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Sanitätsdienst der Bundeswehr zieht Lehren aus dem Ukraine-Krieg

Die Experten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ziehen entscheidende Schlüsse aus einer eingehenden Analyse des bisherigen Kriegsverlaufs in der Ukraine. Die Ergebnisse dieser Untersuchung legen nahe, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die medizinische Versorgung und Evakuierung im Falle eines bewaffneten Konflikts zu verbessern.
Sanitätsdienst der Bundeswehr bei der Arbeit.
Sanitätsdienst der Bundeswehr bei der Arbeit.
Foto: Bundeswehr/ Jana Neumann

Aus der Auswertung von Bildern, Informationen aus der Ukraine und Gesprächen mit dem ukrainischen Sanitätspersonal wurde festgestellt, dass die Art der Verletzungen in erster Linie auf die Auswirkungen von Explosionen, Granatsplittern, Verbrennungen und Verwundungen durch chemische Substanzen zurückzuführen sind – und weniger auf einzelne Schussverletzungen. Für Deutschland ist es daher von entscheidender Bedeutung, umfassende Pläne zu entwickeln, um bestmöglich vorbereitet zu sein und solche Verletzungen schnellstmöglich behandeln zu können.

Die Notwendigkeit einer effektiven und effizienten medizinischen Versorgung im Falle eines bewaffneten Konflikts erfordert präzise Planungen, die sowohl die Beschaffung von geeigneten Rettungsfahrzeugen als auch die Verbesserung der Erstversorgung auf dem Gefechtsfeld umfassen.

Konzept der Selbsthilfe: Deutschland muss eigenständig handeln

„Deutschland kommt in den Konzepten der NATO eine besondere Bedeutung als militärische Drehscheibe zu“, beschreibt eine Sprecherin des Sanitätsdienstes der Bundeswehr gegenüber cpm Defence Network. „Mit der Situation in der Ukraine ist dies daher nicht vergleichbar, denn im Ernstfall wird man sich zusätzlich zu den Drehscheibenaufträgen auch selbst helfen müssen. Im Falle von Krise und Krieg wird Deutschland daher primär medizinisch und sanitätsdienstlich auf sich alleine gestellt sein und nicht Hilfe von Drittnationen, wie sie in der aktuellen Lage der Ukraine erfolgt, in Anspruch nehmen können.“

Aus diesem Grund muss Deutschland investieren. Die Empfehlungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sehen vor, dass auch deren Fahrzeuge und Einrichtungen gegen Angriffe geschützt und hochmobil sein müssen.

„In der Bundeswehr fehlen Großraumtransportmittel für hohe Patientenaufkommen und zur Bewältigung der zu erwartenden Patientenzahlen wird deutlich mehr an Transportkapazität benötigt“, betont die Sprecherin des Sanitätsdienstes. „Vor allem im taktischen Verwundetentransport werden zusätzliche Großraumfahrzeuge – etwa Krankenkraftomnibusse – benötigt. Zudem sind bei den Langstreckenverlegungen großer Patientenvolumina enge Kooperationen mit multinationalen und zivilen Hilfsorganisationen unabdingbar und zu suchen, welche qualifiziertes Personal zur Begleitung und Versorgung beistellen müssten. In der Vergangenheit wurden viele Denkanstöße bereits getätigt, oft wurden sie wegen anderweitiger Priorisierung jedoch nicht angegangen.

Sowohl Anzahl, Härtung als auch Ergänzung um Großraumtransportmittel dürfen nicht weiter in der Priorisierung von Rüstungs-/Beschaffungsentscheidungen abermals begründet werden müssen, zurückgestellt gekürzt oder gar in Zweifel gezogen werden.“

Diese Mahnung unterstreicht die Notwendigkeit, aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen und entschlossen voranzuschreiten, um die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung und Evakuierung im Kontext bewaffneter Konflikte umzusetzen.

Zudem zeige der Ukraine-Krieg, dass die bisherige Ausrichtung auf 66 Prozent landgebundenen und 33 Prozent luftgebundenen Verwundetentransport nicht den Anforderungen der Realität entsprächen. Die Möglichkeiten zum Landtransport müssten daher ausgebaut werden. So zeigten die Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg, dass der Transport über Schiene eine besondere Bedeutung hat.

Die Maßnahmen zur verstärkten Einbindung von Zügen für Patiententransporte seien laut der Sprecherin des Sanitätsdienstes im Gange: „Die Planungen haben bereits begonnen. Patiententransporte auf der Schiene sind aber ressorübergreifend zu realisieren, sodass hier ein hoher Abstimmungsbedarf besteht. Die Forderung muss zudem sein, dass die Züge auf allen europäischen Schienennetzen betrieben werden können.“

Verbesserung der Erstversorgung auf dem Gefechtsfeld

Ein weiterer Aspekt, um die Überlebenschancen der Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen, ist die Verbesserung der Erstversorgung von Verwundeten auf dem Gefechtsfeld. Die ersten zehn Minuten sind oftmals entscheidend. Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssen Ersthelfer und Sanitätspersonal hochqualifiziert sein und umfassend mit Sanitätsmaterial ausgestattet werden. Auch müsse die Ausbildung an die Lehren aus dem Ukraine-Krieg angepasst werden, sowohl des eigenen Personals als auch für des Nicht-Sanitätspersonal. „Die zivilen Kliniken in Deutschland müssen auch Kriegschirurgie können“, erläutert die Sprecherin gegenüber cpm Defence Network. Bereits im Rahmen der Kleeblattmission fand die Verteilung ukrainischer Verwundeter auf verschiedene Bundesländer statt. Bislang übernahm Deutschland die medizinische Versorgung von über 900 verwundeten ukrainischen Soldaten, größtenteils in zivilen Krankenhäusern.

In Anbetracht dieser Erkenntnisse steht Deutschland vor der Aufgabe, rasch und entschlossen auf die Anforderungen der heutigen sicherheitspolitischen Lage zu reagieren und somit die Sicherheit und Gesundheit seiner Streitkräfte zu gewährleisten.

Christina Bornheim

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