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Führungsfähigkeit in der Dimension Weltraum

Die Fähigkeit zur Planung und Führung von Operationen in der Dimension Weltraum ist Voraussetzung für die militärische Lagebe­urteilungs­- und Handlungsfähigkeit in diesem Operationsraum. Neben der Anwendung und Weiterentwicklung eigener Führungsverfahren ist es ebenso notwendig, gegnerische bzw. nicht­koope­rative Kommunikations-­, Führungs-­ und Wirkungsverfahren im Weltraum aufzuklären und auszuwerten.

Dimension Weltraum: Das Ehepaar Hendel arbeitet gemeinsam im Weltraumlagezentrum in Uedem. Foto: Bundeswehr / Francis Hildemann
Das Ehepaar Hendel, Hauptmann Sascha Hendel und Oberleutnant Isabell Hendel, arbeiten gemeinsam im Weltraumlagezentrum in Uedem
Foto: Bundeswehr / Francis Hildemann

Mehr als 700.000 Objekte mit einer Größe von mehr als 1 cm (ca. 20.000 Objekte > 10 cm), darunter ca. 6.800 aktive Satellitensysteme befinden sich aktuell in der erdnahen Dimension Weltraum. Die Zahl der jährlich in den Orbit verbrachten Nutzlasten steigt von Jahr zu Jahr. Megakonstellationen wie Starlink und OneWeb sollen in ihrer Maximalkonfiguration künftig bereits zusammen über 45.000 Objekte umfassen.

Neben diesen kommerziellen Systemen nimmt derzeit auch die Anzahl der Nutzlasten mit primär- oder sekundärmilitärischem Verwendungszweck zu. Als ein Operationsraum mit zunehmender Objektdichte („congested environment“) sowie eines wachsenden Wettbewerbs kommerzieller und militärischer Nutzer („competitive“ bzw. „contested“) befindet sich der Dimension Weltraum in einer Phase steigender Bedrohungspotenziale.

Dabei werden aktuell insbesondere die Demonstration und Erprobung von bodengebundenen und luftgestützten Anti-Satelliten-Raketen (DA-ASAT), von satellitengestützten kinetischen Wirksystemen gegen andere Satelliten (Co-orbitaler ASAT) sowie die Nutzung bodengebundener und satellitengestützter Erfassung oder die Störung von Datenverbindungen im Rahmen von Space- Electronic-Warfare beobachtet.

Der fortlaufende Einsatz chinesischer und russischer Systeme zur Signalerfassung (SIGINT) im geostationären Orbit und die Störung von Kommunikationssatelliten in der Dimension Weltraum während des russischen Angriffs auf die Ukraine verdeutlicht die Notwendigkeit, sich mit gegnerischen Aufklärungs- und Wirksystemen zu beschäftigen, um die eigene ungehinderte Nutzung des Weltraums zu gewährleisten. Dies begründet den Bedarf an militärischer Kontrolle von Weltraumsystemen im Rahmen von Space C2.

Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Konkurrenzkampfes um die Nutzung von Orbitalpositionen, -umlaufbahnen und Frequenzen zur Bereitstellung weltraumgestützter Fähigkeiten wie Erdbeobachtung, Satellitenkommunikation sowie Positions-, Navigations- und Zeitsignalbestimmung ergeben sich für die Bundeswehr, für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Partner handlungsleitende Abhängigkeiten und Erfordernisse.

Wer streitkräftegemeinsame sowie multinationale Missionen und Einsätze führen will, muss sie auch in der Dimension Weltraum führen können. Den Nukleus der militärischen Führungsorganisation für die Dimension Weltraum in der Bundeswehr bildet im Weltraumkommando der Bundeswehr (WRKdoBw) das Dezernat J3/5 „Planung und Führung von Weltraumoperationen“. Als Führungseinrichtung auf taktischer Ebene ist das WRKdoBw für die zentrale Koordinierung der streitkräftegemeinsamen Wahrnehmung der „Dauereinsatzaufgabe militärische Weltraumnutzung“ verantwortlich.

