NewsNutzungStrategie

Kommt der Grabenkampf zurück?

Ende November veröffentlichte die NATO auf ihrer offiziellen Website ein Video, das die NATO-Verbündeten aus Estland und Frankreich bei einer Übung in der anspruchsvollen Kunst des Grabenkampfes zeigen. Ort ist ein Truppenübungsplatz in Estland und Teilnehmer sind ein estnischer Heimatschutzverband (Reservisten) sowie Fallschirmjäger der französischen Armee. Die Soldaten des 1. Fallschirmjägerregiments der französischen Armee trafen erst im September in Estland ein. Der Grabenkampf war ihre erste Übung mit den Truppen ihrer Host Nation.
Das PZM-2 Traktor-Kampffahrzeug, entwickelt auf der Basis des T-150 Traktors auch zum Grabenkampf. (Open Source Photo)
Das PZM-2 Traktor-Kampffahrzeug, entwickelt auf der Basis des T-150 Traktors.

Das bilaterale Training für den Grabenkampf fand in einer Reihe von Grabennetzen in Nordestland statt, die gebaut wurden, damit die Truppen den Kampf aus, um und gegen ausgebaute Stellungen üben konnten. Die Übung gipfelte in einem simulierten Angriff auf ein Grabennetzwerk. Das Ziel war die estnischen Reservisten im Kampf aus und um Gräben sowie für militärische Operationen in bebauten Gebieten zu trainieren. Die französischen Fallschirmjäger wurden durch ein bilaterales Abkommen als Verstärkung nach Estland entsendet und sind nicht Teil der dortigen NATO enhanced Forward Presence Battlegroup (eFP BG). In der eFP BG EST versehen parallel französische Marineinfanteristen ihren Dienst.

Im NATO-Video erklärt Leutnant Gauthier, Zugführer des 1. Fallschirmjägerregiments der französischen Armee: „Der Grabenkampf ist eine Art der Kriegsführung, die heute in modernen Konflikten wieder auftaucht. Deshalb ist es wichtig, dass die NATO-Staaten bei diesem Kampf zusammenarbeiten, damit jeder die unterschiedlichen Verfahren der einzelnen Armeen kennen lernen kann. […] In der Tat ermöglicht es uns zunächst, an dem zu arbeiten, was wir Interoperabilität nennen. Wenn also eines Tages ein Konflikt gegen die NATO ausbricht, können die verschiedenen Verbündeten effizienter zusammenarbeiten. Darüber hinaus werden die verschiedenen Armeen bei spezifischen Gefechten wie dem Grabenkampf über unterschiedliche Rückmeldungen und Verfahren verfügen, die wir gemeinsam nutzen und voneinander lernen können.“

Und auch Medien in Großbritannien zeigen Videos und Bilder entsprechender Ausbildungen und Übungen im Grabenkampf in Estland. So titelt zum Beispiel The Sun: „Beängstigendes Grabenkriegstraining im Stil des Ersten Weltkriegs: Britische Truppen bereiten sich bei -12°C auf eine Schlacht vor Putins Haustür vor.“ Zu sehen sind britische Infanteristen, die mit Boeing CH-47 Chinooks anlanden und in schneebedeckter Landschaft gegen Stellungssysteme vorgehen.

Auch werden Pioniere und ihre Gefechtsfahrzeuge des Panzerregiments King’s Royal Hussars eingesetzt. Unter anderem suchen sie mit Sonden nach Minen. Großbritannien ist die Lead Nation der NATO enhanced Forward Presence Battlegroup in Estland. Laut einem Bericht des britischen Heeres nahmen an den aktuellen Übungen Soldaten aus Großbritannien, Frankreich, Dänemark, USA und Estland teil. Auch kamen Kampfpanzer und andere High-Tech-Waffen zum Einsatz, so der Bericht.

Die Military Central Training Area liegt rund eine Autostunde östlich von Estlands Hauptstadt Tallinn und 80 km von der Grenze mit Russland entfernt. Die estnischen Soldaten setzen bei der Übung unter anderem .50 BMG Browning-Maschinengewehre, das MG3, das LMT Defence R20-RAHE-Sturmgewehr oder die rückstoßfreie Panzerabwehrhandwaffe vom Typ Saab Carl Gustaf ein. Und die dänischen Soldaten nutzten beim Vorrücken auf das Stellungssystem Leopard 2 A7-Panzer. Auch kommen britische gepanzerte Mannschaftstransporter Bulldog FV432, geschützte Patrouillenfahrzeuge Panther, oder dänische PIRANHA-Panzer zum Einsatz.

