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Interview mit Mike Spencer, Sr Director Boeing Vertical Lift, Boeing

Interview mit Mike Spencer, Sr Director Boeing Vertical Lift, Boeing: „Der Chinook ist der weltweite Standard für Schwere Transporthubschrauber. 20 Nationen, darunter 8 NATO-Partner, verlassen sich auf den Chinook. Heute sind mehr als 1,000 unserer Chinooks weltweit im Einsatz. All dies bietet für Deutschland ein hohes Maß an unmittelbarer Interoperabilität.“
Block II
Foto: Boeing

Deutschland wird den CH-47F Block II Chinook beschaffen, um seinen Bedarf an einen neuen Schweren Transporthubschrauber (STH) zu decken. Aus technischer Sicht, was können wir vom Block II Chinook für die Bundesrepublik Deutschland erwarten?

Eine ganze Menge! Der CH-47 Chinook ist seit 60 Jahren das Rückgrat verschiedenster Missionen, sei es bei der Beförderung von Truppen oder auch Fracht. Durch kontinuierliche Modernisierungsmaßnahmen ist der Chinook ein state-of-art Schwerlasthubschrauber, der allen Anforderungen sich ständig weiterentwickelnder Missionsprofile gerecht wird.

Der Chinook hat eben dies, genauso wie seine einzigartigen Fähigkeiten und Einsatzbereitschaft, immer wieder unter Beweis gestellt. Einfach gesagt: Es ist ein äußerst fähiger Mehrzweckhubschrauber und das bewährte Arbeitspferd der NATO. Wir haben oft gesehen, wie der Chinook wirklich anspruchsvolle Missionsprofile erfüllt hat, von Brandbekämpfung, Such- und Rettungseinsätzen, Katastrophenhilfe, Luftbetankung bin hin zu herausfordernden Special Operations.

Block II ist die nächste Evolutionsstufe des Chinooks und wird deutlich mehr Lift- und Reichweitenfähigkeit bieten. Mit unserem Block II-Programm werden wir die fortschrittlichsten Technologien und Fähigkeiten integrieren. Dazu gehört unter anderem ein stärkerer Rumpf, neu gestaltete Treibstofftanks und eine größere Reichweite. Darüber hinaus investieren wir auch weiterhin in moderne Technologien wie ein CAAS-Cockpit [Common Avionics Architecture System] und DAFCS [Digital Automation Flight Control System]. Hier geht es vor allem darum, sich rasant verändernden Missionsanforderungen stets gerecht zu werden, Interoperabilität zwischen Betreibern zu maximieren und Lebenszykluskosten zu senken. Das ist der Fokus für uns im Block II-Programm

Mike Spencer, Sr Director Boeing Vertical Lift.
Foto: Boeing

Sie haben erwähnt, dass Sie eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Boeing und der Luftwaffe anstreben. Wie soll diese in der Praxis aussehen, vor allem auf strategischer und operativer Ebene? Beispielsweise haben Sie erwähnt, dass Techniker und Ingenieure der Bundeswehr zukünftig stark in den Wartungsprozess eingebunden werden sollen.

Sie haben vollkommen recht. In den letzten Monaten haben wir bereits sehr eng mit der Luftwaffe zusammengearbeitet und werden dies auch weiterhin tun. Um Ihnen einige Beispiele zu nennen: Unser Ziel ist es unsere derzeitige Beziehung zur Luftwaffe kontinuierlich auszubauen und in einem sehr breiten Spektrum an Aktivitäten zusammenzuarbeiten. Es geht hier um Ausbildung, die Durchführung von Wartungsarbeiten am Chinook – aber eben stets gemeinsam mit der Luftwaffe. Wie bereits in der Vergangenheit oft betont, haben wir uns dazu verpflichtet, nicht nur Know How sondern vor allem auch Know Why an die Luftwaffe weiterzugeben. Im direkten Austausch mit der Luftwaffe werden wir den Austausch von tiefgreifendem Wissen über alle relevanten Systeme des Chinooks ermöglichen.

Unsere Absicht ist es dabei, die Luftwaffe und ihre Teams mit Instandhaltungsfähigkeiten auszustatten, um den Chinook vollständig in Deutschland warten zu können. Darüber hinaus reden wir auch über Bedarfprognose, Lagerhaltung, Management von Bodenausrüstung und so weiter. Wichtig für uns ist es aber auch, dass unsere Teams auf den deutschen Chinook-Stützpunkten sein werden, um den täglichen Flugbetrieb zu unterstützen. Darüber hinaus werden wir die Luftwaffe bei Instandhaltung, Ausbildung und Wartungsmanagement vor Ort unterstützen. Um es einfach auszudrücken: Einmal ausgeliefert werden die Chinooks der Luftwaffe vollumfänglich in Deutschland gewartet werden. Ein Rücktransport nach Philadelphia für Wartungszwecke wird nicht nötig sein – wir wollen die Chinooks nicht zurück. So haben wir immer mit unseren Kunden weltweit zusammengearbeitet und ich freue mich sehr auf die Partnerschaft mit Deutschland.

