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Überlegungen zum Nationalen Sicherheitsrat

Betrachtet man die Krisen und Katastrophen der letzten Jahre, dann fehlte es oftmals nicht an vorhandenen Akteuren, sondern an der Koordination und dem gemeinsamen Lagebild. Die Politologin Christina Moritz forschte seinerzeit zu diesem Konzept und ist seitdem eine überzeugte Verfechterin einer entsprechenden Institution. Aktuell versucht Moritz mit einer Petition die Politik auf die Notwendigkeit zur Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates aufmerksam zu machen.Noch diese Woche kann die Petition hier gezeichnet werden. cpm Defence Network sprach mit Moritz über die Petition und die weiteren Überlegungen zum von ihr vorgeschlagenen Gremium. Die Fragen stellte Dorothee Frank.
Überlegungen zum Nationalen Sicherheitsrat Politologin Christina Moritz
"Je intensiver die gesamtgesellschaftliche Debatte geführt wird, desto resilienter können Mensch und Staat werden", betont Christina Moritz.
Bild: Christina Moritz

Was erhoffen Sie sich von der Petition?

Den Beginn einer gesamtgesellschaftlichen, überparteilichen Debatte über die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates – NSR. Wenn es mit der Petition zunächst gelingt, eine öffentliche Diskussion im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu erwirken, ist der Weg frei für den Austausch von Sachargumenten über Parteigrenzen hinweg. Der nächste Schritt könnte eine fraktionsübergreifende Initiative aus den Reihen des Parlaments, idealerweise auch unter Beteiligung der Länder, für ein Gesetz zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates als Kabinettsausschuss im Bundeskanzleramt sein.

Insgesamt geht es um die dringend nötige Versachlichung der Diskussion um Nationale Sicherheit, die der Gegensatz zwischen Regierung und Opposition bislang verhindert.

Welche Verbesserungen könnte ein solcher Sicherheitsrat bringen?

Organisatorisch einen festen institutionellen Rahmen zur Verbesserung der nationalen Sicherheitsvorsorge, in den für prioritäre Fragestellungen und akute Krisen flexible Themencluster eingebettet und je nach Bedarf auch schnell wieder aufgelöst werden können.

Inhaltlich ein umfassendes Lagebild unter Einbeziehung bislang nicht bekannter und/oder integrierter externer Expertise, das Fehlerwahrscheinlichkeiten und Fehlprognosen minimiert. Eine rund um die Uhr arbeitende externe NSR-Analyseeinheit vermag überdies strategische Empfehlungen über das Tagesgeschäft hinaus auf der Grundlage aller verfügbaren zivilen und militärischen Informationen zu erarbeiten und künftige Nationale Sicherheitsstrategien fortzuschreiben. So wird nicht zuletzt eine bessere Vernetzung von Themen und Akteuren und damit eine komplexe Antwort und parallele Bearbeitung gleichzeitiger Krisen und Polykrisen möglich.

Im Ergebnis entstünde eine zentrale Wissens- und Integrationsplattform und gleichzeitig eine Andockstelle für nationale wie internationale Partner und andere Sicherheitsräte, die Deutschland handlungs- und strategiefähiger macht und über die bereits rund 65 Staaten verfügen. Es gäbe die eine Telefonnummer, insbesondere ein virtuelles Portal, in dem auch Anregungen aus den Ländern, der Wirtschaft, der Wissenschaft oder von Verbänden und Nichtregierungsorganisationen, vor allem aber der Bevölkerung, Eingang fänden. Und das alles ohne Verfassungsänderung oder die Beeinträchtigung von Ressort- oder Föderalismusprinzip.

Stattdessen erhielten die Bundesministerien zusätzliche Daten für eine umfassende Vorbereitung der Entscheidungen des Bundeskanzlers, die sie als Ressort allein nicht leisten können. Dies zeigte sich zuletzt bei der Erarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie durch das Auswärtige Amt.

Gibt es nicht bereits genug Gremien, die diese Funktion abbilden könnten?

Trotz zahlreicher ad hoc Krisenkabinette im Kanzleramt, Staatssekretärsrunden und über 100 mit Sicherheit befassten Institutionen in Deutschland, kommen wir buchstäblich nicht vor die Welle. Statt, wie in einer sich dramatisch zuspitzenden Lage erforderlich, schnell agieren zu können, reagiert die Bundesregierung schleppend bis zu spät. Weder brauchbare neue strategische Konzepte noch ein Instrument zur Umsetzung der wegen mangelnden strategischen Tiefgangs in der Kritik stehenden Nationalen Sicherheitsstrategie sind bisher zur Hand.

Indes gibt es weiterhin vermeidbare Doppelungen und eine mangelnde bis fehlende Vernetzung relevanter Akteure und Behörden. Auch der Zuschnitt der Bund-Länder-Kompetenzzuweisungen gehört – wie im Übrigen die sicherheitsrelevante Gesetzgebung insgesamt – auf den Prüfstand. 

Gibt es Unterstützung für Ihre Petition bzw. Idee?

Selbstverständlich. Und das, wie mein Team und ich mit Dankbarkeit und Demut feststellen konnten, sogar partei-, fach- und ebenenübergreifend. Die eine oder den anderen finden Sie in der Liste der Unterzeichner meiner Petition.  Es muss allerdings jeder und jedem selbst überlassen bleiben, ob sie oder er mit Namen oder anonym unterschreibt. Bisweilen ist ein Wirken im Hintergrund gerade im Bereich der Sicherheitspolitik ebenso wie in der Diplomatie eine durchaus zielführende Vorgehensweise.

Gleichzeitig gilt: Je intensiver die gesamtgesellschaftliche Debatte geführt wird, desto resilienter können Mensch und Staat werden. Und desto tragfähiger ist das Konzept eines Nationalen Sicherheitsrates, der ein Optimum an umfassender und objektiver Analyse ermöglicht und dessen strategische Empfehlungen deshalb von einer breiten Mehrheit als Mehrwert erachtet und akzeptiert werden.

Mehr Informationen gibt es im Video.

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