VALTRA mit Heckbagger und Frontlader. (Foto- AGCO)
VALTRA mit Heckbagger und Frontlader.
Foto: AGCO

Erkenntnisse der Übung: Dank der „Lessons Learned“ aus der Ukraine ist der Kampf aus, mit und um Stellungssysteme auch zurück in den westlichen Streitkräften. Dank der Temperaturen im Baltikum deutlich unterhalb des Gefrierpunktes wird es entsprechende Ausrüstung benötigen. So erklärt ein estnischer Soldat im Video: „Im Frühjahr, wenn der Boden weicher ist, können wir einen Graben wie diesen in nur 24 Stunden ausheben. Aber in der eisigen Kälte, wenn der Boden gefroren ist, müssen wir uns mit Spitzhackeneingraben.“

Schanzen spart Blut

„Schanzen spart Blut“ ist ein sehr alter und nach wie vor gültiger Leitspruch. General Erwin Rommel wird im 1. Weltkrieg schon zitiert: „Lieber zu viel als zu wenig Spatengebrauch! Diese Arbeit spart Blut!“ Wie der estnische Soldat schon angemerkt hat, ein Grabensystem im Frühjahr, im weichen Boden ist in 24 Stunden ausgehoben. Im Winter nur mit harter körperlicher Arbeit und einem entsprechenden Zeitverzug.

FENDT mit STEHR Grabenfräse (Foto- FENDT:STEHR)
FENDT mit STEHR Grabenfräse.
Foto: FENDT/STEHR

Daher muss man auf entsprechende Maschinen zurückgreifen. Das können Pionierpanzer wie der deutsche Pionierpanzer DACHS, der britische BAE Systems Trojan Combat Engineer Vehicle (CEV) auf Basis des Challenger 2, oder die hochmodernen Rheinmetall AEV 3 Kodiak bzw. WISENT 2 der FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft sein, nur um einige zu nennen. Aber von diesen großen und geschützten Fahrzeugen gibt es in der Regel zu wenige auf dem Gefechtsfeld. Alternativen müssen her.

Die Bundeswehr setzt zum Beispiel dafür das Erdarbeitsgerät (EAG) auf UNIMOG-Basis ein. Auch das Erdarbeitsgerät Ahlmann AS12, der Schwenklader A56M, oder der Radlader Liebherr L574 2plus2 sind Bestandteil der Fahrzeugflotte und können genutzt werden. Das Problem bei diesen, sie sind in der Regel nicht marschkolonnenfähig. Können also nicht eigenständig über größere Reichweiten verlegen und benötigen einen entsprechenden logistischen Aufwand mit LKWs und Anhängern.

Der MAN MATENIN NX-7 4×4 Grabenbagger der Firma CEFA wurde in den 1980er Jahren durch das Erdarbeitsgerät (EAG) UNIMOG U406 abgelöst. Ausgestattet mit einem Heckbagger und einem Räumschild war er, eingesetzt in den Infanterie- und Panzergrenadierbataillonen in der Lage den Bau von Feldstellungen zu beschleunigen. Dem deutschen EAG sehr ähnlich war der zwischen 1987 und 1991 gebaute Small Emplacement Excavator Tractor (SEE-Tractor).

Insgesamt wurden 2.416 Fahrzeuge in vier Varianten auf der Basis des UNIMOG 419 für die U.S. Army und das U.S. Marine Corps gebaut. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal war der Frontlader, welche die Möglichkeiten des SEE gegenüber dem Planierschild des EAG deutlich erweiterte und der Name. Diese UNIMOG wurden als FREIGHTLINER ausgeliefert. Für Ägypten wurde das amerikanische Konzept auf einem U400 Geräteträger umgesetzt.

