montags werden navigatorische Übungen durchgeführt sowie Überwasserseekrieg beübt.
  • Dienstags werden Luftverteidigungsübungen und Uboot-Jagdübungen sowie Ausbildungen im Bereich der Schiffstechnik durchgeführt.
  • Mittwochs erfolgen Übungen in Seemannschaft sowie für die Schiffstechnik und am Donnertag werden im sogenannten „Weekly War“ die einzelnen Ausbildungsbereiche in einer großen Gefechtsübung zusammengeführt.
  • An den Freitagen sind dann wieder Übungen in Navigation vorgesehen.

Eine Besonderheit des GOST GEA sind ohne Frage die Force Protection Übungen, die in Wilhelmshaven über 24 Stunden durchgeführt werden. Hier müssen sich die Besatzungen entsprechend der Übungslage simuliert in einem fremden Hafen ohne Unterstützung durch das Heimatland bewähren.

Jede Gefechtsübung und auch die Force Protection Übungen werden nach dem Motto „Train as you fight!“ angelegt und fordern die Besatzungen als Ganzes aber auch jeden Einzelnen. Hohe Belastungen werden dabei bewusst herbeigeführt, denn nur wer möglichst realitätsnah trainiert, wird im Einsatz auch bestehen können.

GOST GEA 2020. Ausguck während Luftverteidigungsübung auf Fregatte BRANDENBURG.
GOST GEA 2020. Ausguck während Luftverteidigungsübung auf Fregatte BRANDENBURG.
Foto: Bundeswehr/Hülsmann

Erfolgreiche Alternative

Die Ausbildung GOST GEA hat sich zu einer tragfähigen und zukunftsfähigen Alternative zum GOST entwickelt. Die Durchführungen in der Deutschen Bucht haben eindrucksvoll bewiesen, dass das Seegebiet um Helgoland hervorragend geeignet ist, um ein komplexes Szenario bereitzustellen und die Besatzungen fordernd auszubilden. Ohne das GOST GEA hätten unter den Bedingungen der Corona-Pandemie die Fregatten BRANDENBURG und SCHLESWIG-HOLSTEIN, der Einsatzgruppenversorger BONN sowie die Besatzungen ALPHA und CHARLIE der Fregatte F125 ihre Einsatzreife nicht erhalten können.

Die Nähe zum Heimathafen erleichtert die logistische Nachversorgung und ist im Besonderen bei Ausfall von technischen Anlagen von Vorteil, da schnellstmöglich Techniker und Material erreicht werden können und die Ausbildung nur kurzfristig für Instandsetzungen unterbrochen werden muss.

Ausblick

Da FOST zukünftig nicht in der Lage sein wird, alle Bedürfnisse der Deutschen Marine zu erfüllen, werden pro Jahr mindestens drei GOST GEA für Fregatten und Einsatzgruppenversorger durchgeführt werden müssen. Hierzu wird das Einsatzausbildungszentrum Fregatte/Einsatzgruppenversorger personell aufwachsen müssen. Zusätzlich wird zukünftig auch die Einsatzflottille 1 zur Ausbildung der Korvetten auf diese bewährte Alternative zurückgreifen.

Langfristig ist eine Einbindung von Anrainerstaaten in die Ausbildung in der Deutschen Bucht sehr gut vorstellbar. Bereits jetzt wurde bei den durchgeführten GOST GEA intensiv mit niederländischen Ausbildungsverbänden zusammengearbeitet. Bei einer Verstetigung der Ausbildung ist damit zu rechnen, dass diese Zusammenarbeit intensiviert und damit die Komplexität von Übungen gesteigert werden wird.

Ohne Frage aber wird die Deutsche Bucht als Übungsraum für die Einheiten der Einsatzflottille 2 wieder an Bedeutung gewinnen und die Präsenz vor der eigenen Haustür deutlich zunehmen, was auch im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung ein signifikantes Zeichen setzt.

Autor: Fregattenkapitän Hendrik Hülsmann, BMVg Referent FüSK I 3

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