Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais begrüßte am 17. April die Mitglieder des Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages im Rahmen einer auswärtigen Sitzung in Munster, am größten Heeresstandort Deutschlands. Im Kern ging es dem Verteidigungsausschuss zu Gast in Munster um die dringenden Bedarfe des Heeres im Bereich der materiellen Ausstattung zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft. Aber auch die geplante Modernisierung der Organisationsstruktur des Heeres sowie Personalfragen und Einsatzbereitschaft wurden thematisiert. Ein Tag im Zeichen des intensiven Austauschs zwischen Politikern und Soldaten.
Im Rahmen der langjährigen und bewährten Praxis für den Verteidigungsausschuss, regelmäßig auswärtige Sitzungen bei den Streitkräften, also Vor-Ort-Besuche, durchzuführen, besuchten die Mitglieder des Ausschusses am vergangenen Montag den Heeresstandort Munster. Mit der Panzertruppenschule als wichtigster Ausbildungseinrichtung des Heeres für gepanzerte Kampftruppen und dem Sitz der Brigadeführung der Panzerlehrbrigade 9 zeichnet der Standort maßgeblich für die lehrgangsgebundene Ausbildung des Führungsnachwuchses der Panzer-, Panzergrenadier-, Heeresaufklärungs- und Artillerietruppe verantwortlich.
„In Zeiten des Krieges an der Peripherie unseres Bündnisses ist es ein wichtiges Zeichen der Wahrnehmung, dass Sie durch diesen Besuch an alle Angehörige des Heeres als größte Teilstreitkraft der Bundeswehr senden. Wir alle spüren, dass wir heute den gemeinsamen und intensiven Austausch untereinander mehr brauchen, denn je“, begrüßt der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, die Gäste.
Herstellung der Reaktions- und Kaltstartfähigkeit im Rahmen von LV/BV
Das Deutsche Heer als größte Teilstreitkraft bildet den Kern der Landstreitkräfte und ist damit wesentlicher Träger von Operationen in der Dimension Land. Mit der Landes- und Bündnisverteidigung als anspruchsvollstem Auftrag, Einsätzen im Bereich internationales Krisenmanagement als gefährlichstem Auftrag und der Unterstützung der Ukraine, insbesondere im Bereich der Ausbildung als derzeit wichtigstem Auftrag sieht sich das Heer 2023 der herausfordernden Aufgabe gegenüber, die Balance zwischen aktuellen Bedarfen und Zukunftsorientierung auszuloten.
Insbesondere müsse derzeit der Weg zur Herstellung der Reaktions- und Kaltstartfähigkeit im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung beschleunigt und unter dem Eindruck einer signifikant veränderten Bedrohungslage vorangetrieben werden, so Generalleutnant Alfons Mais während seiner Auftaktworte im Plenum der Panzertruppenschule in Munster.
Sicherstellen der materiellen Ausstattung dringlichste Aufgabe
„Wir wissen, was wir wollen und verfolgen unseren Plan“, führte der Inspekteur aus. Aus eigener Kraft würden hierzu bereits strukturelle Anpassungen in der Organisation der Teilstreitkraft vorgenommen und das Thema Personal inklusive der Fragestellungen Mobilisierung, Einsatzbereitschaft und Flexibilisierung von Laufbahnen adressiert. Das Sicherstellen der materiellen Ausstattung sei allerdings – vor dem Hintergrund der so sinnvollen wie erforderlichen Abgaben an die Ukraine – derzeit die dringlichste Aufgabe auf dem Weg zu einer der Bedrohungslage angemessenen Einsatzbereitschaft des Heeres.
„Dabei gilt es jetzt, schnell die Fähigkeitslücken der Vergangenheit zu schließen, neue operative Erfordernisse zu bedienen und die Modernisierung des Heeres fest im Blick zu behalten“, so Mais vor dem Verteidigungsausschuss zu Gast in Munster weiter. Ohne die hierfür dringend benötigten Gelder und ausstehenden Entscheidungen ginge dies aber nicht. Das Sondervermögen als „Anschubfinanzierung“ und erster Kräftehebel zum Erreichen der Zwischenziele bis 2025 könne hier nur den Anfang darstellen. Die Bedarfe gingen wie bekannt weit darüber hinaus.
Gelegenheit zum persönlichen Austausch mit den Soldaten
Ziel des Besuches war es daher auch, den Ausschussmitgliedern, die zur Beschaffung von Rüstungsmaterial beratend an Gesetzentwürfen, Anträgen und Vorlagen mitarbeiten, einen umfassenden Einblick in den Zustand des Heeres und die laufenden Anstrengungen zur Wiedererlangung der Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung zu geben. Nach Details zu einzelnen Vorhaben, Veränderungen und Herausforderungen im Heer im Plenum ging es deshalb für die Politiker vor allem raus, zu den Soldaten und Fahrzeugen der Schweren und Mittleren Kräfte, um allen die Gelegenheit zu geben, sich im persönlichen Austausch und Erleben ein eigenes Bild zu machen.
Den Politikern ist der persönliche Austausch mit den Soldaten besonders wichtig, hier die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann und MdB Jens Lehmann (CDU) im Gespräch. Jede einzelne Fähigkeit, über die eine Kampftruppenbrigade verfügt, wird den Abgeordneten gezeigt und am Beispiel erläutert.
