Das Logistikbataillon 171 im Wandel

Vom Internationalen Krisenmanagement in Afghanistan über die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) bis zum New Force Model – das Logistikbataillon 171 durchläuft einen tiefgreifenden Wandel. Neue Strukturen, neue Herausforderungen, neues Mindset. Im folgenden Fachbeitrag des Autorenteams „Logistikbataillon 171“ lesen Sie, wie sich die Einheit auf die Landes- und Bündnisverteidigung der Zukunft vorbereitet. Der Beitrag erschien zuerst im cpmFORUM.

Einsatzkontingent des Logistikbataillon 171 in Afghanistan. Foto: Bundeswehr
Einsatzkontingent des LogBtl 171 in Afghanistan.
Foto: Bundeswehr

Am 30. Juni 2024 endete für das Logistikbataillon 171 „Sachsen-Anhalt“ (LogBtl 171) die sogenannte Stand-Down-Phase der NATO Response Force (NRF). Stand-Down ist die dritte Phase eines dreijährigen Bereitschaftszeitraums, der sich in Stand-Up (Aufwuchs), Stand-By oder Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) und eben Stand-Down (Fähigkeitsreduzierung) gliedert.

Anfang 2025 wird das LogBtl 171 gemeinsam mit weiteren Verbänden unter der Führung des Logistikregiments 1 (LogRgt 1) die logistische Unterstützung der sogenannten Division 2025 im New Force Model (NFM) der NATO übernehmen.

Seinen letzten größeren Auslandseinsatz im internationalen Krisenmanagement (IKM) hat das Bataillon im Jahr 2020 absolviert. Gleichzeitig wurden logistische Leistungen im 18. Einsatzkontingent Resolute Support in Mazar-e-Sharif und im 14. Einsatzkontingent MINUSMA in Bamako sowie Gao erbracht. In nur fünf Jahren von IKM über VJTF hin zum NFM.

Deutlich veränderte Herausforderungen bedeuten für das Logistikbataillon 171 andere Strukturen, andere Ausbildung, unterschiedliche materielle Ausstattungsgrundlagen und ein anderes Mindset.

Logistik im internationalen Kriesenmanagement

Nach der Wiedervereinigung war Deutschland gefühlt „von Freunden umgeben“. Allgemeiner und politischer Eindruck war, dass Deutschlands Streitkräfte im damalig vorhandenen Umfang nicht mehr benötigt werden. Die Bundeswehr fokussierte sich auf Stabilisierungseinsätze im IKM und richtete sich daran aus.

Gleichwohl war die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) weiterhin verfassungsrechtlicher Auftrag bzw. Aufgabe der deutschen Streitkräfte. Die Anschläge auf das World Trade Center in New York beschleunigten den Prozess zusätzlich. Deutschlands Sicherheit wurde „am Hindukusch“, weit außerhalb der eigenen Landesgrenzen, verteidigt. IKM-Einsätze wurden gegenüber der Landesverteidigung strukturbestimmend.

Im Sinne von Einsatzverbänden „tailored to the mission“ entstand das Kontingentdenken, in dem Soldatinnen und Soldaten verschiedener Verbände für einen bestimmten Zeitraum in Einsatzstrukturen eingesetzt wurden, die so im Grundbetrieb nicht vorhanden waren. Durchhaltefähigkeit wurde durch Rotationsfähigkeit ersetzt

. Die Streitkräfte kamen in einen Rhythmus von Ausbildungs-, Vorbereitungs-, Einsatz- und Nachbereitungsphasen. Ihr Umfang wurde deutlich reduziert. Neben einer rein quantitativen Anpassung wurde die Logistik der Bundeswehr auch qualitativ neu ausgerichtet.

