Tag 1 der Rü.NET in Koblenz

Die 6. Rü.NET ist eröffnet. Nach einer ungeplanten Bombenentschärfung und Evakuierung des Tagungs- und Ausstellungsbereichs am Vortag eröffnete Tobias Ehlke wie geplant die sechste Auflage der Rü.Net vor mehr als 800 Teilnehmern aus Bundeswehr, Forschung und Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie.

Bei der Rü.Net von cpm in Koblenz konnten die Ausstellungsstücke von wirklich allen Seiten begutachtet werden.
CPM RÜ.NET am 04.09.2024 in Koblenz Foto: CPM/ Sascha Schuermann
Bei der Rü.Net von cpm in Koblenz konnten die Ausstellungsstücke von wirklich allen Seiten begutachtet werden.

„Die Bundeswehr kann trotz vieler Kritik am Beschaffungswesen in der Vergangenheit auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken“, lautete der Tenor der Begrüßung. Dann wies Ehlke auf die durchaus erfolgreiche Arbeit aller Beteiligten an der Herstellung der „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr hin.

Anhand der Beispiele Arrow 3, der mittleren Kräfte, der Optionsausübung für zwei weitere Fregatten der Klasse 126 und aus dem Bereich Munition ist ersichtlich, dass es möglich sei, die besonders dringenden Bedarfe der Truppe schnell und manchmal auch unkonventionell zu befriedigen. Natürlich ginge manches noch nicht schnell genug, es gäbe noch viele Bereiche, in denen Verbesserungen der Abläufe möglich seien, aber insgesamt sei feststellbar, dass die Zusammenarbeit durch den Willen zum Erfolg geprägt sei. Nie war der Dialog zwischen allen Beteiligten wichtiger und besser ausgeprägt als heute, so setzte Admiral Stawitzki seinen Punkt.

In dem folgenden Zwiegespräch erörterte Ehlke anschließend mit dem deutschen Rüstungsdirektor – Vizeadmiral Carsten Stawitzki – nicht nur persönliche Erfahrungen und Empfindungen durch die „Zeitenwende“, sondern auch Einzelheiten der Umsetzung der im Rahmen des Sondervermögens geplanten Vorhaben.

Das Plenum.
Das Plenum.
Foto: cpm / Sascha Schuermann

Dabei stellte er heraus, dass das Erfüllen der NATO-Planungsziele der Gradmesser für das Erreichen der nationalen „Kriegstüchtigkeit“ sei. Um besser zu verstehen, warum wir weiter an der Verteidigungsfähigkeit arbeiten müssten, sei es erforderlich, öfter und intensiver auf das zu achten, was vonseiten der Staatsführung totalitärer Staaten – hier erwähnte er China, Russland und Nordkorea – zu deren Zielen geäußert werde.

Die Schwerpunkte des Handelns liegen aus seiner Sicht in den drei Bereichen: Für das Heer bei den mittleren Kräften, für die Luftwaffe im Erhalt der nuklearen Teilhabe, dies bedeute die Verfügbarkeit des TORNADO bis zum Zulauf der F35 sowie später der F35 selbst, und für die Marine der (Wieder-)Aufbau der Jagdfähigkeiten (U-Jagd, Minenjagd). Dabei sei man gerade im Bereich der Marine auf Partner angewiesen (aktuell Norwegen, Kanada und GBR).

Vizeadmiral Carsten Stawitzki im Gespräch mit cpm-Chef Tobias Ehlke auf der Rü.Net 2024.
Vizeadmiral Carsten Stawitzki (l.) im Gespräch mit cpm-Chef Tobias Ehlke auf der Rü.Net 2024.
Foto: cpm / Sascha Schuermann

„Ich habe jedes Verständnis dafür, dass nach dem Ausbruch des Krieges und nach der Zeitenwende erst mal marktverfügbar beschafft werden musste, um die größten Lücken zu füllen. Aber diesen Weg fortzusetzen würde im Gegensatz stehen, auch zur Strategie, die momentan die Bundesregierung mit ihrer nationalen Sicherheit und Verteidigungsindustrie-Strategie beschlossen hat – mit vielen Prüfungsabsichten drin, aber auch mit einigen handfesten Aussagen. Ich glaube, wir brauchen, um eine starke deutsche nationale Sicherheit und Verteidigungsindustrie zu haben, auch wieder Investitionen in Forschung und Entwicklung.“

Vizeadmiral Stawitzki brachte diesbezüglich Zahlen mit ins Plenum. Der Haushaltsplan des Jahres 2024 weist demnach mit rund 3,42 Milliarden Euro rund 1,12 Milliarden Euro mehr Mittel für den Bereich Forschung, Entwicklung und Erprobung auf als jener im Vorjahr. Das entspricht einer Steigerung von 48 Prozent. Allerdings schließt diese Rechnung das Sondervermögen mit ein. Im Einzelplan 14 sanken die Mittel von 1,85 auf 1,16 Milliarden Euro, obwohl das Sondervermögen ursprünglich gar nicht für den Bereich Forschung und Entwicklung vorgesehen war.

