Die Zukunft der wehrtechnischen Forschung

Rund 300 Gäste kamen zum Technologieforum des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE, das alle zwei Jahre am Standort Wachtberg stattfindet. Hier zeigten die Forscher und Wissenschaftler ihre neuesten Entwicklungen für die Bundeswehr. cpm Defence Network sprach mit dem Leiter des FKIE, Prof. Dr. Peter Martini, über die aktuellen Trends. Das Interview führte Dorothee Frank.

Prof. Dr. Peter Martini, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE, sieht bei der Förderung der wehrwissenschaftlichen Forschung „dringlichen Handlungsbedarf, um Deutschland weiterhin an der Spitze des Fortschritts zu halten“.
Prof. Dr. Peter Martini, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE, sieht bei der Förderung der wehrwissenschaftlichen Forschung „dringlichen Handlungsbedarf, um Deutschland weiterhin an der Spitze des Fortschritts zu halten“.
Foto: Stefan Uj/ Bundeswehr
Was ist das Ziel des Technologieforums?

Wir wollen vor allem verbinden. In diesem Jahr konnten wir wieder sehr viele hochrangige Gäste besonders aus der Bundeswehr begrüßen. Die Stellvertretenden Inspekteure der Teilstreitkräfte trafen sich im Vorfeld zu ihrer Digitalisierungsrunde, auch in dieses Format konnten wir uns einbringen und Impulse setzen.

Die Gespräche hier beim Forum sind für alle Seiten sehr wertvoll. Es ist ein intensiver und fairer Austausch und ich bin sehr beruhigt, wenn ich sehe, in welcher Offenheit und Tiefe miteinander gesprochen wird. Man redet ganz offen über die jeweiligen Sorgen und Nöte – dies natürlich im nicht-öffentlichen Teil des Forums.

Wobei allen Betroffenen klar ist, wir stehen wirklich gerade erst am Anfang dessen, was Digitalisierung bedeutet. Wir erfahren jetzt erst, was das alles bei uns verändern wird. Genau diesen Wandel müssen wir jetzt gemeinsam gestalten.

Wie kann sich das FKIE in diesen Wandel einbringen?

Ich sehe das FKIE als zentrale Stelle für die Digitalisierung von Verteidigung und Sicherheit. Aber wir sind die Techniker und brauchen Ansprechpartner, dafür haben wir Kooperationsvereinbarungen mit fast allen Teilstreitkräften.

Wir brauchen schließlich die richtigen Soldatinnen und Soldaten, mit denen wir uns austauschen können, austauschen dürfen. Mit denen wir gemeinsam erarbeiten, wie sollte, wie muss das alles in Zukunft gestaltet werden, damit es eine menschengerechte Digitalisierung ist. Eine Digitalisierung, die Chancen und Möglichkeiten aufgreift, und nicht nur die Tradition abbildet. Aber eine Digitalisierung, die auch fördert, was sich in der Praxis bewährt. Damit die Menschen nicht plötzlich einfach IT-Systeme dahingestellt bekommen, mit denen sie nichts anfangen können.

Natürlich wird es bei Neuerungen immer Proteste geben, immer Anpassungsschwierigkeiten. Gerade deshalb ist es so immens wichtig, die realen Bedarfe zu erfahren. Dann kann man die Menschen mitnehmen und die Bundeswehr, aber auch die Polizei weiter gestalten.

Genau dies ist die zentrale Aufgabe unseres Instituts. Und ich bin froh, dass wir hierfür so viele Kooperationsvereinbarungen schließen konnten. Besonders die Kooperationsvereinbarungen mit den Teilstreitkräften der Bundeswehr bedeuten sehr viel. Das sind keine Papiertiger, sondern gelebte Realitäten.

Ich habe aktuell allerdings das Gefühl, dass mehr auf marktverfügbare Lösungen gesetzt wird und die Forschung dadurch weniger Beachtung findet und vor allem weniger Haushaltsmittel erhält. Trügt mein Eindruck?

Ich sehe ebenfalls diese Tendenzen und es stimmt mich natürlich sehr besorgt, dass es – so die aktuellen Planungen – in der weiteren Zeitlinie zu einem gravierenden Einbruch in den F&T-Mitteln kommen wird. Dabei brauchen Forschung und Technologie, wenn es funktionieren soll, eine kontinuierliche Finanzierung. Wenn ich diese Finanzierung nur zwei, drei Jahre auslasse, dann sind die kompetenten Leute nicht mehr da. Ich kann dann nicht einfach wieder am Stand von vor den Kürzungen aufsetzen.