MAN MATENIN NX-7 4x4 Grabenbagger (heute Fa. CEFA Soultz-sous-Forêts, Frankreich), wurde ab 1975 durch Frankreich und die Bundeswehr genutzt. (Foto- CEFA)
MAN MATENIN NX-7 4x4 Grabenbagger (heute Fa. CEFA Soultz-sous-Forêts, Frankreich), wurde ab 1975 durch Frankreich und die Bundeswehr genutzt.
Foto: CEFA

Eine neue Dimension in Leistung und Flexibilität ermöglicht der Einsatz von Großtraktoren als Systemträger Erdarbeitsgerät. Der Frontlader ermöglicht den Einsatz als Radlader. Alternativ kann über den Frontkraftheber ein Planier- oder Räumschild genutzt werden. Am Heck kann entweder ein Anbaubagger, ein Anbaukran oder eine Grabenfräse angebracht werden. Der Austausch erfolgt mittels Schnellkupplung mit einem Zeitbedarf von 10 bis 15 Minuten. Dank Commercial-/Military-of-the-Shelf (COTS/MOTS) sind diese Fahrzeuge schnell, einfach und im Vergleich kostengünstig zu beschaffen.

Mit den technischen Möglichkeiten eines Traktors können sowohl einzelne Kampfstände in bedecktem Gelände als auch lange Grabensysteme im offenen Gelände schnell, einfach und kostengünstig angelegt werden. Großtraktoren sind auch mit geschützter Kabine und Schutz der vitalen Fahrzeugkomponenten für den Grabenkampf marktverfügbar, so dass diese auch im Verzögerungsgefecht eingesetzt werden können. Die hohe Straßengeschwindigkeit >60km/h, die ungewöhnlich hohe Geländegängigkeit und der geringe Wendekreis (ca. 11m Traktor; 20m LKW 6×6) prädestinieren den Traktor für solche Aufgaben.

Heckbagger haben eine Leistungsfähigkeit vergleichbar der Kompaktbagger in der 8 Tonnen-Klasse und können Kampfstände mittels eines Tieflöffels oder einem Erdbohrer schaffen. Mit einer Grabenfräse, unabhängig vom Funktionsprinzip, ob Kette oder Fräsrad, kann abhängig vom Boden ein Grabensystem von 1 Kilometer oder mehr pro Stunde angelegt werden. Ein Bagger würde für einen solchen Graben mindestens 5 Stunden benötigen. Und auch deutlich schneller als ein Pionierpanzer, der auf dem Gefechtsfeld ohnehin Mangelware ist.

Grabenfräsen sind marktverfügbar bis zu einer Frästiefe von 1,8 Metern und einer Fräsbreite von 0,6 Metern. Gemäß der Aussage einzelner Hersteller ist die Anpassung der Fräsbreite problemlos möglich. Das finnische Heer geht aktuell schon konsequent diesen Weg und hat entsprechende Traktoren und Zubehör in seine Infanteriekompanien als Multifunitionssystem eingegliedert.

PZM-2 im Einsatz bei der Minenverlegung. (Open Source Foto)
PZM-2 im Einsatz bei der Minenverlegung.

Einsatz in Russland und der Ukraine

Auch in der Ukraine sind sowohl auf Seiten der ukrainischen Streitkräfte als auch auf russischer Seite Traktoren nicht nur im Grabenkampf im Einsatz. Auch hier dienen zivilen Traktoren als Adaptions-Grundlage. Russischen Medien zufolge hat der Hersteller UralVagonZavod (UVZ) ein Patent für einen militärischen Radtraktor PZM-2 angemeldet. Dieser Traktor ähnelt optisch dem RTM-160, der von 2004 bis 2009 in den UVZ-Werken für die zivile Agrarindustrie hergestellt wurde. Das neue Modell weist jedoch eine etwas größeren Motorhaube auf, höchstwahrscheinlich für einen stärkeren Motor.

Aus den Konzeptzeichnungen geht hervor, dass der Traktor als Erdarbeitsmaschine für Ladetätigkeiten oder als Schlepper für Eisenbahnwaggons umgerüstet werden kann. Laut russischen Medien soll das neue Fahrzeug vor allem bei den Pionieren und in der Logistik genutzt werden. Denn die russische Logistik weist bisher eine geringe Mechanisierung auf und mache es so den ukrainischen Verteidigungskräfte leicht bei der Bekämpfung der „stationären“ Ziele. Hier könnte der Traktor als universellen Zugmaschinen schnelle Abhilfe schaffen. Auch setzt Russland bisweilen ungeschützte zivile Baumaschinen für den Bau von Befestigungsanlagen und im Grabenkampf ein. Hier könnte die militärische Variante einen besseren Schutz bieten.

André Forkert

Abonieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen:

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige

Verwendete Schlagwörter

EstlandGraben ausheben mit TraktorNATORusslandTraktorUkraine
Index