Neue Wege für die Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung

In der Berliner Julius-Leber-Kaserne kamen heute zivile und militärische Fachleute zum ersten Symposium mit dem Thema „Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung“ zusammen. Geladen hatte der Befehlshaber des Zentralen Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. med. Ralf Hoffmann. „Wir wollen ein Stück weit raus aus dem Dornröschenschlaf“, argumentierte der oberste Arzt der Bundeswehr. Mit Blick auf die globale Lage und eine mögliche Landesverteidigung sei es „einfach wichtig, dass wir – auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist – uns überlegen, wie wir alle gemeinsam Gesundheitsversorgung dann gestalten wollen.“

Beim Symposium „Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung“ gingen militärische und zivie Fachleute hand in Hand – Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann (l.) neben einem Vertreter des Gesundheitsministerium.
Beim Symposium „Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung“ gingen militärische und zivie Fachleute hand in Hand – Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann (l.) neben einem Vertreter des Gesundheitsministerium.
Foto: CPM / Navid Linnemann

„Tatsache ist aber“, führte Generaloberstabsarzt Dr. Hoffmann vor den anwesenden Fachleuten weiter aus, „so ganz unmöglich ist es nicht mehr. Und vor dem Hintergrund tun wir alle gut daran, dieses Netzwerk, dieses gemeinsame Know-how, diese Schwarmintelligenz zu nutzen, um zu überlegen, welche Schritte denn erforderlich sind.“

Seine Intention für die Veranstaltung sei es, „tatsächlich Vorschläge zu erarbeiten, wie wir ganz konkret mit Fragestellungen in der Gesundheitsversorgung der Landesverteidigung verfahren können“. Grundlage für die in acht Arbeitsgruppen aufgeteilten medizinischen Fachleute sollten daher zwei konkrete Fragen sein:

  • Wie kann eine belastbare medizinische Versorgung im Fall der Landesverteidigung sichergestellt werden?
  • Welche Schnittstellen zwischen zivilem und militärischem System müssen gestärkt werden?
Vor dem Veranstaltungsgebäude wurde Gerät der Sanitäter gezeigt.
Vor dem Veranstaltungsgebäude wurde Gerät der Sanitäter gezeigt.
Foto: CPM / Navid Linnemann

„Niemand von uns kann sagen, wie die Zukunft wirklich aussehen wird“, stellte Generalstabsarzt Dr. Almut Nolte fest. Die Abteilungsleiterin Einsatz und Gesundheitsversorgung im Unterstützungskommando der Bundeswehr erklärte, ein Übungsszenario diene der Untersuchung der Frage: „Was wäre wenn?“ Es unterstütze somit die Analyse von Handlungsbedarf und Lösungsmöglichkeiten.

Es verhindere zudem, dass man an Fragen hängen bliebe, „wie wird es wohl sein“, sondern gezwungen ist, „in konkreten Ableitungen zu denken“, führte Generalstabsarzt Dr. Almut Nolte weiter aus. Sie stellte daher ein Szenario vor, in welchem die Teilnehmenden des Symposiums ihre Überlegungen anstellen sollten. Man habe dabei bewusst ein „Worst-Case-Szenario“ gewählt, bei dem feindliche Truppen bereits zwei Landkreise auf dem Bundesgebiet besetzt hätten – der Sprung von der Bündnis- zur Landesverteidigung daher bereits erfolgt sei.

Einführungsvortrag durch Frau Generalstabsarzt Dr. Almut Nolte, Abteilungsleiterin Einsatz und Gesundheitsversorgung im Unterstützungskommando der Bundeswehr.
Der Einführungsvortrag erfolgte durch Frau Generalstabsarzt Dr. Almut Nolte, Abteilungsleiterin Einsatz und Gesundheitsversorgung im Unterstützungskommando der Bundeswehr.
Foto: CPM / Navid Linnemann

Worst-Case-Szenario: Landesverteidigung

Generalstabsarzt Dr. Nolte stellte die vier Phasen (Hybride Aktionen, Aufmarsch an der NATO-Außengrenze, Bündnisverteidigung, Landesverteidigung) vor, die auf dem Weg zum eigentlichen Szenario bereits erfolgt seien. Sie nannte für jede Phase konkrete, den Gesundheitsbereich betreffende Beispiele. So sei es in Phase 1 (des angenommenen Szenarios) bereits zu Cyberangriffen auf Krankenhäusern und Manipulationsversuchen der Trinkwasserversorgung gekommen.