Schutz von Systemen auf Grundlage von Space Domain Awarness (SDA) in der Dimension Weltraum

Die Führung einer militärischen Weltraumlage in der Bundeswehr erfolgt bereits seit dem Jahr 2011 aus dem ressortgemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen Weltraumlagezentrum (WRLageZ). Im Schwerpunkt ging es dabei bisher um die Sicherheit von Satellitensystemen durch Katalogisierung von Objekten im erdnahen Orbit, Warnungen und Unterstützung in der Manöverplanung zur Kollisionsvermeidung im Orbit, Warnungen vor Gefährdungen am Boden bei Wiedereintritten in die Erdatmosphäre sowie die Beurteilung der Einflüsse von Weltraumwetterereignissen auf technische Systeme im Weltraum und am Boden.

Aufbauend auf dem durch das WRLageZ bereitgestellten Weltraumlagebild (Recognized Space Picture bzw. identifiziertes Weltraumlagebild) wird es im WRKdoBw zukünftig verstärkt darum gehen, die Entwicklung hin zu einem deutlich umfassenderen Lagebild in der Dimension Weltraum zu vollziehen, um die Space Domain Awareness (SDA) zu erreichen.

SDA beschreibt das Lagebewusstsein eines jeden Truppenführers über die eigene Weltraumnutzung und die daraus resultierenden Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten für die eigene Operationsführung sowie den Schutz von Weltraumsystemen vor Auswirkungen gegnerischer Aktivitäten im Operationsraum der Dimension Weltraum.

Die zur Erreichung von SDA zu entwickelnde „Lage in der Dimension Weltraum“ wird in dem für die Planung und Führung von Weltraumoperationen zuständigen Dezernat J3/5 des WRKdoBw als Summe der Teillagen aus den Bereichen „Lage eigener Weltraumsysteme“, „Militärische Nachrichtenlage Weltraum“ (MilNachrLg WR) sowie der bereits erwähnten „Weltraumlage“ geführt werden.

Die „Militärische Nachrichtenlage Weltraum“ (Lage ROT) wird durch das Militärische Nachrichtenwesen (MilNW) im Verbund mit dem System MilNW erstellt. Sie beinhaltet Informationen über die Weltraumnutzung gegnerischer/fremder Staaten (u.a. Absichten, Potenziale, Verfahren und Fähigkeiten), die Bedrohungslage hinsichtlich der eigenen Weltraumnutzung sowie potenzielle Bedrohungen für bundeswehreigene und -genutzte Weltraumsysteme. Außerdem wird über sicherheitspolitisch, technisch und militärisch relevante Entwicklungen in Bezug auf die Dimension Weltraum berichtet.

Auf der durch das Weltraumkommando erstellten Webseite „WhatsIn.Space” kann das Weltall mit seinen Satelliten in Echtzeit beobachtet werden. Foto: Bundeswehr / WRKdoBw
Auf der durch das Weltraumkommando erstellten Webseite „WhatsIn.Space” kann das Weltall mit seinen Satelliten in Echtzeit beobachtet werden.
Foto: Bundeswehr / WRKdoBw

Die „Lage eigene Weltraumsysteme“ umfasst Informationen zum Status, Einsatz und Betrieb bundeswehreigener und – soweit verfügbarer – mitgenutzter Weltraumsysteme. Sie umfasst deren wesentliche Betriebs- und Leistungsparameter, Missions- und Manöverplanung (Mission Timeline), Wartungs- und Betriebszyklen, Anomalien und Fehlerzustände sowie Kontakt- und Reaktionszeiten, ergänzt durch Meldungen der Weltraumnutzer zu etwaigen Einschränkungen der Weltraumnutzung (Lage BLAU).

Für die Planung, Integration, Ausführung und Beurteilung eigener Operationen im Weltraum ist eine umfassende Kenntnis und ein ganzheitliches Verständnis des Operationsumfeldes „Weltraum“ auf Basis der genannten Teillagen zwingend erforderlich. Zur Erstellung der Lage in der Dimension Weltraum stimmt sich das WRKdoBw mit den anderen dimensionsverantwortlichen Kommandos vor allem mit dem Kommando Cyber- und Informationsraum (KdoCIR) ab und arbeitet übergeordneten Dienststellen – wie etwa dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) sowie dem Territorialen Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) – fachlich zu.

Streitkräftegemeinsame Planung von Weltraumoperationen als Grundlage für Handlungsfähigkeit

Weltraumoperationen sind ein Mittel zur Erreichung und Aufrechterhaltung dimensionsübergreifender militärischer Handlungsfreiheit. Dazu ist ein einheitliches Verständnis von Weltraumoperationen für die dimensionsübergreifende Synchronisation und wechselseitige Unterstützung der parallelen Teiloperationen essenziell.

