Seit Dezember wurden durch vier Kameraden der Prototyp eines neuen Kampfstiefels vom Experten für Alpin-, Sport- und Outdoor-Schuhe sowie Kampfstiefel, Lukas Meindl GmbH & Co. KG, getestet. Es handelte sich um einen inoffiziellen Test, keinen der Bundeswehr.
Beim Test ging es weniger um den Stiefel, als viel mehr um das neue Obermaterial EXTRAGUARD von W. L. Gore & Associates. Es soll eine Alternative zu Vollleder oder Leder-Textil-Mix sein. Gore verspricht viele Vorteile bei der Nutzung. Diese waren intensive und in unterschiedlichsten Tests und Missionen, klimatischen Regionen und dem Dienstalltag zu überprüfen.
Geringe Wasseraufnahme und schnelle Rücktrocknung
Ein wichtiger Aspekt bei heutigen Kampfstiefel ist die Gewichtsminimierung. Hier verspricht Gore eine Gewichtseinsparung von rund 40% beim Lederanteil (im trockenen Zustand). Also ab auf die Waage: Das EXTRAGUARD-Paar wiegt in der Größe EU 44,5 1.867 Gramm. Der dienstlich gelieferte Kampfstiefel schwer wiegt in der gleichen Größe 1.963 Gramm und „nur“ 100 Gramm mehr. Fairnesshalber muss aber angemerkt werden, dass der Vergleich mit dem Kampfstiefel schwer vielleicht auch ein wenig hinkt. Denn von der Haptik und Optik gleicht der EXTRAGUARD-Stiefel eher dem dienstlichen Bergstiefel, und hier wiegt das Paar 2.126 Gramm (+259 Gramm). Die Gewichtsangaben bei allen beziehen sich jeweils auf die Stiefel mit den gleichen orthopädischen Einlagen und können daher von den Herstellerangaben abweichen. Fast 300 Gramm weniger sind eine echte Ersparnis.
Leder wird bei Nässe zudem sehr schwer, EXTRAGUARD hingegen kaum. Das neue mehrschichtige Material nimmt kaum Wasser auf, da EXTRAGUARD ein Low-Water-Pick-Up besitzt. Die Nähte werden zudem von Außen extra abgedichtet/verklebt, um kein Wasser eindringen zu lassen und die Füße trocken zu halten. Die Rücktrocknungszeit der EXTRAGUARD-Kampfstiefel soll erheblich kürzer als bei Stiefeln aus konventionellen Obermaterialien (Leder, Textilien oder einer Kombination aus beidem). Feuchtigkeit von außen dringt maximal bis zur Konstruktionsinnenlage des EXTRAGUARD Obermaterials vor und wird von ihr abgehalten, so Gore. Dies minimiert die Gefahr eines Wärmeverlusts, sodass die Füße auch bei nass-kalten klimatischen Bedingungen trocken und warm bleiben.
Das Thema Wasseraufnahme wurde in nassen Wiesen, Schneefeldern und im Rahmen eines 4 km langen Gewässermarsches überprüft. Dabei wurde darauf geachtet, dass kein Wasser von oben in die Stiefel lief. Nach knapp einer Stunde im Wasser waren die Socken immer noch trocken. Daher wurden die Stiefel im Anschluss noch einmal für anderthalb Stunden in einen gefüllten Wasserbottich gestellt. Auch hier drang keine Feuchtigkeit durch das Außenmaterial ein. Es lässt sich festhalten, dass egal was probiert wurde, die Füße blieben immer trocken.
Zudem benötigt ein Lederstiefel eine intensive Reinigung und Pflege, soll das Material lange und zuverlässig seinen Dienst versehen. Gerade wenn die Stiefel häufig feucht und nass werden. EXTRAGUARD hingegen benötigt dieses nicht und kann sogar mit einem Dampfstrahler gereinigt werden, so Gore. Zudem ist es deutlich schneller trocknend. Das konnte in den Tests auch bestätigt werden. Pflege nicht notwendig, nur Wasser und ein Schwamm. Das Cremen entfällt, damit muss auch keine Creme mit auf Übung oder im Rucksack sein (Gewichtsreduzierung)
Weitere Vorteile: Ein Lederstiefel muss in der Regel intensiv eingelaufen werden. Bei EXTRAGUARD entfällt dieser Faktor. Lederstiefel weiten sich in der Regel enorm, wenn sie häufig und lange nass sind, EXTRAGUARD behält seine Formstabilität und Festigkeit. Daher verspricht Gore, dass sie von Anfang an bequem sind, nicht eingelaufen werden müssen und formstabil bleiben. Auch dieses lässt sich nach fünf Monaten Test bestätigen, kein Einlaufen notwendig, keine Blasen oder Blessuren, keine Veränderung am Stiefel nach Gebrauch.
