Anlässlich des polnisch-litauischen Feiertags zum 3. Mai – dem Tag der historischen Verfassung von 1791 – säumten polnische und litauische Flaggen die Straßen, Menschen schwenkten Banner, Chöre sangen in Innenhöfen. Die Verfassung gilt als eine der ersten Europas und steht symbolisch für eine gemeinsame staatsbürgerliche Idee, die weit über Nationalgrenzen hinausweist.
Während des Umzugs sprach ich mit einer jungen Frau in einem Straßencafé, deren Wohnort nur rund drei Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt liegt. Ihre Mutter, sagte sie, sei früh morgens aus dem Heimatort angereist, um mit der polnischen Gemeinde zu marschieren. Als die russische Invasion 2022 begann, habe ihre Mutter in heller Aufregung wichtige Dokumente in einen Aktenordner geheftet. „Einfach, damit man vorbereitet ist“, so die Tochter. Heute, drei Jahre später, sei die Atmosphäre spürbar ruhiger. „Die Präsenz von NATO und Bundeswehr – das gibt einem ein gewisses Sicherheitsgefühl“, sagt sie. „Und der neue Truppenübungsplatz gleich in der Nähe zeigt, dass wir nicht allein sind.“
Tatsächlich entsteht im südlichen Litauen bei Rūdninkai ein neues militärisches Übungsgelände, das eine zentrale Rolle bei der Stationierung der deutschen Panzerbrigade 45 spielen wird. Parallel dazu läuft der Bau eines vollständig ausgestatteten Brigadequartiers. Auf einer Fläche von rund 170 Hektar entstehen Unterkunfts-, Versorgungs- und Instandhaltungseinrichtungen – ausgelegt auf rund 4.800 Soldaten sowie 200 zivile Kräfte. Der symbolische erste Spatenstich fand im August 2024 statt. Die Vollausstattung der Brigade soll bis 2027 abgeschlossen sein.
Die Brigade 45 wurde am 1. April 2025 in Dienst gestellt und untersteht der 10. Panzerdivision. Sie wird mit modernstem Gerät ausgestattet, darunter Leopard 2A8-Kampfpanzer und Schützenpanzer Puma. Ihre dauerhafte Stationierung ist ein zentrales Element der deutsch-litauischen Verteidigungszusammenarbeit – ein Bekenntnis zu glaubwürdiger Abschreckung und gegenseitiger Bündnistreue.
Diese neue Phase deutsch-litauischer Beziehungen ist geprägt von Vertrauen, militärischer Zusammenarbeit und politischer Verlässlichkeit. Bereits seit Jahren beteiligt sich die Bundeswehr an der NATO-Mission „Enhanced Forward Presence“ in Litauen. Doch mit der Entscheidung von 2023, dauerhaft eine Brigade zu stationieren, erreichte diese Partnerschaft eine neue Qualität. Die Regierung in Vilnius sieht in Deutschland einen Garanten für Stabilität und Sicherheit in einer Region, die sich in direkter Nachbarschaft zu autoritär regierten Staaten wie Belarus und Russland befindet.
Auch die symbolische Präsenz ist spürbar: Kampfjets im Tiefflug, verstärkte Patrouillen und Übungsaktivitäten – für viele Litauerinnen und Litauer sichtbare Zeichen der kollektiven Verteidigungsbereitschaft. Und doch bleibt im Alltag Raum für Lebensfreude, für Tradition und Geschichte. Das Gleichgewicht zwischen Wachsamkeit und Normalität scheint gelungen.
Vilnius ist heute mehr denn je ein Spiegelbild eines Landes, das sich nicht als Frontstaat versteht, sondern als gestaltender Teil des europäischen Sicherheitsraums. Zwischen historischen Bekenntnissen, taktischer Abschreckung und zivilgesellschaftlichem Selbstbewusstsein entsteht ein neues Selbstverständnis – in Litauen, für Europa.
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