Fotos: Bundeswehr/Marco Dorow
Evolution des Schützenpanzers vom Marder bis zum Puma S1 Härtung
Ein Schwerpunkt bei der Präsentation der schweren, mechanisierten Kräfte lag dabei auf der Darstellung der Evolution des Schützenpanzers – vom Marder bis zum Puma S1. Die Ausbildung vor Ort fände größtenteils noch auf Basis des Pumas aus der ersten Ausstattungsreihe statt, dem Puma S0, so ein Kompaniechef des Panzergrenadierbataillons 33. Das sei schon ein großer Schritt nach vorn. Die Schützenpanzer in der Variante für die Schnelle Eingreiftruppe VJTF und der S1 Härtung seien aber noch einmal besser ausgestattet. Die Soldaten wüssten um die Anstrengungen, sie mit dem bestmöglichen Material auszustatten, so der Grenadierchef. Hier erhoffe man sich das notwendige Tempo.
Dass man an den Puma als Schützenpanzer der Zukunft glaube, unterstrich auch nochmal der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais. Das Gefechtsfahrzeug stelle gegenüber dem Marder einen Quantensprung für die Grenadiertruppe dar. Dinge, die noch justiert werden müssen, werde man in den Griff bekommen.
Passend hierzu erreichte uns nur zwei Tage später, am 19. April, die Nachricht des Joint Ventures aus Rheinmetall und KMW, dass das BAAINBw einen Auftrag zur Nachrüstung von weiteren 143 PUMA-Systemen auf den Stand S1 erteilt habe, um diese in den Kernfähigkeiten Feuerkraft und Führungsfähigkeit zu modernisieren.
Verteidigungsausschuss zu Gast in Munster – Struktureller Umbau bei den Mittleren Kräften
Präsentiert wurden im Anschluss in Munster auch die aktuellen und für die Zukunft geplanten Systeme der Mittleren Kräfte mit ihren sehr gut verlegefähigen Radfahrzeugen wie dem GTK Boxer, welche Einsatzräume wie etwa die NATO-Ostflanke deutlich schneller erreichen können als die Schweren, mechanisierten Kräfte auf Kette. Für ein flexibleres Agieren strebt das Heer hier deshalb gerade einen strukturellen Umbau in der Organisation des Heeres an.
Die größte Herausforderung sei dabei aktuell, die mittleren Kräfte mit der erforderlichen Feuerkraft auszustatten. Vorangetrieben werde hierzu unter anderem bereits die Beschaffung eines Schweren Waffenträgers Infanterie auf Basis der Boxer-Familie. „In den Brigaden der Mittleren Kräfte werden zukünftig Radschützenpanzer, Radhaubitzen, radbasierte Mörsersysteme, Transportpanzer, radbewegliche Pionierfähigkeiten und weitere radbasierte Systeme in allen Truppengattungen vorhanden sein müssen“, erklärte Inspekteur Mais.
Gefechtsschießen auf dem Truppenübungsplatz Munster
Den Abschluss des ersten Tages bildete ein Gefechtsschießen des Panzergrenadierbataillons 33. Während Aufklärungskräfte, Schützenpanzer und Kampfpanzer auf dem Truppenübungsplatz Munster ihre Schlagkraft in einem kurzen, aber realen Gefechtsausschnitt zeigten, wurde die Komplexität der einzelnen Fahrzeuge, Waffen, Systeme und Fähigkeiten noch einmal besonders deutlich – und wie wichtig es ist, dass ein Zahnrad ins andere greift. Fehlten Teile eines Orchesters, ließe sich damit auch keine Sinfonie mehr spielen, erklärte hierzu auch Brigadegeneral Lutz Kuhn, Brigadekommandeur der Panzerlehrbrigade 9. Umso wichtiger sei es zu ersetzen, was aktuell in der Ausbildung, im Ernstfall aber auch im Krieg fehlt. Sowohl bei den Fahrzeugen, aber auch bei der Munition, den Ersatz- und Austauschteilen.
Schwere Kräfte zeigten am 17. April 2023 in Munster, was es bedeutet, ein Gefecht zu führen. Für den Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, steht fest: Der Schützenpanzer Puma ist die beste Wahl für das Heer. Die Besucher verfolgen aufmerksam das Gefechtsschießen auf dem Truppenübungsplatz Munster.
Fotos: Bundeswehr/Marco Dorow
Zeitenwende gelingt nur mit fundiertem Verständnis für Bedarfe der Teilstreitkräfte
Auch am Folgetag, dem sogenannten Multiplikatorentag, an dem auch wir als cpm Verlag teilnehmen konnten, wurden noch einmal Gäste aus Politik, BMVg, Verbänden wie dem DBwV, dem Bundesrechnungshof und der Fachpresse in Munster durch den Kommandeur der Panzertruppenschule, Brigadegeneral Björn F. Schulz empfangen, um die wichtigen Botschaften des Heeres mit einem breiterem Publikum zu teilen. Die Zeitenwende könne nur gelingen, wenn bei allen Entscheidungsträgern ein fundiertes Verständnis für die Themen der Teilstreitkräfte vorliege, unterstrich auch noch einmal Oberst i.G. Nikolaus Carstens aus dem Kommando Heer, Unterabteilungsleiter Zentrale Zielsteuerung, die Wichtigkeit der beiden Tage. Hierfür wurde mit beiden Veranstaltungen zum Beginn dieser Woche in Munster ein wichtiger Schritt getan.
Autor: Wibke Pfeiffer, cpm Defence Network