Philadelphia
Foto: Boeing

Für das STH-Programm hat Boeing ein starkes Industrieteam mit Airbus, ESG und anderen Partnern gebaut. Sie haben Ihr Team als „German Powerhouse“ bezeichnet. Wie wird die Zusammenarbeit mit Ihren Partnern aussehen? Können Sie uns Einblick geben, wie die Zusammenarbeit zustande gekommen ist?

Wir haben seit vielen Jahrzehnnten starke industrielle Partnerschaften in Deutschland. Unser Zuliefernetzwerk ist Teil all unserer zivilen Programme und auch stark involviert in unserem Verteidigungsgeschäft, darunter zum Beispiel Chinook, Apache oder das Space Launch System SLS. Für uns war zu Beginn der Chinook-Kampagne klar, dass wir unsere industriellen Partnerschaften in Deutschland ausbauen wollen. Nur so können wir vor Ort ein Support-Programm aufbauen, welches wir sehr speziell auf die Anforderungen der Luftwaffe zuschneiden werden.

Unser Chinook Deutschland Team, welches wir bereits 2018 gestartet haben, wird hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen und uns dabei helfen, umfassende Instandhaltungsfähigkeiten für Deutschlands CH-47F Block II Chinooks zu liefern. Dafür arbeiten wir mit Airbus Helicopters Deutschland als Teil unseres Wartungsteams zusammen. Unsere Kolleginnen und Kollegen von Lufthansa Technik werden die Ersatzteilversorgung, Logistik und Lagerhaltung übernehmen. ESG unterstützt uns bei verschiedenen Lifecycle-Services. AERO-Bildung trägt wesentlich zur Ausbildung des Wartungspersonals vor Ort bei. Die Triebwerke werden zunächst direkt von der U.S. Army gewartet, um sofortige Verfügbarkeit zu gewährleisten. Langfristig wird Rolls-Royce diese Arbeit unter Lizenz von Honeywell übernehmen. Die U.S. Army wird Crews und Besatzungen ausbilden und auch die Simulatoren zur Verfügung stellen. Unser Partner CAE wird an der Entwicklung einer Reihe von Trainingssystemen stark beteiligt sein. Wir haben ein Team aufgebaut, welches das beste Know How für die Luftwaffe bietet. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit AERO-Bildung, CAE, ESG, Honeywell, Lufthansa Technik, Airbus Helicopters und Rolls-Royce Deutschland.

Die Zusammenarbeit mit den Niederlanden, unserem strategischen Partner, ist sehr wichtig. Die Royal Netherlands Air Force [RNLAF] ist bereits Kunde und fliegt den Chinook seit Jahren sehr erfolgreich. Sehen Sie hier mögliche Synergieeffekte?

Gestatten Sie mir, einen sehr wichtigen Punkt noch einmal zu erwähnen: Der Chinook ist der weltweite Standard für Schwere Transporthubschrauber. 20 Nationen, darunter 8 NATO-Partner, verlassen sich auf den Chinook. Heute sind mehr als 1,000 unserer Chinooks weltweit im Einsatz. All dies bietet für Deutschland ein hohes Maß an unmittelbarer Interoperabilität.

In den letzten Monaten haben wir viel über Interoperabilität gesprochen. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, noch einmal hervorzuheben was Interoperabilität für Deutschland bedeutet: Im Gegensatz zu allen anderen Hubschraubern verfügt der Chinook über eine globale Zulieferkette, die rund um die Uhr Ersatzteile zur Verfügung stellen kann. Diese Zulieferkette ermöglicht auch Zugang zu einer europäischen Unterstützungsinfrastruktur. Darüber hinaus sind gemeinsame Wartungs- und Ausbildungsmöglichkeiten immer vorteilhaft. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass die Ausbildung der deutschen Crews von der U.S. Army durchgeführt werden wird. Unmittelbare Interoperabilität – gleich zu Programmbeginn.

Wie die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der RNLAF strukturiert sein wird, kann ich nicht beantworten. Aber, … wir haben aber vor einigen Wochen bereits damit angefangen, Theorie in die Praxis umzusetzen. Wie Sie wissen, haben wir einen CH-47 Maintenance Trainer von der RNLAF in Gilze-Rijen zu unserem Industriepartner AERO-Bildung verlegt. AERO-Bildung wird den Trainer zukünftig dafür nutzen, in Deutschland die nächste Generation von Technikern für die Wartung von Schwerlasthubschraubern vorzubereiten. Unseres Erachtens eine sehr wichtige Erweiterung des Ausbildungsangebots unseres Partners AERO-Bildung.

Wie Sie sehen, sind wir sehr entschlossen, unser industrielles Engagement in Deutschland zu vertiefen. Das Hauptziel dabei ist es, die Bundeswehr direkt bestmöglich zu unterstützen und zeitgleich Wirtschaftswachstum zu fördern.

 

Das Interview führte Tobias Ehlke

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