Selbstschutzsystem gegen Bedrohungen aus der Luft

Unbemannte Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Systems/ UAS) jeglicher Kategorie sind heute, aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen, eine schnell wachsende Bedrohung. Das Bundeswehr-Projekt „Erhöhung der Selbstverteidigungsfähigkeit von Landplattformen gegen Bedrohungen aus dem bodennahen Luftraum“ widmet sich der Untersuchung des erweiterten Schutzes von Landplattformen jeglicher Art gegen die Bedrohung durch sogenannte Mini- und Mikro-UAS. Oberstleutnant Ralf Kuchta aus dem Amt für Heeresentwicklung zum Sachstand der bisherigen Erkenntnisse und zukünftigen Systemanforderungen an Selbstschutzsysteme im Heer gegen aktive und passive Bedrohungen aus der Luft.

Soldaten vom Panzergrendierbataillon 112 verlegen unter Führung der Panzergrenadierbrigade 37 in der Stand-up-Phase für die Schnelle Eingreiftruppe der NATO, Teile der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 2023, mit Schützenpanzer PUMA vom Truppenübungsplatz Klietz zum Gefechtsübungszentrum Heer, in Buchholz.
Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Die Entwicklung aktiver und passiver Systeme, die dem Selbst- beziehungsweise Eigenschutz von Räumen, Waffensystemen und Gefechtsständen dienen, ist seit langem Gegenstand von Untersuchungen in den Streitkräften. Dabei ist die umfangreiche Bedrohungslage, auf die es zu antworten gilt, eine stete Herausforderung.

In den Kriegen und Konflikten der jüngsten Zeit hat sich gezeigt, dass Landstreitkräfte auch durch immer kleiner werdende luftgestützte Wirk- und Aufklärungsmittel aus dem bodennahen Luftraum bedroht sind. Unbemannte Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Systems/ UAS) jeglicher Kategorie sind heute, aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen, eine schnell wachsende Bedrohung, gegen die es ein Selbstschutzsystem braucht.

Eine entsprechende Defizitanalyse hat ergeben, dass ein effektiver Schutz, insbesondere gegen die Bedrohung durch Mini- und Mikro-UAS bis zu einem Gewicht von 25 Kilogramm, derzeit nicht gegeben ist. Daher ist dem Schließen dieser Fähigkeitslücke eine hohe Bedeutung beizumessen.

Forderung des Heeres nach Selbstschutzsystem der Plattform

Als Reaktion auf diese Bedrohung wurden in der Bundeswehr vielfältige Aktivitäten beauftragt. Dazu gehört das Projekt „Erhöhung der Selbstverteidigungsfähigkeit von Landplattformen gegen Bedrohungen aus dem bodennahen Luftraum“. In diesem Projekt geht es um die Untersuchung des erweiterten Schutzes von Landplattformen jeglicher Art gegen die Bedrohung durch oben angesprochene Mini- und Mikro-UAS mit dem Ziel, dieser Bedrohung adäquat begegnen zu können.

Dabei ist dieses Vorhaben eng eingebettet in ein Gesamtkonzept. Neben der bodengebundenen Luftverteidigung in Verantwortung der Luftwaffe und der Fliegerabwehr aller Truppen – nebst der qualifizierten Fliegerabwehr – ist die Forderung des Heeres nach Schutz des Einzelsystems in unmittelbarer Umgebung als ein neues, drittes Element zu sehen. Somit ist der Schutz gegen die Bedrohung von UAS Class I in folgendem Dreiklang zu betrachten:

  1. Bodengebundene Luftverteidigung
  2. Fliegerabwehr aller Truppen/qualifizierte Fliegerabwehr
  3. Selbstschutzsystem der Plattformen

Der hier verwendete Begriff „Selbstschutzsystem“ soll aus Sicht des Heeres die Abgrenzung zur Fliegerabwehr aller Truppen bzw. der qualifizierten Fliegerabwehr unterstreichen. Hierbei wird der Selbstschutz als letzte Bastion des Schutzes, nämlich der Schutz der Plattform selbst, gesehen.

Dreiklang – Staffelung C-UAS Class I Befähigung.
Grafik: Oberstleutnant Däumer, AHEntwg I 1 (2) unter Verwendung Präsentation Fa. DIEHL

Dieses geforderte Selbstschutzsystem richtet sich gegen die Bedrohung durch UAS Class I, im Wesentlichen in der Unterkategorie der Mini- und Mikro-UAS, sowohl einzeln als auch in Gruppen, und in unmittelbarer Umgebung des jeweiligen Systems.

Aus Sicht des Heeres soll es sich hierbei um ein reines Selbstschutzsystem handeln, das losgelöst von vernetzten Systemen operiert und vollautomatisch die Plattform vor der Bedrohung durch Mini- und Mikro-UAS schützen soll. In der aktuell angestrebten Form gibt es keine Anbindung an die bodengebundene Luftverteidigung und auch keine Einbindung in die Fliegerabwehr aller Truppen.

Hierbei gilt es im Idealfall, praktisch alle Plattformen – vom Lkw bis zum Kampfpanzer – mit ihren jeweiligen Besonderheiten so zu schützen, dass ihre Hauptaufgabe nicht beeinträchtigt wird – unabhängig sowohl von der Gefechtsart, als auch von der Beschaffenheit des Raumes und vom jeweiligen Standort.

