Im Juni ist es so weit, die neuen Verteidigungsplanungen der NATO werden vorgelegt. Wie CPM Defence Network aus gut informierten militärischen Kreisen erfahren konnte, wird die Forderung der Allianz an Deutschland bei 395.000 Soldaten liegen. Aktuell verfügt die Bundeswehr – laut der letzten offiziellen Zahl aus dem BMVg vom 28. Februar 2025 – allerdings nur über 182.667 Soldaten.
Vom 24. bis zum 26. Juni wird in Den Haag in den Niederlanden der nächste NATO-Gipfel stattfinden. Bei diesem Gipfel soll der neue Verteidigungsplan beschlossen werden, mit dem die Allianz auf die anhaltende russische Aggression reagiert. Europa muss zur Abwehr dieses Imperialismus mehr Soldaten und Waffensysteme verfügbar halten, so viel war allen Entscheidern seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine klar. Doch Verhandlungen dauern, besonders wenn konkrete Zahlen gefordert sind.
Aus diesem Grund gingen die bisherigen Planungen von den vorhandenen Einheiten und Soldaten aus, mit den neuen NATO-Plänen soll allerdings die Zukunft gestaltet werden. Inklusive konkreter und eher eng gesetzter Zeitvorgaben, bis wann die Zukunft eingenommen sein muss.
Für Deutschland hält diese Zukunft allerdings eine Bundeswehr in der Stärke von mindestens 395.000 Soldaten bereit, denn so viele gilt es einzumelden, um die Bündnispflicht zu erfüllen, wie CPM Defence Network erfahren konnte.
Kann Deutschland sich die NATO-Forderung leisten?
Angesichts der aktuellen Personallage von knapp 183.000 Menschen in Uniform müsste die Bundeswehr also um über 100.000 Soldaten anwachsen (da in der Gesamtrechnung die Reserve mit einfließt), um die neue NATO-Forderung zu erfüllen. Eine scheinbar unlösbare Aufgabe, sowohl finanziell als auch personell, wenn man einigen Strategen aus dem politischen und militärischen Bereich glaubt. Dabei liegt diese Zahl noch deutlich unter den Personalstärken des Kalten Krieges.
1988 verfügte die Bundeswehr über 495.952 Soldaten. Selbst kurz nach der Wiederaufstellung deutscher Streitkräfte im Jahr 1959 bestand die Bundeswehr aus 248.800 Soldaten (beide Zahlen gelten nur für Westdeutschland). Hinzu kam in 1988 noch der Bundesgrenzschutz mit 29.376 Polizisten. Dabei besaß Westdeutschland 1988 nur knapp 62 Millionen Einwohner, heute sind es für Gesamtdeutschland rund 83 Millionen Menschen.
Auch die Abgabenquote der Einkommen spricht kaum gegen eine größere Bundeswehr. Im Jahr 1990 lag diese (für Westdeutschland) bei 37,3 Prozent, im Jahr 2024 für Gesamtdeutschland bei 40,8 Prozent. In jenen Zeiten, als die Bundeswehr in Westdeutschland mehr als doppelt so groß war wie heute, besaß die Bundesrepublik also weniger Menschen die zudem weniger Abgaben zu leisten hatten.
Die Bundeswehr zur Verteidigung
Es gilt allerdings zur Herstellung der Verteidigungsfähigkeit eine andere Ausrichtung zu finden, die Menschen und Finanzmittel anders einzuteilen, damit Deutschland sich aktiv am Schutz Europas vor dem russischen Imperialismus beteiligen kann.
Zwar leistet Deutschland bereits seinen Beitrag im Rahmen der Möglichkeiten. Die Brigade in Litauen ist ein Beispiel, die Patriot in Polen ein weiteres. Doch Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt, es kann deutlich schneller produzieren als Europa.
Auch auf diese Entwicklung muss der kommende NATO-Gipfel in Den Haag eine Antwort finden. Und Deutschland wird Teil dieser Antwort sein, mit mindestens 395.000 Soldaten.
Die Überlegungen der militärischen Spitze
Was der notwendige Aufwuchs der Bundeswehr bedeutet, hatte General a.D. Eberhard Zorn, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, erst vor wenigen Wochen im Interview mit CPM Defence Network berichtet. Ohne eine konkrete Personalstärke nennen zu wollen, sagte General a.D. Zorn: „Die Rede ist von fünf bis sieben zusätzlichen Brigaden für Deutschland. Jede Brigade bringt ihre Enabler mit, von Artillerie bis Logistik. Das würde auf zwei zusätzliche Divisionen hinauslaufen, neben unseren bestehenden drei – die ohnehin noch nicht voll ausgestattet sind.“
Diesen Aufbau hält General a.D. Zorn allerdings für leistbar: „Materiell ließe sich das stemmen, wenn die Industrie Planungssicherheit hat. Personell wird es schwieriger, zumal das Heer sehr mannschaftsintensiv ist. Viele fordern daher die (Wieder-)Einführung der Wehrpflicht. Ich persönlich denke perspektivisch sogar an eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen, mit Wahlmöglichkeiten – aber der organisatorische und infrastrukturelle Vorlauf wäre enorm.“
Dennoch gebe es keine Alternative zu diesem Aufwuchs, wenn die NATO das neue, aggressive Russland weiterhin von einem Angriff auf das Bündnis abhalten wolle.
Auch sein Nachfolger als Generalinspekteur, General Carsten Breuer, erklärt den Aufwuchs der Bundeswehr als notwendiges Mittel zu einer wirksamen Abschreckung gegenüber Russland. „Für unsere Zusagen gegenüber der NATO und die Umsetzung des O-PLAN Deutschland benötigen wir insgesamt etwa 460.000 Soldatinnen und Soldaten“, sagte General Breuer bereits vor sechs Monaten im Interview. „Derzeit liegt die Sollstärke der Bundeswehr bei rund 200.000 aktiven militärischen Dienstposten. Hinzu kommen 60.000 grundbeordete Reservistinnen und Reservisten, macht 260.000. Die Differenz werden wir in den kommenden Jahren maßgeblich über den neuen Wehrdienst gewinnen.“
General Breuer nannte dabei als Zeitplanung: „Der Aufwuchs wird schrittweise erfolgen, so wie es unsere Ausbildungskapazitäten erlauben. Wir wollen mit ca. 5.000 Männern und Frauen beginnen und diese Zahl dann kontinuierlich steigern. Bis wann müssen wir soweit sein? Diesen Zeitpunkt diktiert jemand anders: Putin. Gemäß unseren Analysen kann dieser Fall in fünf bis acht Jahren eintreten.“
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