Die bewegliche Bereithaltung von Versorgungsgütern spielte so gut wie keine Rolle mehr. Der quasi-stationäre Einsatz von Kräften in Feldlagern der jeweiligen Einsatzgebiete bestimmte den Fähigkeitsaufbau der Logistik. In Einsatzorten wie Mazar-e-Sharif oder Prizren wurden Munitions- bzw. Betriebsstofflager aufgebaut. Die Lager konnten gegen einen irregulär kämpfenden, deutlich unterlegenen Gegner gut gesichert werden. Eine hohe Bedrohung der logistischen Fähigkeiten in den Einsatzländern war im Regelfall nicht gegeben.

Während Kampfverbände ihre Fähigkeit zum Kampf in hochintensiven Szenaren grundsätzlich erhalten konnten, hat die Logistik der Bundeswehr ihre Fähigkeit zur Unterstützung eines beweglichen Gefechtsverbandes schrittweise reduziert. Ein IKM-optimiertes Logistikbataillon der Streitkräftebasis konnte in zwei stationären Einsätzen gleichzeitig unterstützen. Die Bataillone der Streitkräftebasis wurden „gemischt“ aufgestellt und verfügten in ihrer aktuellen Struktur über Fähigkeiten aller logistischen Geschäftsprozesse:

logistische Führung, Materialbewirtschaftung, Instandhaltung und Transport. Aufgrund der relativ kleinen Umfänge in den Einsatzkontingenten wurde in der Instandhaltung auf Mehrfachbefähigungen der einzelnen Technikerinnen und Techniker gesetzt. Mit wenig Personal konnte demzufolge an einer großen Bandbreite an Fahrzeugtypen „geschraubt“ werden. Der Stab eines Logistikbataillons war auf zwei parallel laufende Einsätze ausgerichtet.

Kern der Steuerung der logistischen Leistungserbringung der Verbände bildete die sogenannte Einsatzzentrale Logistik (EZLog). Auch die EZLog war aufteilbar und konnte zwei Einsatzgebiete logistisch führen. Für ihren Auftrag beim IKM waren die logistischen Kräfte im „Logistischen System der Bundeswehr“ optimiert aufgestellt. Das System hatte sich im Hinblick auf den engen finanziellen und personellen Rahmen bewährt.

Veranschaulichung des Rotationssystems der NRF. Grafik: Bundeswehr
Veranschaulichung des Rotationssystems der NRF.
Grafik: Bundeswehr

Für die Soldatinnen und Soldaten, die zu Zeiten des Kalten Krieges auf LV ausgerichtet und ausgebildet waren, bedeutete die Schwerpunktverlagerung in Richtung IKM eine deutliche Veränderung. Die Einsätze in Afghanistan, im Kosovo oder in Mali waren teilweise gefährlich und trafen bei der heimischen Bevölkerung mehr oder weniger auf „freundliches Desinteresse“. Ihr Leben bzw. ihre Gesundheit in einem weit von der Heimat entfernten Land zu gefährden und im schlimmsten Fall für die Sicherheit und Freiheit Deutschlands zu opfern, war im Zusammenhang mit komplexen politischen Hintergründen nicht leicht zu erklären.

Russlands Überfall auf die Krim

Im Jahr 2014 überfiel Russland die Krim. Im selben Jahr beschloss die NATO während des Gipfeltreffens in Wales als Reaktion auf die russische Aggression einen Aktionsplan. Ein zentrales Element dieses Plans war die Implementierung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) als „Speerspitze“ der NATO. Die VJTF sollte die NATO noch reaktionsschneller machen. Kern dieser sogenannten „Speerspitze“ der NATO ist ein Verband multinationaler Landstreitkräfte in Brigadestärke mit entsprechenden Marine- und Luftstreitkräften.

Deutschland übernahm die Verantwortung für die VJTF in den Jahren 2015, 2019 und 2023. Die Führung der VJTF 2023 übernahm die Panzergrenadierbrigade 37. Das Logistikbataillon 171 wurde zur logistischen Unterstützung der Brigade Leitverband bei der Aufstellung des Logistics Battalion LAND (LogBn LAND).