Das am 4. September 2024 an die Bundeswehr übergebene Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM ist ein Paradebeispiel dafür, wie viel durch einen gezielten Einsatz von Forschungsmitteln in Deutschland erreicht werden kann.
Das am 4. September 2024 an die Bundeswehr übergebene Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM ist ein Paradebeispiel dafür, wie viel durch einen gezielten Einsatz von Forschungsmitteln in Deutschland erreicht werden kann.
Foto: Diehl Defence

Natürlich müssen wir jetzt marktverfügbare Lösungen in den Einsatz bringen. Bei der richtigen Auswahl hilft die bewusst recht breit angelegte Analyse- und Bewertungsfähigkeit, die wir als FKIE und einige weitere Institute im Fraunhofer-Leistungsbereich Verteidigung, Vorbeugung und Sicherheit, VVS, im Rahmen unserer Grundfinanzierung aufbauen und weiterentwickeln.

Diese Expertise wird nicht nur benötigt, wenn die deutsche Rüstungsindustrie Projekte realisiert, sondern erst recht dann, wenn Systeme im Ausland gekauft werden. Damit wir die richtigen Fragen stellen können. Damit wir dem Hersteller sagen können, wo seine Hochglanzprospektversprechen nicht mit den physikalischen Möglichkeiten übereinstimmen.

Sie sind aber auch an der Entwicklung neuer Technologien beteiligt?

Das ist sogar eine zentrale Rolle des FKIE und vor allem hier bin ich aktuell sehr besorgt, was die Finanzierung unserer langfristig angelegten Aktivitäten betrifft. Dabei haben wir in Deutschland große Erfolge vorzuweisen.

Nehmen wir das Luftverteidigungssystem IRIS-T SL, das seit dem Erfolg im Ukraine-Krieg in aller Munde ist. Dieses ist ein Paradebeispiel dafür, was F&T-Förderung leisten kann. IRIS-T SL ist das Ergebnis von F&T-Mitteln, von deutscher Forschungsförderung. Und nun ist es in seiner Leistung einzigartig in der Welt. Doch auch hierfür wurde langfristig geforscht, solche Technologien brauchen Jahre, bis sie einsatzbereit sind.

Und wenn ich jetzt immer wieder höre, wir in Deutschland liegen zurück und kriegen bei den neuen Technologien eh nichts gebacken, dann ist das Quatsch! Wir können sehr viel, das Wissen ist vorhanden. Wir müssen uns nur ordentlich aufstellen. Wir müssen uns ordentlich organisieren. Wir müssen die Forscher, die Wirtschaft, die Ministerien, die Ämter und alle weiteren Akteure zusammenbringen.

Es fehlt also an F&T-Mitteln?

In der Zukunft laufen wir auf eine große Finanzierungslücke bei Forschung und Technologie zu. Aktuell haben wir aber ein weiteres Problem: Die Verträge kommen nicht zustande. Die F&T-Mittel stehen bereit, aber es fehlt an den Vertragsjuristen, um diese Mittel und Projekte zur Unterzeichnung zu bringen.

Ich könnte Ihnen eine lange Liste geben mit Projekten, bei denen dringender Bedarf besteht, und die dennoch nicht unter Vertrag gehen. Bei den vielen Milliardenprojekten der Rüstungsindustrie ist für die Millionenprojekte der Forschung keine Zeit mehr, auch die Unterstützungsleistungen für die Ukraine binden die Vertragsjuristen in teils sehr kniffligen Fällen. Das tut einem als Wissenschaftler schon weh, wenn selbst wichtige Forschungsprojekte sterben, nur weil es an Vertragsjuristen fehlt. Vor allem, wenn die finanziellen Mittel schon bereit stehen.

Ich sehe also dringlichen Handlungsbedarf, um Deutschland weiterhin an der Spitze des Fortschritts zu halten. Denn dort sind wir, unsere Systeme sind weltweit anerkannt. Doch ohne konkrete Bemühungen und Förderung werden wir diesen Platz kaum halten können.

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