Human Performance Optimization – Exoskelette in der Logistik der Streitkräftebasis

Menschen waren schon immer bestrebt, die physische und psychische Leistungsfähigkeit, die Robustheit und die Durchhaltefähigkeit nachhaltig zu steigern. Dieses gilt sowohl im zivilen, als auch im militärischen Bereich. Heutzutage spricht man in diesem Kontext von Human Performance Optimization (HPO) und Human Performance Enhancement (HPE).

Soldat, entlastet durch den im Rahmen der F&T-Studie „ExoLog“ entwickelten Exoskelett-Demonstrator zur Unterstützung des unteren Rückens und der unteren Extremitäten, beim händischen Transport von Munitionskisten, welche zu Übungszwecken anstelle von Munition mit Sand befüllt waren.
Foto: Bundeswehr

Wo liegt hier die Abgrenzung?

HPO beinhaltet Maßnahmen, durch die die Leistungsfähigkeit von Personen bis zu deren individuell natürlichen Leistungsfähigkeit nachhaltig gesteigert werden kann und diese – trotz einwirkender Stressfaktoren – auf hohem Niveau erhalten bleiben kann. Hingegen umfasst HPE Maßnahmen, durch die die Leistungsfähigkeit von Personen über die Grenze der individuellen normalen Leistungsfähigkeit hinaus geht bzw. gehen kann.

Vom Leistungserhalt zur Leistungssteigerung

Technologien, an deren (Weiter-)Entwicklung primär im zivilen Sektor gearbeitet und geforscht wird, versprechen den Leistungserhalt und auch Leistungssteigerungen, entweder im Bereich der Perzeption, Kognition, Motorik oder einem Mix aus diesen Bereichen. Angesichts des demografischen Wandels ist es eine wesentliche Herausforderung, Personen möglichst lange und gesund im Arbeitsprozess zu halten. Dieses kann u.a. durch den zielgerichteten Einsatz von Exoskeletten unterstützt werden. Unter dem Begriff „Exoskelett“ wird im Allgemeinen ein am menschlichen Körper getragenes technisches System verstanden, welches das Muskel-Skelett-System des Menschen bei gewissen Tätigkeiten entlastend unterstützt oder/und die ergonomische Korrektheit der Ausführung von Tätigkeiten stabilisiert.

In Bereichen der zivilen Wirtschaft, z.B. in Teilen der produzierenden Industrie, im Versand und der Logistik, werden bereits bei Tätigkeiten in Zwangshaltungen – zum Beispiel lang andauerndes Sitzen und Stehen, gebücktes Arbeiten, Hocken und Arbeiten über Schulterniveau – partiell Exoskelette eingesetzt. Tendenz steigend. Basierend auf einer Analyse des jeweiligen Aufgaben- und Tätigkeitsbereiches sowie den ergonomischen Anforderungen und Rahmenbedingungen zeigt sich, dass Exoskelette durchaus die Leistungsfähigkeit von Menschen über einen längeren Zeitraum, in welchen repetitive Tätigkeiten ausgeübt werden, erhalten und auch steigern können.

Studie „Einsatz von Exoskeletten in der Logistik der Streitkräftebasis“

Tätigkeiten in der Logistik der Streitkräftebasis entsprechen in Teilen den physischen Belastungen der Arbeit in der zivilen Logistik. Diese Belastung kann u.a. durch Veränderungen der sicherheitspolitischen Lage, also ob die Tätigkeit im Grundbetrieb oder im Einsatz erfolgt, deutlich steigen. Zur Optimierung der Leistungsfähigkeit der in der Bundeswehr eingesetzten Menschen wurde in den letzten Jahren speziell der Reduzierung der physischeren Belastungen eine immer höhere Bedeutung beigemessen. Diese zielgerichteten Anstrengungen werden in der Bundeswehr im Thema der Zukunftsentwicklung „HPE/HPO“ zusammengefasst. Die Federführung dieser Thematik in der Streitkräftebasis liegt im Referat Zukunftsentwicklung und Digitalisierung im Kommando Streitkräftebasis (KdoSKB). Von hier aus wurde durch den Referenten für Forschung und Technologie in der Streitkräftebasis beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) die Durchführung der Forschungs- und Technologie-Studie „Einsatz von Exoskeletten in der Logistik“ (ExoLog) beantragt.

