ReArm Europe – Maßnahmen der EU zur Verteidigung Europas

Gestern veröffentlichte die EU ihr White Paper „ReArm Europe“, in dem die Kommission auf 22 Seiten ihren Plan zur Herstellung eines verteidigungsbereiten Europas darlegt. Wie von der EU zu erwarten setzt sie hierbei ihre Stärken ein: Finanzierung und Standardisierung.

Die EU setzt mehrere Finanzierungsmöglichkeiten auf, damit die Mitgliedsländer mehr und vor allem schneller in ihre Verteidigung investieren können. Die entsprechenden Pläne legte die Kommission nun im White Paper ReArm Europe vor.
Die EU setzt mehrere Finanzierungsmöglichkeiten auf, damit die Mitgliedsländer mehr und vor allem schneller in ihre Verteidigung investieren können. Die entsprechenden Pläne legte die Kommission nun im White Paper ReArm Europe vor.
Foto: Bundeswehr/Torsten Kraatz

An konkreten Maßnahmen benennt die EU fünf Säulen, welche sie als Instrumente den Mitgliedsstaaten zur Verfügung stellt.

1. Ein neues, zweckgebundenes Finanzinstrument zur Unterstützung der Verteidigungsinvestitionen der Mitgliedstaaten

Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten durch den EU-Haushalt abgesicherte Darlehen zur Verfügung zu stellen. Dieses „Security and Action for Europe“ (SAFE) genannte Instrument, das noch beschlossen werden muss, soll mit bis zu 150 Milliarden Euro ausgestattet werden.

„SAFE wird die europäische Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffungen unterstützen, an denen mindestens zwei Länder beteiligt sind, von denen eines ein Mitgliedstaat sein muss, der finanzielle Unterstützung durch SAFE erhält, und das andere ein anderer Mitgliedstaat, ein EFTA-Staat, ein Mitglied des EWR oder die Ukraine sein kann“, erläutert die EU in ihrem White Paper ReArm Europe.

Für einfachere oder dringendere Beschaffungen – die EU nennt als Beispiele Munition oder Mobilität – würden ähnliche Förderbedingungen gelten wie beim EDIRPA-Programm. „Für komplexere und hochtechnologische Systeme, wie KI oder Luftverteidigung, würden strengere Bedingungen gelten, die sich an den legislativen Diskussionen über EDIP orientieren, da die Anforderungen an die strategische Autonomie höher sind“, so die EU in ReArm Europe. Sobald die jeweiligen Pläne genehmigt und der Darlehensvertrag unterzeichnet seien, werde dann die Vorfinanzierung zur Verfügung stehen.

2. Aktivierung der nationalen Abweichklausel vom Stabilitäts- und Wachstumspakt

Die EU-Kommission schlägt im White Paper ReArm Europe zudem vor, die „koordinierte Aktivierung der nationalen Abweichklausel durch alle Mitgliedstaaten“ vorzunehmen, „um zusätzliche Flexibilität für höhere Verteidigungsausgaben zu schaffen“. Diese „National Escape Clause“ ermöglicht den Nationen die Aufnahme weiterer Schulden zur Finanzierung der Verteidigung.

„Es wird ein Zeitraum von vier Jahren (verlängerbar) in Betracht gezogen“, so das Dokument ReArm Europe. „Dank dieser Flexibilität könnten die Mitgliedstaaten zusätzliche Verteidigungsausgaben in Höhe von bis zu 1,5 Prozent des BIP mobilisieren. Ausgehend von Prognosen einer schrittweisen Inanspruchnahme könnten die Verteidigungsinvestitionen in den nächsten vier Jahren mindestens 800 Milliarden Euro erreichen, einschließlich der Ausgaben, die durch die 150 Milliarden Euro aus SAFE finanziert werden und automatisch im Rahmen der nationalen Ausweichklauseln förderfähig sind.“

3. Flexibilierung bestehender EU-Instrumente

Auch kurzfristig könne die EU bereits bei der Finanzierung deutlich mehr leisten als bisher, indem bestehende Fördermöglichkeiten flexibler ausgelegt werden, ist im White Paper ReArm Europe zu lesen und nennt als Beispiel: „Die Kohäsionspolitik trägt bereits zu Verteidigungs- und Sicherheitsfähigkeiten bei. Sie finanziert sicherheits- und verteidigungsbezogene Investitionen, die zur regionalen Entwicklung beitragen, da die Verteidigungsindustrie häufig Forschungs- und Entwicklungs- sowie industrielle Ökosysteme schafft, die den Regionen und Gemeinden Europas zugutekommen.“

4. Beiträge der European Investment Bank

Der Aktionsplan für Sicherheit und Verteidigung der European Investment Bank (EIB) sei bereits ein wichtiger erster Schritt zur stärkeren Nutzung dieses Finanzinstruments gewesen „und seine Umsetzung sollte beschleunigt werden“. Darüber hinaus beabsichtige die EIB, ihre jährlichen Investitionen auf zwei Milliarden Euro zu verdoppeln, um Projekte wie Drohnen, Weltraum, Cybersicherheit, Quantentechnologien, militärische Einrichtungen und Katastrophenschutz zu finanzieren.

