Mit Starlink in den Krieg

Das Satellitensystem Starlink des amerikanischen Milliardärs Elon Musk entwickelt sich immer mehr zu einem militärischen Asset. Als schnelle Hilfe für die Ukraine stellt dieser Kommunikationsservice das Rückgrat der Führungsfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte dar und beweist, dass die zivile Infrastruktur der militärischen auch im Weltraum überlegen ist, zumindest in Bezug auf Leistungsfähigkeit. Doch dies stellt moderne Streitkräfte wie die Bundeswehr vor ein Dilemma.

Ein ukrainischer Soldat baut ein Starlink-Terminal auf.
Ein ukrainischer Soldat baut ein Starlink-Terminal auf.
Foto: Ukraine Military Center

Zwei Probleme ergeben sich für den militärischen Nutzer: Sicherheit und Verfügbarkeit. Bezogen auf die Sicherheit stellt der Weltraum eine klare Herausforderung dar. Jeder Interceptor, der ballistische Raketen im Upper Tier abfangen könnte, kann auch Satelliten vernichten. Wenn sie tief genug in der Umlaufbahn kreisen, kommen noch sehr viele weitere Lenkflugkörper und Abfangmissiles als mögliche Angreifer in Frage.

Hinzu kommt die Störbarkeit durch Elektronische Kriegführung. In den letzten Monaten waren russische Einheiten immer wieder in der Lage, Starlink zu stören und dadurch die Wirksamkeit der ukrainischen Truppen zu reduzieren. Diese Störungen treten allerdings erst jetzt, also nach über zwei Jahren Krieg, auf und sind zudem nicht durchgehend, ein Beweis für die Resilienz des Aufbaus. Außerdem sollen die Angriffe relativ einfach aufgebaut sein, wie aus Kiew zu hören ist. Es handelt sich um typische DDoS-Angriffe, bei denen die Systeme mit großen Datenmengen überlastet werden.

Zum Punkt Verfügbarkeit: Aktuell besitzen nur die zivilen Anbieter, allen voran Starlink, eine ausreichende Kapazität an weltraumgestützter Kommunikationsnutzlast, alle Streitkräfte im Einsatz sind mindestens auf den Zukauf von Bandbreiten angewiesen.

Roboter mit Starlink-Führung

Im industriellen Bereich reagieren die Unternehmen bereits auf das gut ausgebaute zivile Angebot. Auf der nächste Woche in Paris stattfindenden Eurosatory wird Milrem Robotics ein mittels Starlink gelenktes unbemanntes Bodenfahrzeug (UGV) zur Kampfunterstützung vorstellen.

„Mit dem neuesten Kommunikationssystem können unbemannte Kampfunterstützungsfahrzeuge sicher auf dem Gefechtsfeld eingesetzt werden. Gleichzeitig bleiben die Bediener selbst in Tausenden von Kilometern Entfernung, was zu mehr Sicherheit und Effektivität bei militärischen Operationen führt“, berichtet das Unternehmen Milrem Robotics.

Starlink wurde hierfür in das UGV THeMIS Cargo CASEVAC integriert, welches aktuell bereits in der Ukraine im Einsatz ist. Dort transportiert es Verwundete, wodurch sich deutlich weniger Helfer in die Gefahrenzone begeben müssen.

Erprobung des Evakuierungsroboters THeMIS Cargo CASEVAC durch die ukrainischen Streitkräfte.
Erprobung des Evakuierungsroboters THeMIS Cargo CASEVAC durch die ukrainischen Streitkräfte.
Foto: Milrem Robotics

„Durch die Nutzung der Satellitenkonnektivität kann das Roboterfahrzeug nahtlos Daten übertragen, Befehle empfangen und wichtige Informationen in Echtzeit weitergeben, unabhängig von seinem Standort auf dem Schlachtfeld“, berichtet Milrem Robotics.