In Phase 2, in der den NATO-Staaten ein möglicher Angriff auf sie bewusst geworden sei, hätten diese angefangen, Impfstoffe und Medikamente zu bevorraten, was zu Lieferengpässen führte. In der dritten Phase, in der bereits das Bündnis militärisch verteidigt würde, sei dann eine Tierseuche in einem deutschen Bundesland ausgebrochen, in deren Folge in sozialen Medien Gerüchte nach einer Übertragbarkeit auf den Menschen verbreitet worden seien – gefolgt von Panik in der Bevölkerung.

Die für das Symposium genutzten vier Phasen des Worst-Case-Szenarios.
Die für das Symposium genutzten vier Phasen des Worst-Case-Szenarios.
Foto: CPM / Navid Linnemann

Das Worst-Case-Szenario beim Symposium „Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung“ gipfelte dann in Phase 4. Hier käme es dann zum temporären Ausfall von Stromversorgung und Kühlung, Telefonie und Internet funktionierten teilweise nicht und die Kommunikation mit Apotheken (zum Beispiel via E-Rezept) stark eingeschränkt.

Konkrete Ergebnisse durch Fach-Arbeitsgruppen

Die beim Symposium „Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung“ anwesenden Akteure kamen aus den verschiedensten Bereichen der deutschen Gesundheitsversorgung.  Anwesend waren neben Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr auch Personen aus dem zivilen Gesundheitswesen, des Katastrophenschutzes, der Hilfsorganisationen sowie aus Wissenschaft und Politik. Als Arbeitsgruppen definierte Generaloberstabsarzt Dr. Hoffmann:

  • Was machen die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen in der Landesverteilung?
  • Wie funktioniert die ambulante Versorgung?
  • Wie stellen wir uns klinische Versorgung in der Landesverteidigung vor?
  • Wie wollen wir im Rahmen von Landesverteidigung eine resiliente Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten sicherstellen?
  • Wie stellen wir im Rahmen der Landesverteidigung die Versorgung mit Blut und Blutprodukten sicher?
  • Welche Ausbildungsinhalte und -formen im Gesundheitswesen müssen für die Vorbereitung auf die Landesverteidigung angepasst und neu geschafft werden?
  • Was konkret bedeutet staatlichen Organisation im Fall der Landesverteidigung, wer ist für was verantwortlich?
  • Und dann, welche Rahmenbedingungen werden für eine resiliente Gesundheitsversorgung der Landesverteidigung benötigt?

Die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen sollen am Ende des Symposiums vorgestellt, zusammengetragen und als Bericht mit konkreten Handlungsanweisungen der Fachwelt, aber auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, Befehlshaber Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr und Stv. Befehlshaber Unterstützungskommando der Bundeswehr, war Gastgeber und Moderator des Symposiums.
Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, Befehlshaber Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr und Stv. Befehlshaber Unterstützungskommando der Bundeswehr, war Gastgeber und Moderator des Symposiums.
Foto: CPM / Navid Linnemann

„Ich habe auch vor“, erklärte Generaloberstabsarzt Dr. Hoffmann, „ihn dann auch an die politisch verantwortlichen Stellen zu geben. Als Startpunkt für die Einleitung konkreter Schritte hin zu einem konsolidierten System der Gesundheitsversorgung in der Bundesrepublik Deutschland in Krieg und Krise. Da will ich ein Stück weit hin.“

Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung – Ein Anfang nur

„Wir arbeiten in der Bundeswehr sehr hart daran, so schnell wie möglich wieder kriegstauglich für eine Landes- und Bündnisverteidigung zu werden“, betonte Generalstabsarzt Dr. Nolte. „Gleichzeitig muss aber auch das zivile Gesundheitssystem kriegstüchtig werden.

Dies gelte sowohl für die Kapazitäten und Resilienz der zivilen medizinischen Einrichtungen als auch für die Expertise im Umgang mit Kriegsverletzungen und deren Behandlung. „Gemeinsam müssen wir alles daran setzen“, schloss Generalstabsarzt Dr. Nolte, „mehr Menschen für Ausbildung und Tätigkeiten auf beiden Seiten des deutschen Gesundheitssystems zu gewinnen – und das so schnell möglich.“

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