Zur Aufstellung des Logistikbataillons trugen – ähnlich der Zusammensetzung der IKM-Einsatzkontingente – mehrere Verbände bei. Insgesamt haben fünf Bataillone der mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis mit Personal und Material unterstützt. Jede einzelne Kompanie des Bataillons war mit Personal und Material aus mindestens drei Bataillonen aufgestellt.

Die Befehlsgebung zur Festlegung von gemeinsamen Verfahren bei einer Alarmierung musste im Grundbetrieb kontinuierlich und lageangepasst zwischen den jeweiligen Bataillonsführungen abgestimmt werden. Die NRF-Kompanien waren Einheiten, die erst im Alarmierungsfall entstanden.

Es gab daher keine im Grundbetrieb eingeübten Prozesse, die von allen Soldatinnen und Soldaten verinnerlicht wurden. In gemeinsamen Übungen wurde dieser notwendige Anpassungsprozess zwischen unterschiedlichen Verbandskulturen und -verfahren spürbar. Die Zusammensetzung der einzelnen Kompanien und des LogBn LAND war jedoch notwendig, da im Jahr 2022 kein Bataillon der Streitkräftebasis allein die geforderten Material-, Personal- und Einsatzbereitschaftsforderungen der VJTF stemmen konnte.

Russlands „Vollinvasion“ der Ukraine

In der Folge des russischen Überfalls auf die Krim entstanden in Deutschland neue Konzepte, welche die Gleichgewichtung von IKM und LV/BV nach sich ziehen. Im Logistikkommando der Bundeswehr wurde im Jahr 2015 das Projekt zur „Weiterentwicklung des Logistischen Systems der Bundeswehr“ etabliert.

Das Projekt hatte unter der Führung des Kommandeurs des Logistikkommandos der Bundeswehr und General der Bundeswehrlogistik das Ziel, die Logistik der Bundeswehr hinsichtlich der LV/BV zu untersuchen und verteidigungsfähig auszugestalten. Unter anderem wurden erste Untersuchungen zu den künftigen Strukturen der mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis bei „Larger Formations“ durchgeführt.

Antreten BLUE LIGHTNING. Foto: Bundeswehr
Antreten BLUE LIGHTNING.
Foto: Bundeswehr

Es entstanden Ideen einer gewissen Autarkie bzgl. der Führungsfähigkeit der Logistikbataillone. Gefechtsstandzüge wurden strukturell in den Stabs- und Versorgungskompanien aufgebaut. Gleichzeitig wurde klar, dass die logistische Unterstützung von großen Truppenkontingenten, z. B. einer Division des Heeres, ein ko ordinierendes Element oberhalb der Bataillonsebene benötigt. Unter Verzicht der Aufteilbarkeit der Logistikbataillone und ihrer Stäbe wurden deren Strukturen verkleinert und Regimentsstäbe strukturell etabliert.

Die logistische Unterstützung der Dimension Land wird hinter den Versorgungsbataillonen des Heeres von einem Logistikregiment mit den unterstellten Logistikbataillonen sichergestellt. Das LogRgt fungiert als „Spinne im Netz“ und spannt mit seinen Logistikbataillon als logistischen Knoten ein Netz auf. In diesem werden Unterstützungsleistungen für die Dimensionen hinten quasi-stationär sowie weiter vorn verlegefähig bereitgehalten und der Einsatzlogistik bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt. Die logistische Führung wird hierbei durch die Einsatzzentrale Logistik des LogRgt wahrgenommen.

Dieser Anpassungsprozess wurde vom Logistikkommando der Bundeswehr bereits seit dem Jahr 2015 beschritten. Russlands Voll-Invasion der Ukraine im Jahr 2022 hat diesen bereits eingeleiteten Prozess der Umstrukturierung in Richtung LV/BV verstärkt. Beim NATO-Gipfeltreffen im Juni 2022 wurde das NFM, das die NRF ersetzt, beschlossen. Das NFM soll der NATO ein deutlich größeres Kräftedispositiv mit kurzer Reaktionszeit aus bestehenden Strukturen zur Verfügung stellen.

