Kritik, Aufrüstung, Rückhalt – Themen auf der Bundeswehrtagung 2025

„Verteidigungsfähigkeit beginnt eben nicht nur auf dem Gefechtsfeld“, stellte Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, heute Morgen in Berlin fest, „sie beginnt in den Köpfen und mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.“ Am zweiten Tag der diesjährigen Bundeswehrtagung standen der OPLAN Deutschland und das Stichwort Gesamtgesellschaftliche Verteidigung im Fokus. Die Veranstaltung, auf der die strategische Ausrichtung der Bundeswehr und die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen diskutiert werden, brachte zudem eine wesentliche Neuerung mit sich.

Bundesminister der Verteidigung Boris Pistorius spricht auf der Bundeswehrtagung 2025.
Bundesminister der Verteidigung Boris Pistorius spricht auf der Bundeswehrtagung 2025.
Foto: Screenshot aus Livestream der Bundeswehr

„Mit der Zeitenwende haben wir vieles angestoßen“, blickte Minister Pistorius auf bereits erfolgte Änderungen. „Wir haben Strukturen verändert, Prozesse beschleunigt, Fähigkeiten ausgebaut. Wir sind auf dem Weg zu insgesamt schlankeren, schnelleren, effizienteren Strukturen.“

Pistorius nannte auf der Bundeswehrtagung Erfolge bei der Beschaffung, bei der das Sondervermögen I von rund 100 Milliarden Euro bereits vollständig verplant ist. Hier gelte nach Ansicht des Ministers: „Die Mischung macht’s“. Auch mit Blick auf die Ukraine sei klar: „Wir brauchen weiterhin Großgeräte wie Panzer, Schiffe und Flugzeuge. Aber genauso natürlich viel mehr innovative Technologien, die uns auf dem Gefechtsfeld der Zukunft bestehen lassen.“

Gegenüber der häufig geäußerten Kritik, dass günstige Einwegdrohnen millionenschwere Kampfpanzer zerstören könnten, erwiderte Pistorius: „Diejenigen, die heute wortreich erklären, wir brauchen in Zukunft nur noch Drohnen, die machen es sich zu leicht.“ Damit sprach Pistorius nur einen von vielen Punkten an, die bei der Bundeswehrtagung und darüber hinaus debattiert werden.

Kanzler Merz sucht den Kontakt zur Truppe

In einem Video-Grußwort meldete sich auch Bundeskanzler Friedrich Merz auf der Bundeswehrtagung 2025 zu Wort. Er erwähnte darin die großen Herausforderungen angesichts der gestiegenen Bedrohungslage – für Deutschland im Allgemeinen und die Bundeswehr im Besonderen. Merz sprach von den politischen Weichen, die bereits gestellt wurden und lobte ausdrücklich Pistorius‘ bisherige Arbeit.

Der Bundeskanzler kündigte an, weiterhin eine enge Verbindung zur Bundeswehr zu suchen, um sich fortlaufend ein eigenes Bild zu machen. „Sagen Sie mir, wo Sie politischen Handlungsbedarf sehen. Sagen Sie mir, wo wir besser werden müssen“, forderte Merz die Truppe auf.

Sicherheit ist Gemeinschaftsaufgabe

Damit macht Kanzler Merz die militärische Verteidigung keinesfalls zu Chefsache. Er drückt vielmehr aus, dass auch er als Regierungschef seinen Beitrag leisten wolle. Schließlich seien Sicherheit und Verteidigung Aufgabe der gesamten Gesellschaft – und damit auch die des Kanzlers.

„Sicherheit entsteht nur dann, wenn Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten“, führte Pistorius diesen Gedanken weiter aus. Am ersten Tag der Bundeswehrtagung habe man dies auf die subjektive Formel „Ich kann nur kämpfen, wenn eine resiliente Gesellschaft hinter mir steht“ reduziert.

Der Preis "Bundeswehr und Gesellschaft"
Auch ein Symbol für die notwendige Brücke: Der Preis "Bundeswehr und Gesellschaft".
Foto: Bundeswehr / Sebastian Wilke

Genau aus diesem Grund habe man den Kreis der Beteiligten an der Bundeswehrtagung in diesem Jahr bewusst größer gewählt. Zum ersten Mal sind neben Vertretern der Politik, Verbänden und der Bundeswehr selbst auch Industrievertreter zugegen. Die Rüstungsindustrie – aber auch Zulieferer, Logistiker und Dienstleister – sind in vielerlei Hinsicht Partner der Streitkräfte und zudem elementarer Bestandteil der Gesellschaft.

Ebenso Teil des gesamtgesellschaftlichen Sicherheitsverständnis‘ ist die Zivilgesellschaft. Sei es durch die Übernahme ehrenamtlicher Aufgaben oder dem, was man im englischsprachigen Raum unter „Support our troops“ versteht.