Dies ist dann bereits mehr, als die Fähigkeiten, über welche die deutsche Bundeswehr aktuell verfügt. Für Deutschland müssten entweder geschützte Sanitätsfahrzeuge, von denen es viel zu wenige gibt, ungeschützte Fahrzeuge oder, am wahrscheinlichsten, Soldaten mit Tragen die Verwundeten vom Gefechtsfeld holen. Weil die Bundeswehr weder über entsprechende Roboter noch über ausreichende Kapazitäten im Bereich der Satellitenkommunikation verfügt.

„Diese Entwicklung markiert einen entscheidenden Moment in der Entwicklung der militärischen Robotik und bietet unvergleichliche Möglichkeiten für den Fernbetrieb und die Situationserkennung“, erklärt Raul Rikk, Capability Development Director bei Milrem Robotics. „Dank der Satellitenkommunikation können die Bediener die Kontrolle über den Roboter von einem sicheren und strategischen Standpunkt her ausüben und so die Risiken minimieren, die mit einer direkten menschlichen Beteiligung in Kampfgebieten verbunden sind.“

Rheinmetall strebt in den Weltraum

Das Düsseldorfer Unternehmen Rheinmetall, dessen CEO sich seit Beginn des Ukraine-Krieges als überaus ideenreicher und flexibler Enabler für eine wirksame Unterstützung des angegriffenen Landes etablierte, sieht ebenfalls die Chancen des Weltraums. Auf der vergangene Woche in Berlin stattgefundenen internationalen Luftfahrtausstellung ILA stellte Rheinmetall erste konzeptionelle Ansätze zur Erschließung neuer Geschäftsfelder in der Dimension Space vor.

Für Rheinmetall liegt der Fokus vor allem auf der Integration und Nutzbarmachung von weltraumbasierten Aufklärungsdaten im taktischen Gefechtsfeld, genauer gesagt an maßgeschneiderten Lösungen für taktische Fahrzeuge. Die aktuelle Strategie sieht ein Investment in das Unternehmen ICEYE vor, einem internationalen Anbieter für LEO-SAR Satelliten. Es geht also vorerst um die Investition in weltraumgestützte Aufklärung.

Allerdings ist dies auch nur als ein erster Schritt in die Dimension Space zu werten. „Die Domäne Weltraum ist ein integraler Bestandteil der Verteidigungsstrategie und hat für unsere Kunden große Relevanz“, betont Armin Papperger, CEO von der Rheinmetall. „Wir sind überzeugt, dass wir mit unseren kombinierten Fähigkeiten innovative Ansätze entwickeln können und in Zukunft maßgeschneiderte Lösungen für unsere militärischen Kunden bieten.“

Programm der Europäischen Union

Mit jedem neuen System steigt der Bedarf an Bandbreite, die für militärische Zwecke im Einsatz oder Kriegsfall nur luft- bzw. satellitengestützt sein kann. Jedes unbemannte Bodenfahrzeug (UGV) und jede Drohne (UAV) will schließlich von einer sicheren Basis aus geführt werden. Das deutsch-französische FCAS-Programm sieht hierfür eine Combat Cloud vor, aber sobald die unbemannten Remote Carrier weit vorne die gegnerische Luftverteidigung ausschalten sollen, werden auch diese nur noch autonom agieren oder satellitengestützt geführt werden können.

Die Europäische Union fördert verschiedene Projekte, um die Entwicklung im Space-Bereich europäisch zu fördern. Besonders interessant ist hier die im November 2022 beschlossene Einrichtung einer neuen Weltrauminfrastruktur: Das EU-Satellitensystem „IRIS²“ (Infrastructure for Resilience, Interconnectivity and Security by Satellite = Infrastruktur für Resilienz, Interkonnektivität und Sicherheit durch Satelliten) soll explizit auch für mehr Internetsicherheit sorgen. Für seinen Aufbau wurden 2,4 Mrd. Euro aus dem EU-Programm für sichere Konnektivität (2023-2027) bereitgestellt.