Durch den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr wurde entschieden, dass die Bundeswehr diese Aufgabe in der LV/BV aus ihrer Grundstruktur heraus erfüllen können soll. Das heißt, die temporäre Zusammenstellung von Verbänden aus Personal und Material der Grundstruktur der Bundeswehr soll der Vergangenheit angehören.

Auf der einen Seite bedeutet dies, dass der erhöhte Aufwand zur Zusammenstellung eines Verbandes wegfällt und damit potentiell der logistische Output sowie die Kaltstartfähigkeit profitiert. Auf der anderen Seite bedarf es noch einiger Kraftanstrengungen, um aus den jeweiligen Verbandsstrukturen heraus hohe Einsatzbereitschaftszahlen zu generieren. Daher müssen die Verbände weiter konsequent bis zur Vollausstattung materiell befüllt werden.

Im persönlichen Umfeld der Soldatinnen und Soldaten ist der aktuelle Auftrag im Gegensatz zum IKM leichter zu vermitteln und damit greifbarer. Gegenüber den IKM-Einsätzen haben viele den Eindruck, dass das Verständnis in Deutschland für die Notwendigkeit des Dienstes in den Streitkräften deutlich gestiegen ist.

Dieser positive Effekt der Wertschätzung wird für Soldatinnen und Soldaten in Einsatzverbänden jedoch durch die Gewissheit eines anderen Umstandes wieder geschmälert. Sollte es zu einem Einsatz im NFM kommen, hat dieser keinen definierten Anfang oder ein vorauszusehendes Ende. Nach einer kurzen Alarmierungsphase beginnt der Einsatz. Seine Dauer ist unbestimmt. Eine Rotation wie bei IKM-Einsätzen ist grundsätzlich nicht mehr vorgesehen.

Der bereits eingeleitete Weg der Umstrukturierung der mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis wird in den Jahren 2024 bzw. 2025 abgeschlossen. Unter anderem werden beginnend am 1. Oktober 2024 leichte und schwere Logistikbataillone aufgestellt. Für das Logistikbataillon 171 bedeutet die Umgliederung zu einem leichten Bataillon eine Anpassung der Fähigkeiten und des Personalkörpers. Damit wird das leichte Bataillon flexibler und agiler. Mit der neuen Struktur wird dem erhöhten Transportbedarf und der Notwendigkeit der dynamischen Bereithaltung von Versorgungsgütern Rechnung getragen.

Zusammenfassung Logistikbataillon 171

Das Logistikbataillon 171 „Sachsen-Anhalt“ hat in der Vergangenheit seine Einsatzfähigkeit in verschiedenen Einsätzen bewiesen. Der missionsangepasste Kräfte- und Materialansatz beim NRF-Auftrag hat sich mit hohem Koordinierungsaufwand bewähren können. Für die zukünftigen Herausforderungen von Landes- und Bündnisverteidigung sind die eingeleiteten Optimierungen zwingend notwendig.

In den Jahren 2024 und 2025 gilt es, die neuen Strukturen einzunehmen und in Übungen unterschiedlicher Art zu validieren sowie Belastungstests zu unterziehen, um sie kontinuierlich weiterzuentwickeln und an die Bedarfe der zu versorgenden Truppenteile anzupassen.

Früher, heute und auch in Zukunft wird gelten, was der ehemalige Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Gerald Funke, über die Logistik sagte: „Logistik gewinnt keine Kriege, aber ohne Logistik gehen Kriege verloren.“ Dieser Verantwortung gerecht zu werden, ist Auftrag und Ansporn für alle Logistikerinnen und Logistiker des Logistikbataillon 171, der mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis und der gesamten Bundeswehr.

 

Autorenteam Logistikbataillon 171

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