RüstungNutzung

Die Weiterentwicklung von Unmanned Aircraft Systems (UAS) für mittlere und große Reichweiten

Die Vorzüge der Aufklärung von oben herab sind bereits in der Bibel bei Moses, Buch der Numeri (13,17 ff.) beschrieben: „ … als Mose Josua und seine Späher ausschickte, um Kanaan erkunden zu lassen, sagte er zu ihnen: Zieht von hier durch den Negeb, und steigt hinauf ins Gebirge! Seht, wie das Land beschaffen ist …“. Kombiniert man nun diese (Auf)Forderung als (Flug-)Höhe mit Mobilität in der Luft und am Boden, Geschwindigkeit und Reichweite, ohne die (fliegenden) Späher exponieren zu müssen, hat man ein nahezu ideales Aufklärungsmittel. In der heutigen Zeit gibt es eben dieses Aufklärungsmittel als UAS. Nicht umsonst haben diese daher in letzter Zeit rasant an Bedeutung gewonnen und in der technischen Ausprägung eine große Vielfalt erfahren.

Das unbemannte Fluggerät LUNA kurz vor dem Start vor dem Camp Castor im Rahmen der Mission MINUSMA in Mali.
Foto: Bundeswehr/Marc Tessensohn

Zur Abgrenzung der Thematik ein paar Begrifflichkeiten und Aussagen zum Grundverständnis:

UNMANNED AIRCRAFT SYSTEM (UAS)

Synonym: Remotely Piloted Aircraft System (RPAS)bestehend aus:

  • Luftsegment (unbemanntes Luftfahrzeug) und
  • Bodensegment (incl. Teileinheiten für taktische Führung/Bodenkontrollstation-/Antenne-/Start-Lande/Transport, Instandsetzung, Luftfahrtechnische Prüfung)

UNMANNED AIRCRAFT (UA)

Synonym: unbemanntes Luftfahrzeug (ULfz)/Unmanned Aerial Vehicle (UAV)

 

Während „Drohnen“ (im eigentlichen Sinne: männliche Bienen) nur das unbemannte Luftfahrzeug erfassen, entsteht innerhalb des Gesamtsystems AUS in der Bodenkontrollstation (BKS) der eigentliche Nutzen: die Luftbildauswertung. Das heißt, die Auswertung und Aufbereitung der Nutzlast- bzw. Sensordaten. Die Reichweitenangaben „mittel“ und „groß“ sind zwar nicht exakt definiert, leiten sich im Wesentlichen aus der Bedrohung durch gegnerische Artilleriesysteme ab bzw. des Verantwortungsbereiches der zugeordneten Führungsebene. Als groß sind heute ca. 300 km zu verstehen, die mittlere Reichweite reicht bis etwa 150 km. Die Aufklärung mit UAS dient auftragsbezogen der Erzeugung von Imagery Intelligence (IMINT) und der Zielortung (engl. Target Acquisition (TA)). Die Weiterentwicklung von UAS umfasst die Kategorien Konzeption, Organisation, Ausbildung und die materielle Ausstattung.

Der Einsatz von UAS hat insbesondere im Verlauf der letzten kriegerischen Konflikte und bei der Auswertung großes Interesse hervorgerufen. Dabei ist das Verständnis von UAS in seiner Gesamtheit wichtig. Das System wird gebildet aus dem unbemannten Luftfahrzeug (engl. Unmanned Aircraft (UA)) mit seiner Sensorik und der gesamten Bodenorganisation mit Personal und Material. Im Deutschen Heer wird daher auch von Zugsystemen gesprochen. Das Fliegen ist dabei immer verbunden mit dem „Wofür“, sprich die Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung und insbesondere für die Zielortung. Letztere ist Voraussetzung, um entsprechend präzise Zielkoordinaten für eine Bekämpfung durch Wirkmittel im Rahmen der Streitkräftegemeinsamen Taktischen Feuerunterstützung (engl. Joint Fire Support) zu ermitteln. Jedes Ziel, das gemeldet und bekämpft wird, ist auch ein Beitrag zur Lagefeststellung.