Diese F&T-Studie wird seit Juli 2019 in engem Schulterschluss mit dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB), dem Kommando Streitkräftebasis, dem Logistikkommando der Bundeswehr (LogKdoBw) sowie dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung durchgeführt. Mit ExoLog wird erstmals für die Bundeswehr der Mehrwert einer möglichen, zukünftigen Nutzung von Exoskeletten in der Logistik der Streitkräftebasis anhand von konkret definierten Tätigkeiten, zunächst in ortsfesten logistischen Einrichtungen und danach in den mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis, untersucht.

Ziel der F&T-Studie ExoLog ist es, bis Ende 2023 je ein innovatives Exoskelett für den Ober- und Unterkörper als Demonstrator zu entwickeln, deren Funktionalitäten die physische Leistungsfähigkeit der in der Logistik eingesetzten Personen bei ausgewählten Tätigkeiten unterstützt, um trotz steigender Anforderungen deren Leistungsfähigkeit zu erhalten und ggf. zu verbessern

Während dem Feldversuch ExoLog beim LogBtl 161, in Delmenhorst.
Foto: WIWeB/Schiffmann

Methoden zur Evaluation der Demonstratoren

Seit Beginn dieser Studie sind in einem iterativen Prozess konzeptionell, experimentell und im Rahmen von Felduntersuchungen vor Ort zwei Exoskelette als Demonstrator untersucht, evaluiert und permanent (weiter-)entwickelt worden. Das Exoskelett zur Unterstützung der oberen Extremitäten ist so konzipiert, dass es bei Überkopfarbeiten und beim aufrechten Heben schwerer Lasten auf und über Schulterhöhe unterstützt.

Das Exoskelett zur Unterstützung des unteren Rückens und der unteren Extremitäten unterstützt bei Arbeiten in vorgebeugter Haltung und beim Heben schwerer Lasten aus Bodennähe. Beide Systeme berücksichtigen u.a. auch die individuelle Anatomie der Personen – unter Berücksichtigung des Geschlechts – und die dienstlich zur Verfügung gestellten Bekleidungs- und Ausrüstungsvarianten. Auch die Forderungen nach einer geringen Komplexität in Bezug auf das Tragen und die Bedienung sowie eines individuell wählbarer Unterstützungsgrades sind berücksichtigt.

Machbarkeitsstudien haben von Beginn an Bewegungs­abläufe nach ergonomischen Gesichtspunkten – wie der Dauer der Überkopfarbeit, der Häufigkeit von Hebevorgängen oder extremen Gelenkwinkeln – im Detail mit dem mobilen Bewegungsanalysesystem XSens biomechanisch analysiert. Feldversuche, welche in engem Zusammenwirken zwischen dem Truppenteil vor Ort und den oben genannten Verantwortlichen dieser Studie geplant und durchgeführt werden, sind stets so angelegt, dass sie reproduzierbar sind, aber auch die alltäglichen Tätigkeiten des hier eingesetzten zivilen und militärischen Personals (Probanden) in einem realistischen Ausmaß widerspiegeln. Objektive Daten, wie Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme, und subjektive, durch Fragebögen und Interviews mit den Probanden ermittelte Daten, werden erhoben. Zudem werden die einzelnen Tätigkeiten in einer Art Stationsparcour jeweils von den Probanden mit und ohne Exoskelett durchgeführt.