Weder nasse noch kalte Füße
Bergtouren in den bayrischen Alpen. Auch hier bewies der Stiefel seine Wasserfestigkeit. Das Fazit eines Gebirgsjägers: „Die Verarbeitung des Stiefels ist hervorragend. Schwächen beim dienstlich gelieferten Bergstiefel der Bundeswehr sind zum Beispiel der Geröllschutz (die Gummi-Umrandung oberhalb der Sohle). Diese löst sich beim Einknicken des Stiefels regelmäßig ab. Beim Kampfstiefel schwer löst sich irgendwann am Polsterkragen eben jenes Polster auf, und der Schaumstoff kommt hervor. All diese Probleme zeichnen sich beim Teststiefel nicht ab.“.
Zudem sei der Stiefel sehr angenehm am Knöchel, angenehm weich und flexibel, der Fuß wird nicht eingeschnitten oder eingeklemmt. Gerade auf langen und schwierigen Bergtouren wichtig. Vor allem hält er trocken! Der Stiefel war von Anfang an sehr gut wasserabweisend, weder feuchte/nasse Wiesen noch der Schnee in den Bergen konnten ihm etwas anhaben. Im Rahmen der Tests wurden die Socken nicht nass, zumindest solange das Wasser nicht von oben in den Stiefel lief.
Ebenfalls positiv wurde das Fußklima im Stiefel bewertet, sowohl in den Bergen als auch im Dschungel. Schwitzen die Füße stark, kann das in kalten Regionen schnell gefährlich werden. Oder kühlen sie im Stehen schneller aus als das der Volllederstiefel tun würde? „Kalt waren die Füße nie, auch nicht beim längeren Übungsplatzaufenthalt. Es gab auch keine unangenehme Geruchsbildung. Die Einlegesohle ist hochwertig und nicht billig, wie bei dem ein oder anderem dienstlich gelieferten Modell,“ so der Gebirgsjäger.
Asien, heiß-feuchtes Klima, monsunartige Regenfälle bei 30 °C und mehr. Im Dschungel hingegen wurde mit warmen und heißen Füßen, gerade bei längeren Etappen, gerechnet. Im Gegenteil, das Fußklima beim EXTRAGUARD-Stiefel war gefühlt kühler und angenehmer als im Volllederstiefel. Die Füße wurden beim Gore-Material weniger heiß, zumindest war das der Eindruck des Nutzers. Und trotz der monsunartigen Regenschauern blieb auch hier der Stiefel innen trocken. Interessant ist, auf dem Obermaterial einen Lotus-Effekt zu beobachten. Die dicken Tropfen auf dem Spann des Schuhs perlen einfach ab und laufen seitlich am Stiefel runter.
Nachhaltigkeit
Durch seine Formstabilität, und nicht notwendige Pflege verspricht Gore eine höhere Nachhaltigkeit des Materials gegenüber Leder. In den Tests konnte kein gegenteiliges Argument gefunden werden. Aus eigener Erfahrung gibt es hier ein „Aber“. Gerade bei uns Infanteristen ist meist die Sohle schneller verbraucht und am Ende als das Obermaterial. Nach ein bis anderthalb Jahren ist diese abgenutzt. Bei den dienstlichen und vielen privat beschafften Stiefels ist eine Neubesohlung mit den Original-Außensohlen leider nicht mehr möglich.
Daher macht dieses nachhaltigere Obermaterial nur dann Sinn, wenn auch die Wiederbesohlung möglich ist. Hersteller Meindl sagt daher: „Alle Wander-, Trekking-, und Bergschuhe von Meindl sind wiederbesohlbar.“ Vielleicht muss hier auch ein Umdenken bei den anderen Schuhherstellern und den Beschaffern stattfinden. Kampfstiefel müssen wiederbesohlbar sein. Warum inkludiert der Rahmenvertrag neben der Beschaffung der Stiefel nicht auch die gleiche oder doppelte Anzahl an Neubesohlungen? Diese sind in der Regel günstiger als neue Stiefel, ein Einlaufen entfällt und der Nachhaltigkeitsaspekt wird gestärkt.
Laut Gore wird der Nachhaltigkeitsaspekt schon bei der Produktion berücksichtigt. So fällt weniger Verschnitt im Vergleich zum Leder an, da es sich um Rollenware handelt. Also gibt es weniger Materialausschuss. Auch soll bei der Herstellung 80 Prozent weniger Wasser verbraucht werden als bei der Herstellung – u. a. Gerbung – des Leders. Insgesamt soll so 60 Prozent weniger CO2 als bei der Lederherstellung generiert werden.
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