Die Unterscheidung der vorgenannten drei Aufklärungsarten ergibt sich aus dem Bezug von Raum und Zeit des primären Informationsbedarfsträgers. Dies sind einerseits das Militärische Nachrichtenwesen und andererseits die Operationsführung. Bindeglied ist dabei die Operationsplanung, in die die Aufklärungsergebnisse einfließen müssen. Konsequenterweise sind UAS für mittlere Reichweiten sowohl in der Heeresaufklärungstruppe als auch der Artillerietruppe vorhanden. Aufgrund des Planungsprozesses werden die UAS der Heeresaufklärungstruppe im Vergleich zur Artillerietruppe zeitlich voraus und häufig in anderen Räumen eingesetzt. In einem komplexen Planungs- und Koordinationsprozess, unter Berücksichtigung der Operationsarten, ergeben sich die jeweiligen Unterschiede bzw. Notwendigkeiten der Ausbringung und des Einsatzes. Das Ergebnis der Planung sieht daher in der Defensive anders aus, als in der Offensive.

Unmanned Aircraft System LUNA vor dem Start.
Foto: Bundeswehr/Unkel

Im Rahmen der Weiterentwicklung der Heeresaufklärungstruppe und Artillerietruppe wird darauf geachtet, dass bei gemeinsamer Nutzung eines UAS-Typs nur ein Rüststand beschafft wird. So lassen sich Synergieeffekte im Bereich des Personals, der Logistik und der Ausbildung generieren. Standardisierte Verfahren sichern den Beitrag zu den Prozessen Joint Intelligence Surveillance and Reconnaissance (JISR) und Joint Fire Support (JFS), wobei es jeweils primäre Rollenzuweisungen für die UAS-Züge der Heeresaufklärungstruppe bzw. Artillerietruppe gibt. Zur permanenten Auftragserfüllung verfügt ein Zugsystem, als taktische Komponenten, über sogenannte UAS-Fluggruppen.

Die Instandsetzung ist ebenfalls integraler Bestandteil des Gesamtsystems. Innerhalb der militärischen Organisationsstruktur müssen darüber hinaus die Belange der Luftraumkoordination und Flugsicherheit, bzw. die Unterstützung hierfür auf allen Ebenen Berücksichtigung finden. Eine UAS-Fluggruppe verfügt über folgende Teileinheiten und Funktionen: die BKS, einer Datenübertragungseinheit zwischen BKS und dem UA sowie den Elementen für die Durchführung von Starts und Landungen. Hinzu kommen der Transport von gelandeten Luftfahrzeugen und die Zuführung von wieder aufgerüsteten und luftfahrttechnisch überprüften UA an den Startplatz. Die BKS bildet dabei das zentrale Bindeglied. Hier erfolgt von einzelnen Arbeitsplätzen aus: der taktische Einsatz, die Steuerung des UA, die Bedienung der Sensorik und die sensornahe Luftbildauswertung.

Die vertiefende Luftbildauswertung und das Zusammenstellen von „Target Packages“ in Vorbereitung eines Aufklärungsauftrages erfolgt auf der Bataillonsebene. Hierfür ist die Teileinheit UAS-Einsatzplanung und Auswertung verantwortlich, die bei Bedarf durch spezifisches Personal aus einem UAS-Zug unterstützt werden kann. An der Bestimmung eines Zieles zur Bekämpfung sind daher in der Regel drei Personen beteiligt. Die Entscheidung zur Bekämpfung eines aufgeklärten Zieles erfolgt nach den standardisierten Verfahren auf den nächsthöheren Stabsebenen. Die entsprechende IT- und Kommunikationsunterstützung der Führungsinformations- bzw. Waffeneinsatzsysteme rsp. Applikationen ermöglichen kurze Reaktionszeiten. Der Mensch als Entscheidungsträger steht dabei immer „inside oder on top of the loop“. Dies ist bereits jetzt so für den Bereich JFS, insbesondere bei der unmittelbar verfügbaren Feuerunterstützung durch die Artillerie. Ein bewaffnetes UA als Teil des UAS verkürzte lediglich die Zeit bis das Feuer im Ziel ist, erhöht die Präzision und gibt bis zum letzten Moment eine Eingriffsmöglichkeit.

Unmanned Aircraft System HUSAR während der Erprobung.
Foto: Bundeswehr/Siefken

Während das UAS „Kleinfluggerät Zielortung“ (KZO) durch das UAS „Hocheffizientes Unbemanntes luftgestütztes System zur Aufklärung mittlere Reichweite“ (HUSAR) in den nächsten Jahren abgelöst werden soll, ist die Nachfolge des UAS „Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungsausstattung“ (LUNA) in Teilen noch offen. Hier sollen die Ereignisse und Erkenntnisse der „Zeitenwende“ Berücksichtigung finden. Zudem wirken sich wahrscheinlich die (Um-)Planungen für eine neue Struktur im Heer aus. Bis zur Ablösung soll durch eine Reihe von Einzelmaßnahmen die Verfügbarkeit des UAS LUNA verbessert werden. Dabei wird die Funktionalität und Mobilität der BKS auf Basis von querschnittlichen Containern und Lastkraftwagen sichergestellt.

