Wechsel von der P-3C Orion zur P-8A Poseidon

Vergangene Woche erhielt Portugal den ersten deutschen Seefernaufklärer P-3C Orion. Es ist der Beginn eines Wechsels, an dessen Ende die Deutsche Marine mit den modernsten Seefernaufklärern ausgestattet sein wird, die es derzeit weltweit zu kaufen gibt: die P-8A Poseidon.
Der nächste Seefernaufklärer der Deutschen Marine: die P-8A Poseidon.
Der nächste Seefernaufklärer der Deutschen Marine: die P-8A Poseidon.
Bild: Boeing

Aktuell verfügt die Deutsche Marine – nach dem Weggang der ersten Orion – noch über sieben alte Seefernaufklärer, deren Produktionszeit zwischen 1961 und 1990 lag. Das Alter der Maschinen sorgte für ständige Ausfälle und machte die Wartung langwierig und teuer. So kam es, dass zu Beginn des Ukraine-Kriegs nur ein einziger Seefernaufklärer tatsächlich einsatzbereit war. Und dieser musste in eine NATO-Verpflichtung nach Italien. Deutschland war blind.

Die Beschaffung von fünf P-8A Poseidon als Nachfolger der P-3C Orion für rund 1,1 Milliarden Euro billigte der Haushaltsausschuss bereits im Juni 2021. Offiziell nur als Interimslösung, weil ein deutsch-französisches Entwicklungsprojekt namens Maritime Airborne Warfare System (MAWS) zu den nächsten Seefernaufklärern führen sollte. MAWS begann 2017, der ersten fertigen Seefernaufklärer sollten ab 2035 die Truppen erreichen. Ein Fortschritt war allerdings zum Zeitpunkt, als Deutschland sich für die Poseidon entschied, nicht wirklich sichtbar.

Die deutsche Entscheidung führte wiederum dazu, dass Frankreich Anfang 2023 ebenfalls einen Alleingang wählte und zwei Studien vergab. Airbus soll die Eignung des A320neo und Dassault die des Falcon 10X als mögliche Seefernaufklärer prüfen. Mitte dieses Jahres werden die Ergebnisse erwartet, dann könnte auch in Frankreich eine Entscheidung abseits von MAWS fallen.

Am 21. November 2023 bestellte Deutschland im Rahmen eines Ergänzungsvertrags drei weitere P-8A Poseidon, wodurch die Deutsche Marine nun tatsächlich dieselbe Anzahl an Poseidon erhält, wie sie vorher über Orion verfügte. Wobei die neuen Flugzeuge eine ganz neue Generation – die neueste – an Seefernaufklärern darstellen. Es ist also kein Eins-zu-Eins-Ersatz, sondern ein enormer Fähigkeitsaufwuchs.

Neue Fähigkeit MUM-T

Neue Sensorik, bessere Flugeigenschaften, diese und viele Verbesserungen mehr besitzen die P-8A. Doch sie bringen auch vollkommen neue Fähigkeiten in die Marine, wie etwa Manned-Unmanned Teaming (MUM-T). So meldete etwa General Atomics im Oktober 2021 bezüglich ihrer Drohne MQ-9B Sea Guardian: „Während der Übung Joint Warrior fand eine Demonstration von Manned-Unmanned Teaming statt, bei welcher der SeaGuardian und eine P-8 der Royal Air Force zum Einsatz kamen. Dabei wurde gezeigt, dass der SeaGuardian die Aufgaben der U-Jagd ergänzen und unterstützen kann, einschließlich der Verfolgung, Überwachung und Meldung von Sonobojen.“

Deutschland plant, in diesem Jahr ebenfalls eine solche Testkampagne durchzuführen. Die Deutsche Marine werde „die Gelegenheit bekommen, mehrere Monate die MQ-9 SeaGuardian als Einstieg in das Manned-Unmanned Teaming mit der P-8A Poseidon zu testen“, sagte der Inspekteur Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, Anfang Januar bei der Historisch-Taktischen Tagung (HiTaTa).