„Sie schlägt eine weitere Anpassung der Förderkriterien vor, um sicherzustellen, dass ausgeschlossene Aktivitäten genauer definiert und in ihrem Umfang so weit wie möglich eingeschränkt werden, um sie an die neuen politischen Prioritäten der EU anzupassen“, so die EU in ReArm Europe. „Schließlich wird sie eine Überarbeitung ihres operativen Rahmens vorschlagen und die Ad-hoc gestartete „Strategic European Security Initiative“ durch ein spezielles übergreifendes politisches Ziel ersetzen, das mit einer ehrgeizigen Finanz- und Kapitalzuweisung zu Frieden und Sicherheit in Europa beitragen soll.“

5. Mobilisierung von privatem Kapital

Neben diesen direkten Investitionen will die EU vor allem auch Bedingungen schaffen, damit Verteidigungsunternehmen besser an notwendiges Investitionskapital gelangen.  „Der Finanzsektor zeigt ein wachsendes Interesse an der Verteidigung. Dennoch bleibt der Verteidigungssektor aufgrund der begrenzten Investitionspolitik öffentlicher und privater Finanzinstitute ein unterversorgter Markt“, berichtet das Dokument ReArm Europe. „Der Zugang zu Finanzmitteln ist für 44 Prozent der KMU im Verteidigungssektor nach wie vor ein großes Problem, was viel mehr ist als bei zivilen KMU. Sie haben weniger Möglichkeiten als in den USA oder im Vereinigten Königreich, und 60 Prozent der Gesamtinvestitionen stammen von US-Investoren.“

Es gelte also, „zusätzliche private Investitionen in die Prioritäten der EU, einschließlich des Verteidigungssektors, zu lenken“. „Zu diesem Zweck legt die Kommission eine „Communication on a Savings and Investments Union” vor.

Die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) stehe der Finanzierung des Verteidigungssektors dabei nicht entgegen. „Allerdings könnten sowohl der Finanz- als auch der Verteidigungssektor von einer zusätzlichen Klarstellung der Anwendung der SFDR profitieren“, schreibt die EU-Kommission durchaus selbstkritisch in ReArm Europe. „Die Kommission wird im Rahmen der Überprüfung der SFDR die notwendige Klarstellung zum Verhältnis der Verteidigung zu den Investitionszielen des Nachhaltigkeitsrahmens vornehmen.“

Die Umsetzung der fünf Säulen von ReArm Europe

Zum Ende bennent das White Paper ReArm Europe sogar überaus konkret den Zeitplan, zu dem die Maßnahmen umgesetzt werden sollen:

  • Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, bis Ende April die Aktivierung der nationalen Abweichklausel vom Stabilitäts- und Wachstumspakt zu beantragen.
  • Der Rat wird aufgefordert, den vorgeschlagenen Verordnungsentwurf über Sicherheit und Maßnahmen für Europa (SAFE) dringend anzunehmen.
  • Die Mitgesetzgeber werden aufgefordert, das Europäische Programm für die Verteidigungsindustrie (EDIP) vor dem Sommer zu verabschieden, einschließlich seines Instruments zur Unterstützung der Ukraine (USI).
  • Die Mitgesetzgeber werden aufgefordert, die Änderungen am Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, die bis Ende März 2025 vorgeschlagen werden, vorrangig zu prüfen. Nach der Halbzeitüberprüfung der Kohäsionspolitik werden nationale, regionale und lokale Behörden in der Lage sein, im Rahmen ihrer laufenden Programme freiwillig Mittel für neue Prioritäten, einschließlich der Stärkung der Verteidigungs- und Sicherheitsfähigkeiten, bereitzustellen.
  • Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungsgütern im Einklang mit dem in der Europäischen Verteidigungsindustrie-Strategie (EDIS) vorgeschlagenen Ziel von mindestens 40 Prozent rasch zu intensivieren, auch unter der Schirmherrschaft des SAFE-Instruments.
  • Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, sich rasch auf eine ehrgeizige neue Initiative zur militärischen Unterstützung der Ukraine zu einigen, die Artilleriemunition, Luftverteidigung und „Train and Equip“ umfasst.
  • Die Kommission wird die Integration der ukrainischen Verteidigungsindustrie in den Binnenmarkt fördern, die Ausweitung der militärischen Mobilitätskorridore in die Ukraine unterstützen und den Zugang der Ukraine zu weltraumgestützten Behördendiensten der EU prüfen.
  • Die Kommission fordert den Gouverneursrat der European Investment Bank auf, die Unterstützung für die europäische Verteidigungsindustrie dringend zu verstärken, insbesondere durch eine weitere Einschränkung der Liste der ausgeschlossenen Tätigkeiten und eine Aufstockung der verfügbaren Mittel.
  • Die Kommission wird unverzüglich einen strategischen Dialog mit der Verteidigungsindustrie einleiten und dabei gegebenenfalls auch auf das Fachwissen der EDA oder des Militärstabs der EU zurückgreifen.
  • Die Kommission wird bis Juni 2025 einen Vorschlag zur Vereinfachung der Verteidigungsausgaben vorlegen.
  • Die EU wird 2025 einen europäischen rüstungstechnologischen Fahrplan für Investitionen in fortgeschrittene technologische Fähigkeiten mit doppeltem Verwendungszweck vorlegen.
  • Die Kommission und der Hohe Vertreter werden bis Ende 2025 eine gemeinsame Mitteilung über militärische Mobilität annehmen, zusammen mit den erforderlichen Legislativvorschlägen.

Das gesamte White Paper ReArm Europe der EU kann hier aufgerufen werden.

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