Ein Soldat während der Studie „Einsatz von Exoskeletten in der Logistik der Streitkräftebasis“.
Foto: WIWeB/Schiffmann

Hohe Nutzerakzeptanz im Material- Wirtschaftszentrum Einsatz erzielt

Bis Ende 2021 lag der inhaltliche Schwerpunkt der Studie auf Arbeitsbereichen der ortsfesten logistischen Einrichtungen. Dazu wurden im Materialwirtschaftszentrum Einsatz in Hes­e­­- dorf im September 2020 und November 2021 zwei Feldversuche mit beiden im Rahmen dieser Studie entwickelten Exoskeletten durchgeführt. Hierbei wurde die unterstützende Wirkung von Exoskeletten in Arbeitsbereichen der ortsfesten logistischen Einrichtungen nachgewiesen. Beide Systeme besaßen eine hohe Nutzerakzeptanz. Bei dem Arbeiten mit dem Exoskelett zur Unterstützung der oberen Extremitäten wurde eine subjektive Belastungsreduktion von ca. 37 Prozent ermittelt. Besonders entlastet wurden die Schultern, Oberarme und Nacken. Die subjektive Entlastung durch das Exoskelett zur Unterstützung des unteren Rückens und der unteren Extremitäten lag bei ca. 22 Prozent. Hier wurde vor allem der obere und untere Rücken entlastet. Beide Exoskelette erscheinen somit für eine zukünftige Nutzung in den ortsfesten logistischen Einrichtungen gut geeignet.

Effektivität der Exoskelette auch in den mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis nachgewiesen

Seit 2022 liegt der Fokus der F&T-Studie ExoLog auf den mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis. Ende März fand dazu der erste von drei Feldversuchen im Logistikbataillon 161 in Delmenhorst statt. Ziel war die Erhebung von Anforderungen an die Exoskelette für den Einsatz in einer Instandsetzungskompanie und einer Nachschubkompanie im Grundbetrieb. Vor allem sollte ermittelt werden, wie diese sich von den Anforderungen für den Einsatz in den ortsfesten logistischen Einrichtungen unterscheiden. Dazu wurden in beiden Kompanien unterschiedliche Tätigkeiten, in welchen Soldatinnen und Soldaten schwer Heben und Tragen, vorgebeugtes Arbeiten als auch Überkopfarbeiten betrachtet. Zudem wurde in einem „Bekleidungstest“ das gleichzeitige Tragen verschiedener Bundeswehrbekleidung, mit und ohne Schutzausrüstung, in Kombination mit den beiden Exoskeletten untersucht. Dabei wurde zum einen geprüft, ob die Bekleidung mit den Exoskeletten getragen werden kann und ob alle Funktionalitäten der Bekleidung, aber auch der Exoskelette, noch vorhanden sind bzw. eingesetzt werden können. Sowohl die Betrachtung der einzelnen Tätigkeiten in oben genannten Kompanien als auch der Bekleidungstest brachten speziell für das „ExoTeam“ vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung wertvolle Erkenntnisse mit vereinzelten Optimierungs­potentialen für beide Exoskelett-Demonstratoren. Diese Punkte wurden vor dem folgenden Feldversuch bereits umgesetzt.

Aufbauend auf oben genanntem Feldversuch erfolgten im September 2022 in einer Nachschubkompanie und im November 2022 in einer Instandsetzungskompanie des Logistikbataillons 161 je ein weiterer Feldversuch. Für den Feldversuch mit der Nachschubkompanie war ein Umschlagpunkt errichtet worden. Hier führten die Soldatinnen und Soldaten die dort üblichen logistischen Tätigkeiten jeweils mit und ohne Exoskelett aus. Parallel dazu wurde getestet, ob ein Auf- und Absitzen in ausgewählten militärischen Fahrzeugen, welche zu diesem Zeitpunkt nicht bewegt wurden, auch mit getragenem Exoskelett möglich ist und inwieweit ein Beziehen von vorbereiteten Stellungen bei Alarmierung und das Wirken mit der Handwaffe mit getragenem Exoskelett durchführbar ist. Speziell letzteres war ein „Stresstest“ für den Demonstrator des Exoskelettes zur Unterstützung des unteren Rückens und der unteren Extremitäten. Hier hat er seine Robustheit und Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Hingegen lag der Schwerpunkt des Feldversuches im November, bedingt durch die Tätigkeiten zur umfangreichen Instandsetzung an Fahrzeugen in der Instandsetzungskompanie, ausschließlich auf der Untersuchung der unterstützenden Wirkung des im Rahmen dieser Studie entwickelten Demonstrators zur Unterstützung der oberen Extremitäten. Der Tragekomfort und die Nutzerfreundlichkeit wurden positiv bewertet. Lediglich die Frage, ob sich die Probanden vorstellen könnten, diesen Demonstrator regelmäßig zu nutzen, wurde ambivalent beantwortet. Dieses ist aber nicht auf den Demonstrator selbst zurückzuführen, sondern eher auf die Eignung für die hier betrachteten Tätigkeiten.