Das Projekt UAS HUSAR unterlag in der Vergangenheit einigen widrigen Bedingungen, die den Abschluss der Entwicklung verzögern. Gleichzeitig wurde die entstandene Pause genutzt, um erste Erkenntnisse aus den Probeflügen in die Weiterentwicklung einzubringen. Neben dem unbemannten Luftfahrzeug werden auch hier die Bodensegmente konstruktiv und funktional überdacht mit dem Ziel, Abläufe beim Transport, der Verladung und dem Start zu optimieren, um so Verbesserungen in Richtung von Eigenschaften für die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zu erreichen. Ursprünglich war der HUSAR rein auf das Internationale Krisenmanagement (IKM) ausgerichtet. Es deckt damit eine Säule der Forderungen des Weißbuchs von 2016 für die Ausrichtung der Streitkräfte ab.

Für spezielle Aufgaben und Regionen sind die Weichen für ein UAS, das luftverladbar sein soll, gestellt. Die Mobilität der UAS-Komponenten wird dabei jeweils durch die zukünftigen Querschnittsfahrzeuge für Luftlandeoperationen bzw. Überschnee- und Gebirgseinsätze gewährleistet. Beim unbemannten Luftfahrzeug soll das auch für andere Bereiche des Heeres vorgesehene UAS „Ferngeführtes Aufklärungssystem Luftgestützt kurze Entfernung“ (FALKE) zum Einsatz kommen. Eine Besonderheit wird die modulare Komposition mit aufwachsenden Fähigkeiten bezüglich Flugreichweite, Flugzeiten und logistischer Reichweite bilden. Auch hier bildet die Fähigkeit zur Luftbildauswertung, in personeller und technischer Hinsicht, das „Salz in der Suppe“.

Bodenkontrollstation LUNA.
Foto: Bundeswehr/Schierl

Die Herausforderungen in der Zukunft liegen für UAS, insbesondere bei mittlerer und großer Reichweite, in der Fähigkeit des Eindringens und der Rückkehr in einen durch gegnerische Flug- und Fliegerabwehr sowie Counter-UAS-Kräfte geschützten Luftraum. Hinzu kommen auf der Gegenseite noch Kräfte des elektromagnetischen Kampfes und der sonstigen Luftverteidigung. Hierbei ist von einem ebenen- und teilstreikraftübergreifenden Luftverteidigungssystem auszugehen, das (Groß-)Verbände, Gefechtsstände und Einrichtungen umfänglich und in allen Höhenbändern schützen kann. Weiterhin muss das UAS über Eigenschaften verfügen, die es ermöglichen, in dieser umkämpften Umgebung (contested environment) den Aufklärungsauftrag unerkannt zu erfüllen. Diese Intrusionsfähigkeit zur Auftragserfüllung erfordert zum Schutz des UAS vielfältige aktive und passive Maßnahmen. In einem ganzheitlichen Ansatz sind die Flugzelle, die Informations- und Kommunikationsverbindungen zwischen dem UA und der BKS ggf. auch zwischen mehreren UA, die Navigation sowie die Einbindung in den Informations- und Kommunikationsverbund zur Luftraumordnung und -koordination abzustimmen. Maßnahmen zur multispektralen Signaturreduzierung bekommen eine besondere Wichtigkeit. Diese verschiedenen Aspekte der Intrusionsfähigkeit werden zzt. in der Konzept- und Machbarkeitsbetrachtung im Rahmen einer nichttechnischen Studie erarbeitet.

Die Physik stellt für die Intrusionsfähigkeit eines UAS natürliche Herausforderungen. Taktische Forderungen und technische Möglichkeiten stehen in einem Spannungsverhältnis. In einer Art von „Quadraturen von Kreisen“ sind im Wesentlichen folgende Antagonismen aufzulösen: Nutzlast und Gewicht – Auftrieb und Flughöhe – Geschwindigkeit und Antrieb – Sensorik und Effektor – geophysikalische und meteorologische Bedingungen während des Auftrages und Flugdauer – Energieverbrauch und Energieart – Größe und Formgebung – Information und Kommunikation.