„Die Bundeswehr kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn sie Rückhalt, Verständnis und Unterstützung in der Gesellschaft hat“, betonte Pistorius, „und das Schöne ist: Sie hat diesen Rückhalt; sie hat ihn wieder. Das zeigen die Umfragen, das zeigen die Bewerbungszahlen und das zeigen die vielen positiven persönlichen Erlebnisse unserer Frauen und Männer in den letzten Monaten.“

Pistorius beschrieb das Bild der Truppe, welches beim Tag der Bundeswehr, bei öffentlichen Gelöbnissen, am Bahnsteig, im Zug oder auf der Autobahnraststätte wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt sei. Und dieser Rückhalt, so der Minister, gälte es zu pflegen: „Ihn müssen wir pflegen, stärken und immer wieder mit Leben erfüllen.“

Generalinspekteur General Breuer über die Zukunft des Krieges

Den Grund – warum materieller und personeller Aufwuchs bei der Truppe und eine gesamtgesellschaftliche Verteidigung überhaupt notwendig sind – rief Generalinspekteur General Carsten Breuer dem Auditorium der Bundeswehrtagung ins Gedächtnis. „Russland hat begonnen, aus eigenen Fehlern zu lernen“, stellte fest.

In seiner Rede erinnert der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, an die aktuelle Bedrohungslage.
In seiner Rede erinnert der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, an die aktuelle Bedrohungslage.
Foto: Screenshot aus Livestream der Bundeswehr

Russland bleibe mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine, seinen hybriden Attacken gegen den Westen und seiner nuklearen Kriegsrhetorik die Hauptbedrohung im europäischen Raum und habe zudem begonnen, sich international stärker zu verbünden – mit China, Nordkorea und dem Iran. Dabei gehe es auch ganz klassisch um Ressourcen, deren Abbau beispielsweise der Hohe Norden durch den Klimawandel ermöglichen könnte.

Doch die Zusammenarbeit der genannten Länder in Opposition zur NATO und zum Westen bedeute eben auch einen Konflikt zwischen den Systemen Demokratie und Autokratie. „Es geht um den Angriff auf unser Denken“, schlussfolgerte General Breuer auf der Bundeswehrtagung treffend. „Deshalb reicht es nicht, in Einsatzgebieten zu denken. Wir müssen in strategischen Räumen planen und handeln, in denen alle Instrumente staatlicher Machtentfaltung zusammenkommen.“

Das Kriegsbild der Zukunft sei demnach „multidimensional, multiregional, multitemporal und zutiefst menschlich.“ An dieser Stelle dränge sich, so General Breuer, die Frage auf, wie die Kriegsführung in der Ukraine die Kriegsführung Deutschlands beeinflusst. Seine Antwort: nur teilweise. „Der Krieg in der Ukraine ist unser Lehrmeister; nicht Vorbild für unsere Kriegsführung; nicht Vorbild für den einen Krieg in der Zukunft.“

Aufwuchs heißt Abschreckung

Aus dem Umstand, dass Russland die Ukraine unterschätzt habe, könne man jedoch lernen, dass Abschreckung ein Kern der Verhinderung eines Krieges sei. „Russland darf niemals annehmen, dass es einen Krieg mit der NATO gewinnen kann, auch nicht, mit einem einzelnen NATO-Staat“, betonte der Generalinspekteur auf der Bundeswehrtagung.

Dazu seien jetzt verschiedene Handlungsanweisungen zu berücksichtigen. Man arbeite auf ministerieller Ebene mit Hochdruck am neuen Wehrdienst, an der Stärkung der Reserve und am materiellen Aufwuchs.

Bundeswehrtagung: Frieden sichern

Doch Vieles kommt nur langsam in die Gänge – im vierten Jahr der russischen Vollinvasion. Die Industrie müsse erst Kapazitäten aufbauen, brauche Planungssicherheit heißt es. Produziertes Material und Munition gehe zuerst in die Ukraine. Das mag sein.

Warum aber wurde erst jetzt ein Anfang gemacht, dem Verrotten der Infrastruktur der Bundeswehr Einhalt zu gebieten? Immerhin feierte ein neuer TV-Werbespot der Bundeswehr heute Morgen seine Premiere: In schnellen Schnitten treffen scheinbare Widersprüche aufeinander. Die Bundeswehr sei „zu jung, zu alt; zu männlich, zu weiblich; zu weiß, zu bunt“ etc..

Diese Diskussionen in der und um die Bundeswehr werden nicht aufgelöst. Sie bündeln sich vielmehr im Kern der Truppe: „Wir sichern den Frieden“ – mit allem, was dazu gehört. Hier schließt sich der Kreis zum oben genannten Thema der diesjährigen Bundeswehrtagung: Verteidigung als Aufgabe für die gesamte Gesellschaft.

Mit WhatsApp immer auf dem neuesten Stand bleiben!

Abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen:

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Verwendete Schlagwörter

BerlinBoris PistoriusBundeswehrBundeswehrtagungCarsten BreuerKonferenzVerteidigung
Index