Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ist für die Entwicklung, Beschaffung und Erhaltung von einsatzreifem Wehrmaterial sowie dessen Weiterentwicklung verantwortlich. Die Aufgabe des BAAINBw besteht darin, die Bundeswehr mit modernem und sicherem Gerät sowie mit zeitgemäßer Ausstattung einsatzfähig zu halten und das angestrebte Fähigkeitsprofil schnell zu erreichen.
Dieser Fachbeitrag erschien zuerst in der Ausgabe 02/2024 des Hardthöhen-Kuriers und wird an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht. Vielen Dank dafür!
Die aus dem russischen Angriffskrieg resultierende Zeitenwende erfordert insbesondere, dass im Hinblick auf die Prozesse und Verfahren für die Beschaffung alle Beschleunigungspotenziale genutzt werden. In der Umsetzung verlangt dies auch ein effizienteres und gleichzeitig rechtssicheres Handeln, um schnell sichtbare Ergebnisse im Hinblick auf Qualität und Quantität der Ausrüstung zu erreichen.
Das Vergaberecht gibt dabei den Rahmen für das Handeln vor. Das Beschaffungsamt ist aber nur ein Rad im Getriebe und viele beteiligte Bereiche wirken an der Beschleunigung mit. Beispielsweise das Planungsamt der Bundeswehr, die Streitkräfte und der Haushaltsausschuss des Bundestages, welche im Prozess vorgeschaltet sind. Aber auch die leistungsfähige wehrtechnische Industrie spielt eine zentrale Rolle, die mit hochwertiger, zuverlässiger sowie zeitgerechter Lieferung einen wesentlichen Beitrag leistet.
Das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz, der Erlass zur Beschleunigung der Beschaffung von Herrn Staatssekretär Zimmer vom April 2023 und weitere Maßnahmen zeigen deutlich Wirkung. Alleine im vergangenen Jahr wurden rund 12.000 Beschaffungsverträge geschlossen. Die Anzahl der laufenden Projekte inkl. Nutzung steigt jährlich um rund fünf Prozent und bis Ende 2023 auf knapp 1.700.
Auch die Anzahl der 25-Millionen-Euro-Vorlagen an das Parlament zu Großverträgen wächst kontinuierlich und erreichte im Jahr 2023 mit rund 50 einen Höchststand. In diesem Jahr könnten es sogar doppelt so viele werden. Das BAAINBw und seine Mitarbeitenden leben die Zeitenwende aktiv und steigern die Leistung der Beschaffungsorganisation erheblich.
Beschaffung läuft – beim BAAINBw
Bei der Betrachtung der im BAAINBw seit dem Jahr 2015 verausgabten Haushaltsmittel zeichnet sich ein deutlich erkennbarer Wachstumspfad ab. Die Mittel, die in den Ausgabenbereichen Rüstungsinvestitionen, Materialerhaltung und Betrieb kassenwirksam umgesetzt werden konnten, sind von rund neun Milliarden Euro im Jahr 2015 bis auf rund 20 Milliarden Euro im Jahr 2022 angestiegen.
Das BAAINBw auf einen Blick
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ist die zentrale Beschaffungsbehörde Deutschlands. Es beschafft und wartet Ausrüstung und IT für die Bundeswehr, um deren Einsatzbereitschaft sicherzustellen. Zu den Aufgaben gehören:
- Planung, Entwicklung und Beschaffung von Wehrmaterial
- Instandhaltung und Modernisierung der Ausrüstung
- Verwaltung der Informations- und Kommunikationstechnik
- Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Rüstungspartnern
Dies entspricht bereits einer Steigerung um rund 120 Prozent. Aufgrund des Sondervermögens wachsen diese Werte weiter an. Im Jahr 2023 um etwa 40 Prozent und in diesem Jahr um rund 30 Prozent. Dies entspricht für 2024 einer Ausgabenerwartung in Höhe von rund 35 Milliarden Euro. Die eingeleiteten Modernisierungsmaßnahmen greifen und das alles bei nur moderat gewachsenem Personalkörper im BAAINBw.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die sehr kurzfristige Plafonderhöhung 2024 für das BAAINBw massive Auswirkungen hat. Es müssen jetzt ad hoc noch rund zehn Milliarden Euro aus dem Haushalt 2024 so in Verträge umgesetzt werden, dass diese für entsprechende Leistungen der Industrie auch noch 2024 abfließen. Die Umsetzung war bisher schon ambitioniert und stark risikobehaftet. Die Haushaltssperre erschwert diese Situation signifikant. Die Auswirkungen sind noch nicht absehbar.