Im Umkehrschluss erfordern Gefahren (z. B. Weltraumwetter, Kollisionsrisiko), Bedrohungen (z. B. die Aufklärung oder Wirkung gegen Satellitensysteme) und Effekte im Weltraum (z. B. der Verlust der Anbindung ferngesteuerter Plattformen durch Uplink-Jamming) regelmäßig Maßnahmen in den betroffenen Dimensionen und Operationsgebieten, um die dortige Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

Dies schließt auch offensive Weltraumoperationen zur Einschränkung der gegnerischen Weltraumnutzung mit ein. Die effektivste Option zur Einschränkung gegnerischer Weltraumfähigkeiten kann dabei durchaus in einer anderen Dimension liegen, z. B. in einer Cyberoperation oder dem Stören im elektromagnetischen Spektrum.

Das neue Gebäude des Weltraumkommandos der Bundeswehr auf dem Paulsberg in Uedem. Foto: Bundeswehr / Jennifer Heyn
Das neue Gebäude des Weltraumkommandos der Bundeswehr auf dem Paulsberg in Uedem.
Foto: Bundeswehr / Jennifer Heyn

Solche defensiven und offensiven Weltraumoperationen werden zukünftig durch die im WRKdoBw eingerichtete „streitkräftegemeinsame Planungsgruppe Weltraumoperationen“ geplant, in der Vertreter des WRKdoBw, des KdoCIR, des EinsFüKdoBw, des Kommandos Luftwaffe (KdoLw), des Bundesministeriums für Verteidigung (BMVg) und je nach Betroffenheit weiterer taktischer Kommandos zusammenarbeiten. Bei dieser Planung werden die Vorgaben der strategischen und operativen Ebene in koordinierende Anweisungen für die taktische Ebene zum Einsatz von Kräften, Mitteln und Fähigkeiten in Form der Space Tasking Order (STO) umgesetzt.

Als Planungsgrundlage dienen dazu die von den Truppenführern in den jeweiligen Einsätzen und Missionen angezeigten Bedarfe hinsichtlich der zu erwartenden Weltraumabhängigkeiten bzw. der erforderlichen Einsatzunterstützung durch Daten, Dienste und Produkte aus der Dimension Weltraum (z. B. Satellitenkommunikationsanbindung, Erdbeobachtungsdaten und andere Produkte zur Sicherstellung der Fähigkeit zur Lagebeurteilung).

Für die Operationsplanung in der Dimension Weltraum folgt daraus die Frage, inwiefern der in den Leistungsprozessen geplante Einsatz der Kräfte und Mittel durch Umwelt- oder Fremdeinwirkungen eingeschränkt wird und welche Schutzsowie Mitigationsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Einsatzunterstützung aus dem Weltraum sowie zum Schutz der Plattformen zwischen den beteiligten Akteuren koordiniert werden müssen.

Space Command and Control (SPACE C2) im Rahmen von Operationen in der Dimension Weltraum

Command and Control (C2) bezieht sich grundlegend auf die Ausübung von Autorität und Befehlsgebung sowie die damit verbundene Kontrolle über zugewiesene Kräfte und Mittel durch einen designierten Befehlshaber mit dem Ziel, den Auftrag zu erfüllen. Dies trifft sowohl auf die Operationsführung im Weltraum als auch auf andere Dimensionen zu. Der Weltraum als „junger Operationsraum“ birgt aufgrund seiner physikalischen Gegebenheiten einige Herausforderungen, die in allen Teilen der Weltraumnutzung zu berücksichtigen sind.

Dazu zählt vor allem der Umstand, dass Weltraumoperationen je nach genutztem Orbitalregime und Dislozierung der Kontrollstationen zwar globale Reichweite besitzen, jedoch aufgrund der Distanz zwischen kommandierendem Bodensegment und der Nutzlast insbesondere im Low-Earth-Orbit (LEO) mitunter keine permanente Verbindung zur Steuerung und Überwachung des Orbitalsegmentes besteht. Die daraus resultierende eingeschränkte Fähigkeit zur direkten und so fortigenKontrolleundSteuerungtaktischerSystemeerhöht die Notwendigkeit resilienter Kommandierungs- und Kontrollverbindungen sowie bis zu einem gewissen Grad von automatisierten und autonomen Operationen.

