RUAG: Zeitenwende in der Schweizer Rüstungsindustrie

Mitten zwischen Bergen und Bergseen liegen die 16 Standorte, an denen das Schweizer Unternehmen RUAG seine Leistungen für die Bereiche Verteidigung, Sicherheit und Katastrophenschutz leistet. Mit besonderem Footprint bei der Luftfahrt stellt RUAG dabei Services bereit, auf die auch die deutsche Bundespolizei sowie die Bundeswehr zurückgreift – weil sie zuverlässig und vor allem schnell sind.

Die Maintenance von Hubschraubern erfordert neben technischem Know-how auch einen besonderen Fokus auf der Ersatzteilplanung, da einige Elemente Jahre bis zur Lieferung brauchen. RUAG konnte beides optimieren und damit selbst größere Upgrades und Wartungen innerhalb von wenigen Monaten realisieren.
Die Maintenance von Hubschraubern erfordert neben technischem Know-how auch einen besonderen Fokus auf der Ersatzteilplanung, da einige Elemente Jahre bis zur Lieferung brauchen. RUAG konnte beides optimieren und damit selbst größere Upgrades und Wartungen innerhalb von wenigen Monaten realisieren.
Foto: RUAG

Hubschrauber sind sowohl wartungsintensiv als auch – dadurch – teuer. Die Bundeswehr musste dies am eigenen Leib erfahren, als über mehrere Jahre bei den Kampfhubschraubern Tiger nur ein Klarstand von um die 30 Prozent gemeldet werden konnte. Grund dafür waren die langen Wartungszyklen, die von mehreren Monaten bis zu über einem Jahr dauern konnten, letzteres z.B. für das Upgrade auf den Asgard-Stand.

Großes Upgrade der Hubschrauber in drei bis vier Monaten

RUAG geht einen etwas anderen Weg als die Dienstleister für die Bundeswehr und konnte dadurch eine deutliche Beschleunigung der Wartung für Hubschrauber erreichen. So stehen die Super Puma bei ihrem Upgrade, bei dem die gesamte Elektronik ausgetauscht wird, wodurch sich die Lebensdauer um weitere 15 Jahre erhöht, gerade einmal drei bis vier Monate bei RUAG. Die normale jährliche Wartung ist in ein bis zwei Monaten erledigt.

Erreicht werden konnte dies durch ein durchorganisiertes Ersatzteilmanagement, denn diese Ersatzteile sind die Achillesferse der Hubschrauberwartung. So hat ein neuer Rotorschaft aktuell eine Lieferzeit von ein bis zwei Jahren, wie cpm Defence Network vor Ort erfahren konnte. Der Hersteller des Hubschraubers gibt allerdings vor, dass dieser Rotorschaft alle 3.000 Flugstunden ersetzt werden muss, sonst erlischt die Flugtauglichkeit. Ohne ein weit im Voraus geplantes Ersatzteilmanagement würde der Hubschrauber dementsprechend länger stehen, bis diese knappen Ressourcen zulaufen. Ein Refurbishing wird zudem für eigentlich alle Komponenten durch die Hersteller untersagt, bei besonders seltenen und teuren Systemteilen muss sogar die vollständige Vernichtung nachgewiesen werden.

Wann welche Teile zu ersetzen sind, wird vom Hersteller des Hubschraubers vorgegeben. Dieser zertifiziert zudem die Zulieferer dieser Ersatzteile sowie die zur Abnahme berechtigten Prüfer. RUAG konnte beides erreichen: Das Unternehmen ist sowohl berechtigt gewisse Ersatzteile herzustellen als auch die Hubschrauber nach der Wartung abzunehmen, bis hin zum Prüfflug nach erfolgter Wartung, dank RUAG-eigenen Werkpiloten. Beides Zeichen der guten Qualität der Leistung. Diese und besonders auch die Geschwindigkeit der Wartung überzeugt mittlerweile sogar Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben aus ganz Europa, darunter auch die deutsche Bundespolizei mit ihren Super Puma.

F-35: Technologietransfer dank Endmontage

Ebenfalls im Luftfahrtbereich leistet RUAG aktuell Wartungsdienste unter anderem an den F/A-18 Hornet, doch diese werden ab 2027 durch F-35 ersetzt. Hier wird RUAG als nationales Materialkompetenzzentrum für die F-35 sogar Know-How aus dem transatlantischen Deal erhalten: So konnte erreicht werden, dass vier der 36 Schweizer F-35 nach entsprechender Ausbildung und mit technischer Unterstützung des US-Herstellers Lockheed Martin bei RUAG in der Schweiz endmontiert und getestet werden.

Dies ist explizit kein Produktionsprojekt, sondern soll dem Transfer von Technologie und Know-How dienen.. Für RUAG bietet sich dadurch die Chance, zukunftsfähige High-Tech-Arbeitsplätze im Bereich der militärischen Luftfahrt zu fördern.

Schweizer F/A-18 im RUAG-Werk in Emmen.
Schweizer F/A-18 im RUAG-Werk in Emmen.
Foto: RUAG

Gleichzeitig gelingt hierdurch die Umstellung von der F/A-18 zur F-35, was für die Ingenieure durchaus eine Herausforderung ist. Das aktuelle Schweizer Kampfflugzeug ist noch konventionell gebaut und dadurch mit bekannten Verfahren reparierbar. Die F-35 besteht hingegen fast vollständig aus Komposit Bauteilen, vieles ist geklebt und nicht geschraubt. Die Wartung wird sich also entsprechend umstellen, vom Arbeitsablauf bis hin zu den Hallen und ihren Leistungen.