Die eingeleiteten Maßnahmen wirken im Wesentlichen in drei Bereichen. Es wurden die Prozesse, die Art und Weise der Projektarbeit und der rechtliche Rahmen kritisch betrachtet. Mit Blick auf den Faktor Zeit, gezielter Schwerpunktsetzung, Vereinfachung, Verschlankung und Risikofreude wurden konsequent Maßnahmen etabliert und Handlungsspielräume genutzt.
Beschleunigung der Prozesse
Ein wesentlicher Baustein ist die Straffung der Arbeits- und Abstimmungsschritte. Bedarfs- und haushaltsbegründende Grundlage ist ab sofort grundsätzlich das Dokument Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung mit Lösungsvorschlag (FFFmLV).
Bislang ging das Basisverfahren zur Beschaffung von einem mehrstufigen Prozess aus. Zunächst wurde eine FFF erarbeitet, bevor nach Billigung dieses Dokuments mehrere Lösungsvorschläge erarbeitet und bewertet wurden. Die Einsparung dieses mehrstufigen Prozesses durch den Verzicht auf mehrere Abstimmungs- und Mitzeichnungsrunden mit wechselnder Federführung ist ein wesentlicher Baustein der Beschleunigung.
Dies insbesondere auch, da für die Erstellung des Dokuments FFFmLV nun ein Zeitansatz von maximal sechs Monaten vorgegeben ist. Ein weiteres Handlungsfeld ist die konsequente Deregulierung. Mit der Außerkraftsetzung von über der Hälfte der im BAAINBw genutzten rund 160 Regelungen werden den Mitarbeitenden bewusst Handlungsspielräume verschafft. So kann im konkreten Einzelfall dem Faktor Zeit höchstmögliche Priorität eingeräumt werden.
Dazu zählt auch, dass Ausnahmen von Gesetzen und Abweichungen von Regelungen konsequent genutzt werden. Ein weiterer Optimierungsaspekt ist die Dezentralisierung. Durch Verlagerung der Zuständigkeiten für die Beschaffung nicht-komplexer Materialsegmente ohne Waffensystembezug zum BAIUDBw oder durch das Handgeld für Kommandeure zur Truppe wird das Beschaffungsamt entlastet. Durch das Handgeld kann die Truppe z. B. in begrenztem Umfang Sachgüter unmittelbar vor Ort schnell und selbstständig beschaffen.
Das BAAINBw kann sich durch diese Maßnahmen auf die Realisierung komplexer Projekte fokussieren. Beispielsweise wurde bei der Beschaffung der Atemgasversorgung zum taktischen Gleitfallschirmsystem – unter konsequenter Abstützung auf marktverfügbare Lösungen – die FFFmLV in unter vier Monaten erstellt. Die Lieferung erfolgt ab 2024. Beim Waffensystem Territoriale Flugkörperabwehr ARROW wurde die FFFmLV innerhalb von drei Monaten erstellt. Die Lieferung der Serie erfolgt ab 2025.
Es muss aber klar sein, dass die Prozesse bei Großprojekten wie bei der Dimension Luft nicht den alleinigen Ausschlag für die Beschleunigung geben. Natürlich waren der Umfang der zu erstellenden Unterlagen, die Fokussierung auf Marktverfügbares und schnelle Entscheidungsfindung wichtige Bausteine für die Beschaffung des Kampfflugzeugs F 35.
Am Ende brauchte es aber in dieser Größenordnung drei wesentliche Faktoren, die auch die Kernpunkte einer erfolgreichen Zeitenwende sind; finanzielle Mittel, politischer Wille und die Entscheidungsbereitschaft Einzelner.
Ohne den politischen Willen, Verfügbarkeit auf dem Weltmarkt als Faktor anzuerkennen, auch wenn ggf. die eigene Industrie in Teilbereichen nicht zum Zuge kommt, wird Zeit als wesentlicher Faktor nicht zu halten sein. Diese Richtung ist mit Blick auf die Stärkung der nationalen Rüstungsindustrie allerdings sehr ausgewogen umzusetzen.
Beschleunigung der Projektarbeit
Handlungsspielräume bei der Vertragsgestaltung sind ein weiter wichtiger Baustein. Durch das konsequente Schließen von Rahmenvereinbarungen mit der Industrie entfällt bei später identifizierten weiteren Bedarfen ein neuerlicher Vergabeprozess. Plakatives Beispiel sind hier die Verträge zur Munitionsbeschaffung.
Hinzu kommt in diesem Bereich auch eine weitere Neuerung. Die zentralen bedarfsbegründenden Dokumente wie die regelmäßige Fortschreibung zum Munitionsbedarf Streitkräfte, werden jetzt mit einer ministeriellen Vorlage direkt zum haushaltbegründenden Dokument erhoben.