„Wir betrachten die einzelnen Boote und Schiffe nicht mehr isoliert, sondern immer auch mit dem Thema bemannte und bemannte Systeme“, sagte auch Konteradmiral Christoph Müller-Meinhard im November beim Webtalk des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). „Also wenn wir z.B. an eine P-8 – die wir unter Vertrag haben – denken, dann wird eine P-8A Poseidon zukünftig mit einem unbemannten System zusammen operieren.“

Mit der Poseidon erhält die Deutsche Marine also einen normen Fähigkeitsaufwuchs und kann die ersten Schritte im Bereich der Integration von und Zusammenarbeit mit Drohnen gehen. Dass dies bereits jetzt geschieht und nicht erst, wenn die ersten neuen Seefernaufklärer im Frühjahr 2025 am Standort Nordholz in Niedersachsen eintreffen, ist dem aktiven Engagement der USA zu verdanken. Amerikanische P-8 Geschwader besuchen bereits deutsche Stützpunkte für Übungen, Ausbildung und Interoperabilitätstraining.

Predictive Maintenance und das neue Support Center

Eine weitere Besonderheit der neuen Seefernaufklärer ist die Fähigkeit zu Predictive Maintenance, also der Vorhersage von anfallenden Reparaturen. Der Hersteller Boeing hat hierfür an den wichtigsten Stellen Sensoren installiert, deren Daten mittels Künstlicher Intelligenz zu verlässlichen Aussagen über die weitere Nutzbarkeit der einzelnen Komponenten führen. Boeing kann hierfür auch auf die Erfahrungen aus der zivilen Flotte zurückgreifen, schließlich basiert die Poseidon auf der Boeing 737-800, von der etwa 5.000 Maschinen aktuell um die Welt fliegen.

Die Wartung der neuen Seefernaufklärer findet in Deutschland am zukünftigen Standort der Maschinen in Nordholz statt. Der erste Spatenstich für das P-8A Poseidon Aviation Support Center erfolgte im November 2023, nachdem Boeing einen Zwei-Jahres-Vertrag für die Instandhaltung der künftigen Poseidon-Flotte der Deutschen Marine erhalten hatte. Der Vertrag beinhaltet die Bereitstellung von Boeings Software GOLDesp, Technologie-Hosting-Services sowie die Konzeption für die logistischen Abläufe und das Lieferkettenmanagement der Poseidon.

„Wir arbeiten mit den deutschen Zulieferern ESG und INTEC zusammen, um diese grundlegenden Instandhaltungsleistungen für die deutsche P-8A Poseidon zu erbringen“, sagte Stephen Schmidt, P-8A International Sustainment Senior Program Manager bei Boeing. „Die Verbindung mit der deutschen Industrie und ihrer einzigartigen Fähigkeiten wird es Boeing ermöglichen, unsere Verpflichtungen zu erfüllen und letztendlich eine sichere und erfolgreiche Inbetriebnahme zu gewährleisten.“

Übergabe der Orion an Portugal

Gleichzeitig steht nun allerdings die Übergabe von sechs der ursprünglich acht P-3C Orion an Portugal an. Die Wartung lohnt sich nicht mehr, wenn sie überhaupt noch möglich ist. In welch schlechtem Zustand sich die deutschen Seefernaufklärer mittlerweile befinden, beschreibt der Kommandeur Marineflieger, Kapitän zur See Broder Nielsen, anlässlich der Übergabe der ersten Maschine: „Bereits seit November letzten Jahres arbeiten portugiesische Flugzeugtechniker auf dem Marinefliegerstützpunkt in Nordholz und versetzen den ausgesonderten Seefernaufklärer in einen ausreichend guten technischen Zustand, um ihn zur Industrieinstandsetzung nach Portugal fliegen zu können. Im Rahmen eines so genannten „Whole Package Deals“ hat Portugal sechs Flugzeuge, Simulatoren, Bodendienstgeräte sowie Ersatzteile von Deutschland gekauft.“

Was mit den beiden weiteren Maschinen geschieht, ist aktuell noch nicht bekannt. Die Deutsche Marine wird sie zumindest nicht weiter nutzen. Kapitän zur See Nielsen betont: „Die Übergabe erfolgt im Rahmen der Ausmusterung der P-3C Orion. Das Marinefliegergeschwader 3 „Graf Zeppelin“ wird den taktischen Einsatzflugbetrieb mit den verbleibenden Luftfahrzeugen bis Ende 2025 aufrechterhalten. Danach endet eine fast zwanzigjährige Ära für die P-3C in Deutschland.“

Dorothee Frank

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