Im Mai 2023 schloss sich dann das Konsortium bestehend aus Airbus Defence and Space, Eutelsat, Hispasat, SES und Thales Alenia Space zusammen. Das Konsortium wird unterstützt durch die Deutsche Telekom, OHB, Orange, Hisdesat, Telespazio, und Thales. Als Ziel nannten die Mitglieder: “Gemeinsam wollen sie eine hochmoderne Satellitenkonstellation auf der Grundlage einer Multi-Orbit-Architektur schaffen, die mit dem terrestrischen Ökosystem interoperabel ist.“

Das europäische Programm geht also in eine ähnliche Richtung wie Starlink, dessen Infrastruktur allerdings bereits erfolgreich in der Nutzung ist. „Starlink ist die weltweit erste und größte Satellitenkonstellation, die eine niedrige Erdumlaufbahn nutzt, um Breitband-Internet zu liefern, das Streaming, Online-Gaming, Videoanrufe und mehr ermöglicht“, ist die offizielle Botschaft des Unternehmens. Auch wenn viele bei Streaming, Videoaufrufen und mehr zuerst an Spiele und Videos denken, sind es solche Unterstützungsdienste, welche die modernen militärischen Systeme benötigen, um wirklich effektiv eingesetzt zu werden.

Die Ukraine zeigt, dass genau diese Konnektivität, diese auf modernste Systeme gestützte Führung militärischer Einheiten und Systeme, einen so gewaltigen Unterschied auf dem Gefechtsfeld macht, dass ein kleines Land wie die Ukraine eine Weltmacht aufhalten konnte. Mit Hilfe von Starlink.

Eigene Satellitenstarts nach Bedarf

„Durch den Einsatz fortschrittlicher Satelliten und Benutzerhardware in Verbindung mit unserer langjährigen Erfahrung mit dem Betrieb von Raumfahrzeugen und Arbeiten in der Erdumlaufbahn, liefert Starlink-Highspeed-Internet mit geringer Latenz für Benutzer auf der ganzen Welt“, berichtet das Unternehmen Starlink und führt weiter aus: „Als weltweit führender Anbieter von Launch-Diensten ist SpaceX der einzige Satellitenbetreiber mit der Möglichkeit, Satellitenstarts nach Bedarf selbst durchzuführen. Durch häufige, kostengünstige Starts werden die Starlink-Satelliten ständig mit der neuesten Technologie aufgerüstet.“

Keine einzige Armee dieser Erde könnte vergleichbare Aussagen zu ihren weltraumbasierten Kommunikationssystemen treffen. Keine einzige Streitmacht der Erde verfügt über eine vergleichbare Infrastruktur im All.

Satelliten als Gamechanger des Krieges

Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig die Ressource „Weltraumgestützte Kommunikation“ ist. Mittlerweile sollen russische Einheiten allerdings in der Lage sein, das System von Elon Musk zeitweise wirksam zu stören. Als Starlink im Frühjahr dieses Jahres vorübergehend sogar komplett für die Ukraine zusammenbrach, dominierten fast sofort wieder die russischen Einheiten die jeweiligen Abschnitte. Vor allem die ukrainischen Drohnen sind auf die Kommunikationsverbindungen angewiesen.

Diese direkten Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen beweisen allerdings auch, dass die Nicht-Nutzung einen entscheidenden militärischen Nachteil bedeutet, der sogar zu einer Niederlage führen kann.

Die Dimension Weltraum ist somit ein gleichberechtigtes Schlachtfeld, dessen Bedeutung für die klassischen Dimensionen immens ist. Doch die wahren Fähigkeiten in dieser Dimension besitzt die zivile Wirtschaft.

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Verwendete Schlagwörter

DigitalisierungKommunikationStarlinkUkraineWeltraum

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