Dies erspart viele Arbeitsschritte der Vergangenheit. Sofern finale Finanzierungszusagen noch nicht vorliegen, kann die Möglichkeit genutzt werden, trotzdem zum Angebot aufzufordern. Abgesichert wird dies durch entsprechende Ausschreibungsklauseln.
Ein weiteres wichtiges Element der Projektarbeit ist das Forderungscontrolling. Es werden komplexe, kostenintensive Entwicklungen vermieden und sich auf rasch marktverfügbare Lösungen fokussiert. Ein Beispiel dafür ist das System Weltraumüberwachung, wo auf eine frühere Verfügbarkeit durch bewussten Verzicht auf eine Leistungssteigerung verzichtet wurde.
Zeit ist der bestimmende Faktor. Sofern der Bedarf es erfordert, führt dies auch zu konkreten Produktvorgaben wie bei dem Kampfflugzeug F-35 und dem bodengebundenen Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM.
Forderungscontrolling ist ein scharfes Schwert und ein zentraler Baustein für schnelle Verfügbarkeit in der Truppe. Selbstverständlich sind Entwicklungen auch weiterhin möglich und notwendig. Und zwar überall dort, wo eine Wirküberlegenheit gegenüber einem potenziellen Gegner essenziell ist. Entsprechende Forderungen ergeben sich aus der Bewertung der benötigten Fähigkeiten im Planungsprozess.
Rechtliche Handlungsspielräume
Unter Anwendung des Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes (BwBBG) wurden rund ein Viertel der verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Aufträge als Gesamtvergaben vorgenommen und so wo möglich von losweiser Vergabe abgesehen. Dies reduziert den Aufwand signifikant und beschleunigt die Vergabe.
Das Vergabeverfahren für das Weltraumüberwachungsradar Bundeswehr steht exemplarisch für die ergriffenen Beschleunigungsmaßnahmen. Zum einen konnte hier die Klarstellung gem. BwBBG für die Entscheidung über die Vergabeart zur Anwendung gebracht werden. Demnach sind Beschaffungen vom Vergaberecht ausgenommen, wenn diese den Zwecken des militärischen Nachrichtenwesens dienen.
Zum anderen ist dieses Vorhaben ein Beispiel für die Zweckmäßigkeit, gleich bei der Grundbeschaffung eines Systems künftige Bedarfe mitzudenken. Die vereinbarte vertragliche Option ermöglichte es, ein weiteres baugleiches Radarsystem zu beschaffen. Dies erspart die Durchführung eines erneuten Vergabeverfahrens und bedeutet schätzungsweise eine Zeitersparnis von rund 3 Jahren.
Eine andere Verbesserung wird durch die Anhebung der Wertgrenze nach § 14 Unterschwellenvergabeordnung auf 5.000 Euro erreicht. Sie ermöglicht es der Bundeswehr, jährlich rund 60.000 Verträge mittels Direktvergabe zu schließen. Dadurch entfallen sieben Prozessschritte und das damit befasste Personal kann die eingesparte Zeit für andere wichtige bzw. dringliche Beschaffungen einsetzen.
Zugunsten von Geschwindigkeit wird auch die Qualitätssicherung von Verträgen, die nicht dem Parlament vorgelegt werden – z. B. für die Materialerhaltung – im Rahmen einer Risikoabwägung auf ein noch angemessenes Prüf- und Dokumentationsniveau begrenzt.
Das BAAINBw hat die neuen Schwerpunkte verinnerlicht und das Material kommt auch bei der Truppe an. Hier einige Beispiele:
- In der Dimension Luft werden im Zeitraum 2021 bis 2024 zwölf A400M ausgeliefert.
- In der Dimension Land werden im Zeitraum 2022 bis 2024 ca. 1600 Lenkflugkörper MELLS zur Bekämpfung von Zielen am Boden wie Kampfpanzern oder Stellungen an die Bundeswehr übergeben.
- In der Dimension See wurde jährlich eine Fregatte und im Zeitraum 2020 bis 2023 wurden 16 Mehrzweckhubschrauber NH 90 SEA LION ausgeliefert. Im Bereich Führungsfähigkeit werden bis Ende 2024 40 Bodenstationen für die Satellitenkommunikation die Fähigkeiten erweitern.
Schlüssel zum Erfolg sind u. a. die Bereitschaft aller beteiligten Personen bewusst Risiken einzugehen, auf Goldrandlösungen zu verzichten sowie die Bereitschaft, Beauftragungen ggf. auch häufiger vor der Vergabekammer durchzusetzen.
Autorenteam Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr
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