Kommunikation und Führungsfähigkeit – TaWAN und Ersa IMFS

Neben den Kompetenzen im Bereich der Luftfahrt sind Systeme zur Kommunikation und Führungsfähigkeit ein weiteres wichtiges Standbein des Unternehmens. Im Gegensatz zu Deutschland verfügt die Schweiz noch über Führungsbunker, welche in die Alpen gebaut wurden. Hier sorgte RUAG unter anderem für die Vernetzung und Führungsfähigkeit.

Hinzu kommen die Führungssysteme der Schweizer Streitkräfte und der Miliz. Das Software Defined Networking kann ein Netzwerk aufspannen, bei dem die Schweiz mittels rund 2.000 Knotenpunkten abgedeckt wird. Es handelt sich also um ein statisches System, das die Schweiz aufgrund ihrer üblichen Einsatzgrundsätze wählte.

Der deutsche Ansatz wird in der Schweiz dabei durchaus beobachtet, um aus Use Cases zu lernen.

Sowohl bei TaWAN (Tactial Wide Area Network für Landoperationen) der Bundeswehr wie auch Ersa IMFS (Ersatz Integriertes Fernmeldesystem) der Schweizer Armee liegt eine Schlüsselfähigkeit des Netzwerkes darin, ein rückwärtiges Netzwerk, bestehend aus mehreren tausend Knotenpunkten, dynamisch und resilient bereit zu stellen.

Was hier im RUAG Labor unter den entsprechenden Bedingungen noch einwandfrei funktionieren mag, kommt im Feld mit sich dynamisch bewegenden Knotenpunkten, schnell an seine Leistungsgrenzen. Ein solches Netzwerk muss in der Lage sein, selbstheilend auf das Verschwinden von Knotenpunkten und somit Übertragungsstrecken zu reagieren und automatisch einen alternativen Datenübertragungspfad zu finden.

Um jederzeit eine optimale Netzwerkperformance gewährleisten zu können, gilt es, die verschiedenen Anwender und Anwendungen in getrennten Netzwerkbereichen zu unterteilen. Diese zentrale Aufgabenstellung wird vom Core Networking, oder auch Middle Ware genannt, ausgeführt.

Für den Betrieb eines solchen Netzwerks, bedarf es eines intelligenten Netzwerkmanagements. Hierfür hat die RUAG AG mit TSYM ein leistungsfähiges und miliztaugliches Werkzeug für Software Defined Networking entwickelt, welches die Konfiguration, Einsatzplanung, Überwachung und Betrieb ermöglicht. Damit wird, wie eingangs beschrieben, sichergestellt, dass ein dynamisch und resilientes Netzwerk aus mehreren tausend Knotenpunkten für die Truppen bereit gestellt werden kann.

Neben der Schweiz besitzt RUAG auch internationale Kunden, wo auch Teilsegmente und Lösungen des Unternehmens in deren bestehende Kommunikationsstruktur integriert wurden. Bisher mit positiven Erfahrungen, was für die Flexibilität der Lösungen spricht.

RUAG entwickelt und fertigt zudem mobile medizinische Containersysteme. Sie sind an unterschiedlichsten Orten und auch unter anspruchsvollen Bedingungen einsetzbar. Diese Container dienen beispielsweise der Desinfektion, Sterilisation oder als schnell einsatzfähige Notversorgungszentren.
RUAG entwickelt und fertigt zudem mobile medizinische Containersysteme. Sie sind an unterschiedlichsten Orten und auch unter anspruchsvollen Bedingungen einsetzbar. Diese Container dienen beispielsweise der Desinfektion, Sterilisation oder als schnell einsatzfähige Notversorgungszentren.
Foto: RUAG
Landsysteme von der Wartung bis zur Entwicklung

Wie bei den Luftsystemen überzeugt RUAG auch bei den Landsystemen durch eine zuverlässige und vor allem schnelle Wartungsfähigkeit. Daneben finden Eigenentwicklungen ihren Weg in die Streitkräfte. Das neueste Beispiel ist das von RUAG entwickelte 120mm-Mörsersystem COBRA.

In diesem Jahr liefen die ersten der insgesamt 32 georderten COBRA den Schweizer Streitkräften zu. Das Gesamtsystem besteht aus dem 120mm Mörser von RUAG auf einem Trägerfahrzeug Piranha von GDELS. Der Mörser konnte die Schweizer Beschaffer vor allem durch seine gute Feuerkraft bei gleichzeitig sehr intuitiver Bedienbarkeit überzeugen. Auf diese einfache Handhabbarkeit wurde bei der Entwicklung besonderer Wert gelegt, damit die Systeme in Ernstfall zuverlässig genutzt werden können.

RUAG: Aufgestellt für die Zukunft

All diese Beispiele zeigen: RUAG ist dabei, sich vom Traditions- zum New Age Unternehmen zu entwickeln. Es besitzt neben den zuverlässigen Standbeinen der Wartung und Instandsetzung Entwicklungsabteilungen, die vom Führungssystem bis zum Mörser Innovationen in die Schweizer Streitkräfte bringen. Und es wird mit der Endmontage von vier F-35 Einblicke in das amerikanische Vorzeigekampfflugzeug erhalten, welche durchaus einen Wissensvorsprung gegenüber der internationalen Konkurrenz ermöglicht. Auch wenn sicherlich – wie bei allen militärischen US-Systemen – ein gewisser Anteil immer eine Blackbox bleiben wird.

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