HauptmannSaschaHendelsitztanseinemArbeitsplatzim Weltraumlagezentrum in Uedem. Foto: Bundeswehr / Francis Hildemann
HauptmannSaschaHendelsitztanseinemArbeitsplatzim Weltraumlagezentrum in Uedem.
Foto: Bundeswehr / Francis Hildemann

Für eine effiziente Operationsplanung und -führung ist es daher unerlässlich, die Zeitfenster und Zugriffsmöglichkeiten auf eigene Systeme zu kennen und diese im Rahmen der Optimierung von Kontroll- und Steuerungsverfahren, insbesondere vor dem Hintergrund gegnerischer Weltraumnutzung und -fähigkeiten, weiterzuentwickeln.

Diese Handlungsfenster und Zeitlinien sind jedoch vor allem für Operationen im LEO zeitlich stark begrenzt, da orbitale Systeme gerade in diesem Orbitregime mehrmals täglich durch die Erfassungs- und potenziellen Wirkungsbereiche fremder Weltraumsysteme manövrieren. Für taktische Reaktionen auf Indikatoren bezüglich gegnerischer einschränkender Aktivitäten besteht daher nur ein zeitlich begrenzter Handlungsspielraum für C2-Interaktionen auf der operativen Führungsebene.

Notwendigkeit von Gesetzen und Regularien zur Gewährleistung von Führungsfähigkeit

Angesichts der bereits diskutierten zunehmenden Entwicklung, Erprobung und Demonstration von Technologien mit teilweise beunruhigendem Counter-Space-Potenzial mangelt es jedoch sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene an Kriterien zur Bewertung und Klassifizierung fremder Weltraumoperationen.

Konkret stellt sich die Frage, welches Verhalten gegenüber einem deutschen Satelliten anhand welcher Kriterien als „Hostile Intent“ bzw. „Hostile Act“ bewertet werden könnte und welche Reaktion (z. B. Selbstverteidigungshandlungen) in welcher Situation gerechtfertigt wäre. Zur Beantwortung dieser Frage müssen politische Positionen und rechtliche Bewertungen in Doktrinen umgesetzt werden, um eine zeitgerechte Bewertungs-, Führungs- und Handlungsfähigkeit möglichst auf der Basis eines multinationalen Konsenses gewährleisten zu können.

Derzeit erfolgen der Betrieb und die Nutzung der bundeswehreigenen Weltraumsysteme im Rahmen des internationalen Rechts und bestehender Verträge. Für den Aufbau einer nationalen Führungsfähigkeit fehlen sowohl strategische Auflagen, Vorbehalte und Rules of Engagement (ROE) für Weltraumoperationen in Friedens-, Krisen- und Kriegszeiten als auch klar geregelte Befugnisse für Entscheidungsträger.

In Anlehnung an die aus der Luftkriegsführung bekannten und in der NATO etablierten Tactical Battle Management Functions (TBMFs) bleibt die Frage zu beantworten, wer für die Operationsführung in der Dimension Weltraum z. B. die Autorität bzw. Befugnis haben sollte, zur Aufrechterhaltung der eigenen ungehinderten Weltraumnutzung die Inspektion oder gar Bekämpfung gegnerischer Systeme anzuordnen.

Mit der zentralen Koordinierung der streitkräftegemeinsamen Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der „Dauereinsatzaufgabe militärische Weltraumnutzung“ hat das WRKdoBw einen klar definierten Auftrag. Hier ist es jedoch auf die Zusammenarbeit mit dem KdoCIR, den Auftragnehmern für den Satellitenbetrieb, dem EinsFüKdoBw, dem TerrFüKdoBw sowie den taktischen Kommandos angewiesen.

Als koordinierendes Element soll zukünftig die personell und materiell im Aufbau befindliche J3-Operationszentrale des WRKdoBw die „Lage in der Dimension Weltraum“ perspektivisch ab dem Jahr 2027 im 24/7-Schichtdienst führen – ein Auftrag für dessen Erfüllung grundlegende Arbeits- und Informationsaustauschbeziehungen identifiziert und etabliert sowie technische Lösungen realisiert werden müssen.

Major Sascha Hendel,
Weltraumkommando der Bundeswehr

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