Ein beliebtes Ausstellungsobjekt der Keiler NG von Rheinmetall.
Ein beliebtes Ausstellungsobjekt der Keiler NG von Rheinmetall.
Foto: cpm / Sascha Schuermann

Das Thema der diesjährigen Rü.Net ist mit „Rüstung aus dem Regal – Marktverfügbarkeit um jeden Preis?“ hochaktuell und hinsichtlich der Umsetzung in den einzelnen Vorhaben besonders interessant. Dies machte die anschließende Podiumsdiskussion zwischen dem Abteilungsleiter Rüstung, dem CEO der MBDA Deutschland, dem Direktor der OCCAR, dem Hauptgeschäftsführer des BDSV sowie dem Head of Land Systems der Rheinmetall Electronics Deutschland deutlich.

Im Rahmen der nachmittäglichen Open Sessions wurden einmal mehr auch die Nachteile eines Fokus Marktverfügbarkeit deutlich. Sie kann in laufenden Vorhaben durchaus eine Innovationsbremse darstellen, Innovation, die in einer sich wandelnden schnelllebigen operationellen Umgebung nicht nur eine Berechtigung hat, sondern schon eine Notwendigkeit ist. Offenheit für neue Technologien ist integraler Bestandteil von technischer Kontinuität. So kommt es darauf an, die richtigen und zielführenden Konzepte zu identifizieren, dort gezielt zu investieren, denn die Innovation von heute ist die marktverfügbare Lösung von morgen.

Static Display auf der Rü.Net 2024 in Koblenz.
Static Display auf der Rü.Net 2024 in Koblenz.
Foto: cpm / Sascha Schuermann

Luftverteidigung stand auch bei dieser Veranstaltung an oberster Stelle des Interesses. Zeigt sich doch aus den Erfahrungen des Ukrainekrieges, dass der Schutz gegen Bedrohungen aus der Luft sowohl für die Zivilbevölkerung als auch insbesondere für landgebundene Kräfte ein Faktor der Überlebensfähigkeit ist.

Die Vorträge des Nachmittags trugen dem Rechnung und so wurden nicht nur aktuelle Produkte, sondern auch Strategien und die hierzu erforderlichen materiellen Voraussetzungen erörtert. Marktverfügbarkeit kommt auch hier in immer häufigeren Fällen zur Anwendung, so ist z. B. der Skyranger 30 eine mobile marktnahe C-UAS Lösung für Europa.

Fachgespräche zwischen Bundeswehr und Industrie.
Fachgespräche zwischen Bundeswehr und Industrie.
Foto: cpm / Sascha Schuermann

Marktnah bedeutet in diesem Zusammenhang, dass viele Komponenten bereits verfügbar waren, für einzelne Bereiche wie dem Turm waren Anpassentwicklungen erforderlich. Dabei kam der Einheitlichkeit von Schnittstellen eine besondere Bedeutung zu, denn Kunden aus unterschiedlichen Nationen haben unterschiedliche Anforderungen an Fahrzeug, Waffen und Kommunikations- und Führungssysteme.

Ein weiteres System, das nicht nur vorgestellt, sondern auch im Rahmen der Ausstellung besichtigt werden konnte ist das GUARDION, ein nicht letales auf dem HPEM Effekt basierendes C-UAV System zum Schutz militärischer Hochwertziele und kritischer Infrastrukturen. Drohnen jeder Größe machen einen immer größer werdenden Anteil der Bedrohung aus. Drohnenabwehr – und das wurde in einem Vortrag aufgezeigt – muss zukünftig als ein integraler Bestandteil des elektronischen Kampfes angesehen werden.

Blick über die Ausstellung im Inneren der Rhein-Model-Halle.
Blick über die Ausstellung im Inneren der Rhein-Model-Halle.
Foto: cpm / Sascha Schuermann

Begleitet wird der „Konferenzteil“ der Rü.Net durch eine beeindruckende Ausstellung. Ca. 120 Aussteller der nationalen und internationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie präsentieren ihre Lösungen zum Herstellen der „Kriegstüchtigkeit“ nationaler und internationaler NATO-Streitkräfte. Marktverfügbarkeit wird hier „anfassbar“, den auf den diversen Ständen können nicht nur Konzepte begutachtet werden, sondern auch Firmenlösungen sowohl aus dem Land-, als auch dem Luft- und Seebereich tatsächlich in die Hand genommen und bedient werden.

Abschluss fand der erste Tag der 6. Rü.NET mit einem Kommunikationsabend bei dem nicht nur gegessen oder getrunken, sondern auch fachlich diskutiert und kommuniziert werden konnte. Eine ausgezeichnete Möglichkeit zum „Networking“, und das ist ja das übergeordnete Ziel derartiger Veranstaltungen: die unterschiedlichen Player aus unterschiedlichen industriellen Branchen, Forschung und Bundeswehr zusammenzubringen, um die Basis für die weitere Fähigkeitsentwicklung zu legen.

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