„Quadraturen der UAS-Physik“.
Grafik: Bundeswehr/Schierl

Alle diese Parameter stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. Die Forderung nach der Aufklärung und Bekämpfung moderner gegnerischer Artilleriesysteme mit Reichweiten von ca. 300 km und darüber, bevor diese zum Einsatz gekommen sind, ist schnell formuliert. Nur die Umsetzung hat unter den Rahmenbedingungen von Anti/Access-Area-Denial (A2/AD) eine zunehmende Komplexität. Wird nun noch das Navigation-War-Szenario, also dem Verhindern einer genauen Positionsbestimmung, ins Spiel gebracht, entsteht eine weitere Steigerung. Auch die Schlagworte Übersättigung und Schwarmkonzepte sind bei diesen Weiten und den geforderten Informations- und Aufklärungsbedarfen per se keine Lösung. Ein kleines UAS bedeutet wenig Energie, die mitgeführt werden kann und damit auch eine geringe Reichweite. Kleine UAS, in geringer Anzahl als Subsysteme, führen zu einem „größeren Mutterschiff“ mit nur begrenzten Möglichkeiten, kritische Ziele anzufliegen. Da die Wiederaufnahme der UA den Einsatz weiter komplizieren würde, sind die Sub-UAS nur als „Einweg-Lösung“ zu denken.

Gleichzeitig soll aber auch die Bodenorganisation möglichst klein und unauffällig sein. Auflockerung und dezentrale Strukturen sind dabei ein Ansatz. Durch die Trennung von Funktionalität und Mobilität sowie gleichzeitig die Nutzung von standardisierten Schnittstellen entstehen fast zwangsläufig baulich größere Fahrzeuge. Kleine kompakte Elemente sind meist „verschachtelt“ und bedingen Speziallösungen, die bei einer langfristigen Nutzung der Systeme logistische Probleme aufwerfen.

Mit Blick auf das Jahr 2035 werden noch weitere Themen auf der Road-Map zur Weiter­entwicklung von UAS betrachtet. So wird unter anderem die automatisierte Integration in den Luftraum ein wichtiger Punkt sein. Künstliche Intelligenz in Assistenzsystemen dient der Unterstützung bei der Luftbildauswertung. Nutzlasten werden als Multisensorik eingesetzt und die Fusion dieser Ergebnisse wird im Wettlauf „gegen Tarnmaßnahmen und Stealth-Eigenschaften“ stehen.

Umfangreiche Auflagen für den realen Flugbetrieb und fehlende Großverbandsübungen mit Zielobjekten in der Fläche sind derzeit ein Hemmschuh für eine einsatznahe Ausbildung. Ausbildung und Übung erfordern daher komplexere Simulationssysteme, als sie bereits derzeit für das Fliegen in der Nutzung sind. So müssen das Fliegen und die Luftbildauswertung in taktischen Lagen das Üben des Gesamtprozesses eines UAS-Einsatzes für die Aufklärungs- und Wirkungsprozesse ermöglichen.

Bodenkontrollstation HUSAR während der Erprobung.
Foto: Bundeswehr/Schierl

Insgesamt besteht für die Weiterentwicklung ein großes Spannungsfeld zwischen Sollen – Können – Effektivität und Effizienz. Relativ kleine Lose bei der Beschaffung und Nutzung bringen weitere Hürden. Letztendlich sind auch die Kosten und Aufwendungen des Heeres für eine Teilfähigkeit jeweils innerhalb zweier Truppengattungen zu bedenken. Das Erzielen eines Mehrgewinns im Verbund mit und auch gegenüber anderen Aufklärungsträgern ist ein stetes Ziel der Weiterentwicklung von UAS mittlerer und großer Reichweite.

Mit dem Ziel der Teilhabe an größeren Losen hat sich das Heer seit kurzem bei einem zukünftigen Vorhaben auf europäischer Ebene beteiligt. Das „Next Generation Small RPAS“ (NGSR; RemotelyPiloted Aircraft System) ist ein am Anfang stehendes Projekt der Permanent Structured Cooperation (PESCO) der Europäischen Union. Die derzeitigen Projekt-Mitglieder sind: Spanien als Federführer, Portugal, Rumänien, Slowenien und Deutschland; als Beobachter nehmen teil: Österreich, Frankreich, Griechenland, Niederlande und Slowakei. Nun gilt es neben deutschen Erfahrungen aus laufenden Projekten die konzeptionellen Vorstellungen und Studienergebnisse in die Weiterentwicklung einzubringen.

 

 

Oberstleutnant Hermann Schierl, Teamleiter UAS/IMINT & Radar, Amt für Heeresentwicklung

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige

Verwendete Schlagwörter

DrohnenMINUSMAWeiterentwicklung