Kategorien zum Schutz der Einzelsysteme auf dem Gefechtsfeld

Da die Bedrohung durch Mini- und Mikro-UAS durch die unterschiedlichsten Möglichkeiten ihres Einsatzes gesteigert wird – unter anderem durch ein mögliches Ausbringen aus einem Luftfahrzeug heraus – und dies zu jeder Zeit und an jedem Ort erfolgen kann, bietet es sich an, den Schutz der Einzelsysteme auf dem Gefechtsfeld in drei wesentliche Kategorien zu unterteilen:

  1. Einzelplattformen in Gefechtsständen
  2. Schutz der fähigkeitsbestimmenden Wirksysteme
  3. Schutz der Plattformen in einsatzwichtigen Räumen
Selbstschutzsystem: Prinzipdarstellung Nah- und Nächstbereichsschutz.
Prinzipdarstellung Nah- und Nächstbereichsschutz.
Abbildung: Bundeswehr

Einzelplattformen in Gefechtsständen

Diese Kategorie stellt eine große Herausforderung dar, da sich auf den Gefechtsständen des Heeres die unterschiedlichsten Plattformen befinden. Die Bandbreite der zu schützenden Systeme reicht hier vom Lkw bis zum Kampf- oder Schützenpanzer und schließt selbstverständlich die Gefechtsstand-Container mit ein. Durch die oben beschriebenen unterschiedlichen Möglichkeiten des Einsatzes von Mini- und Mikro-UAS fällt dem Plattformschutz in diesen führungswichtigen Einrichtungen eine besondere Bedeutung zu.

Bei den hier beschriebenen Bedrohungen gibt es kein „Vorne“ und kein „Hinten“, da diese zu jeder Zeit und unabhängig vom jeweiligen Standort bestehen. In den Gefechtsständen gilt es, diese unterschiedlichen Systeme und Container gegen diese Art der Bedrohung aus der Luft ab der Ebene Kompanie bis hin zu Divisionsgefechtsständen zu schützen, um so die Führungsfähigkeit der Einheiten, Verbände und Großverbände zu erhalten.

Schutz der fähigkeitsbestimmenden Wirkplattformen

Geschützte Gefechtsfahrzeuge sind die wesentlichen Träger in der Operation der verbundenen Kräfte. Diesen fähigkeitsbestimmenden Wirkplattformen kommt, unabhängig vom Einsatzort, eine besondere Bedeutung zu. Zum einen darf die Plattform nicht in der Erfüllung ihrer Hauptaufgabe beeinträchtigt werden; zum anderen ist durch Schutzeinrichtungen und Kampfwertsteigerungen eine Überfrachtung der Plattform zu vermeiden.

Beispielsweise gilt es zum Schutz einer Panzerhaubitze 2000 vor einem Mini- oder Mikro-UAS, dieses System mit einem möglichst einfachen und kleinen, gleichwohl aber effektiven Schutzsystem auszustatten. Hierbei soll vermieden werden, dass teures und einsatzwichtiges Großgerät oder dessen Besatzung durch kleine und vergleichsweise billige gegnerische Wirkmittel ausfällt und so die Kampfkraft zum Führen des Feuerkampfes erhalten bleibt.

Schutz der Plattformen in einsatzwichtigen Räumen

Neben den bereits erwähnten Kategorien kommt es auch auf den Schutz der Plattformen in einsatzwichtigen Räumen an. Hiermit sind der einsatznahe Verfügungsraum, Versorgungsräume, Feuerstellungsräume etc. gemeint. In Feuerstellungsräumen der Artillerie sind die Panzerhaubitzen mit dem bereits erwähnten Schutz der fähigkeitsbestimmenden Wirksysteme abgedeckt, dennoch befinden sich aber auch hier weitere schützenswerte, einsatzwichtige Komponenten, wie zum Beispiel die Feuerleitstelle.

Ein anderes Bild stellt sich im Versorgungsraum eines Versorgungsbataillons dar. Hier befinden sich die unterschiedlichsten Systeme der Lkw-Familie. Bei Operationen der verbundenen Kräfte ist die Sicherstellung der Versorgung von Truppenteilen entscheidend. Daher müssen diese Plattformen ebenfalls mit einem Selbstschutzsystem ausgestattet werden.

Mit diesen drei beschriebenen Kategorien ist praktisch die gesamte Bandbreite des Schutzes für Landplattformen gegen solche Bedrohungen abgedeckt.

Fazit: Vier technische Lösungsräume und weiterer Entwicklungsbedarf

Die Komplexität der Anforderungen an Sensoren und Effektoren verhindert derzeit eine zügige technische Lösung mit einem „one size fits all“-Ansatz. Mögliche Lösungen lassen sich im Wesentlichen in vier technische Lösungsräume einordnen. Neben einer Anpassung der vorhandenen Bordbewaffnung, hier sei das „Fliegerabwehr-Maschinengewehr“ erwähnt, kommen auch Zielassistenten für Handwaffen, „Jammer“ oder auch tragbare Kofferlösungen in Frage. Die technischen Lösungsräume gilt es der jeweiligen Plattform zuzuordnen, um so ein geeignetes Wirkmittel zu erhalten.

Grundsätzlich wird es jedoch zeitnah keinen hundertprozentigen Schutz der Einzelplattformen gegen die Bedrohung durch Mini- und Mikro-UAS geben. Neben der angesprochenen Luftverteidigung und der Fliegerabwehr aller Truppen bzw. qualifizierten Fliegerabwehr mit ihren vorhandenen Effektoren könnten aber einfache Schutzsysteme die Bedrohung bestimmter Einzelplattformen erheblich vermindern.

Mit dem Projekt werden daher mit einem kreativen und flexiblen Ansatz Möglichkeiten entwickelt, um den Schutz der eigenen Kräfte gegen Mini- und Mikro-UAS zeitnah zu verbessern.

 

Oberstleutnant Ralf Kuchta,
Sachgebiet Unterstützung, Einsatzstabsoffizier Streitkräfte, Amt für Heeresentwicklung, Abteilung I 1 (1)

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Verwendete Schlagwörter

Amt für Heeresentwicklungbodengebundene LuftverteidigungHeerProjekt
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