Im März 2023 hat der abschließende Feldversuch in der F&T-Studie „Einsatz von Exoskeletten in der Logistik“ stattgefunden. Dabei wurde durch die 8. Kompanie des Spezialpionierregiments 164, die sogenannte Pipelinepionierkompanie, im Rahmen eines Aufbaus eines Feldtanklagers die unterstützende Wirkung des Demonstrators zur Unterstützung des unteren Rückens und der unteren Extremitäten untersucht.

Soldaten, mit im Rahmen der F&T-Studie „ExoLog“ entwickelten Exoskelett- Demonstrator zur Unterstützung des unteren Rückens und der unteren Extremitäten.
Fotos: Bundeswehr

Zusammenfassung und Ausblick

Generell sollte die Verwendung von Exoskeletten für alle zivilen und militärischen Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche, bei denen körperliche Arbeit in Zwangshaltungen zu leisten ist, in Betracht gezogen werden. Sie eignen sich speziell dort, wo keine anderen technischen Hilfsmittel die Personen unterstützen können. Die so erzielte körperliche Entlastung der Personen erhält deren physische Leistungsfähigkeit und kann zu einer Reduzierung von Arbeitsunfällen und krankheitsbedingten Ausfallzeiten beitragen.

Im Rahmen der F&T-Studie „Einsatz von Exoskeletten in der Logistik“ wurden alle Facetten der Logistik bzgl. des Mehr­wertes einer Nutzung von Exoskeletten an zuvor im Detail ausgewählten, repetitiven Tätigkeiten untersucht. Der inhaltliche Bogen der Studie spannt sich von den ortsfesten logistischen Einrichtungen der Bundeswehr bis zu den mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis. In allen oben genannten Bereichen wurde grundsätzlich der Nachweis erbracht, dass durch den Einsatz der beiden in dieser Studie entwickelten Exoskeletten für den Ober- und Unterkörper eine substantielle Entlastung des Muskel-Skelett-Systems der Personen bei deren Ausführung repetitiver Tätigkeiten festzustellen ist. Hinzu kommt eine bessere ergonomische Korrektheit der Ausführung der Tätigkeiten.

Für die ortsfesten logistischen Einrichtungen der Bundeswehr ist zusätzlich festzustellen, dass hier aufgrund der infrastrukturellen Arbeitsbedingungen auch marktverfügbare Exoskelette zum Einsatz kommen könnten. Eine Möglichkeit zum zeitnahen Erwerb durch die Bundeswehr wird derzeitig im Rahmen des Innovationsmanagements verfolgt. Grundsätzlich ist der Bedarf, welcher als Innovationsidee durch das Kommando Streitkräftebasis in die Arbeitsgruppe Innovationsmanagement eingebracht wurde, bestätigt.

Abschließend ist festzustellen, dass die Streitkräftebasis mit der F&T-Studie „Einsatz von Exoskeletten in der Logistik“ die Weiterentwicklung der Technologie der Exoskelette für die Bundeswehr angestoßen hat. Das Ergebnis kann für die Logistik eine Grundlage für zweckmäßige und zukunftsorientierte Ausrüstungsentscheidungen sein. Eine Beschaffung von Exoskeletten wäre ein innovativer Ansatz für die Streitkräfte.

 

Oberstleutnant Dirk-Michael Heinrichs war der zuständige Referent für Forschung und Technologie in der Streitkräftebasis und Angehöriger des Referates Zukunfts­entwicklung & Digitalisierung im Kommando Streitkräftebasis. Inzwischen ist er in das Marinekommando, Abteilung Marinesanitätsdienst, versetzt.

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