Studie des IfW: Russland rüstet schneller als Europa

Es ist im Grunde eine Abrechnung mit den CDU-Regierungen der Merkel-Ära (2005 – 2021), welche das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) mit seinem aktuellen „Kiel Report“ vorlegt. Während Deutschland im Jahr 2004 noch über 2.400 Kampfpanzer und 3.000 Artilleriesysteme verfügte, waren es 2021 nur noch 339 Kampfpanzer und 120 Artillerie. Dieser drastische Rückgang zieht sich über alle Bereiche und könnte dramatische Folgen haben. Denn Russland kann seine Verluste durch den Ukraine-Krieg schneller nachrüsten, als Deutschland seine Friedensdividende.

Russland rüstet schneller, als Deutschland seine Abgaben an die Ukraine – hier ein Schützenpanzer Marder – kompensieren kann, so eine Erkenntnis aus dem Kiel Report des IfW.
Russland rüstet schneller, als Deutschland seine Abgaben an die Ukraine – hier ein Schützenpanzer Marder – kompensieren kann, so eine Erkenntnis aus dem Kiel Report des IfW.
Foto: Bundeswehr/Johannes Heyn

Russland sei auf dem Weg, um über 1.200 neue oder überholte Kampfpanzer pro Jahr herzustellen sowie mehr als drei Millionen Artilleriegranaten pro Jahr zu produzieren, zitiert der Kiel Report den SACEUR, General Christopher Cavoli. Dies bedeutet eine Produktionsrate von rund 100 Kampfpanzern und 250.000 Artilleriegeschossen pro Monat, womit die vorhandenen Bestände der Bundeswehr schon nach drei Monaten durch die russische Produktion überflügelt wären.

Russland bleibt kriegsbereit

Doch nicht nur bei der reinen Anzahl liegt Deutschland zurück. „Satellitenkonstellationen wie Starlink sind von grundlegender Bedeutung für die moderne Kriegsführung, insbesondere in Verbindung mit KI-gestützten Führungsinformationssystemen“, nennt der Kiel Report als Lehren des Ukraine-Krieges, welche Russland bereits in seine Streitkräfte implementiert. „Drohnen, Seedrohnen, Hyperschallflugkörper, elektronische Kriegsführung, Cyber-Fähigkeiten, KI-gestützte Systeme sowie kleine und wendige Waffensysteme werden immer wichtiger.“

Diese Auflistung des IfW könnte ebenso gut eine Liste mit Fähigkeiten und Systemen sein, mit denen die deutsche Politik die größten Probleme hat – und die dementsprechend in der Bundeswehr weiterhin fehlen.

Die russischen Produktionskapazitäten geschätzt vom IfW.
Die russischen Produktionskapazitäten geschätzt vom IfW.
Quelle: Kiel Report des IfW

Zudem sind die russischen Streitkräfte laut dem Kiel Report in der Lage, sehr schnell neue Großverbände aufzustellen. Im Mai 2023 seien durch das russische Verteidigungsministerium die Entstehung der 25th Combined Arms Army sowie des 40th und 44th Army Corps verkündet worden. Das IfW prognostiziert anhand der aktuellen Produktionsrate, dass diese Verbände spätestens im Oktober 2024 voll ausgerüstet und einsatzbereit sind.

Das Zahlenspiel der Schützenpanzer

So interessant die im Kiel Report genannten Zahlen auch sind, es bleibt eine deutliche Unschärfe, die unter anderem der bei wissenschaftlichen Untersuchungen üblichen Clusterbildung geschuldet ist. Als Beispiel seien hier die Schützenpanzer (Infantry Fighting Vehicle) genannt. Deutschland besaß laut dem Kiel Report im Jahr 2021 insgesamt 674 Schützenpanzer, gab davon 140 an die Ukraine ab und orderte 193 nach.

Diese reinen Zahlen ergeben ein deutlich verschobenes Bild, solange man nicht einbezieht, dass Marder an die Ukraine gingen und Pumas geordert wurden. Zudem spricht die Bundesregierung in ihrer offiziellen Liste nur von 120 abgegebenen Mardern, die „aus Bundeswehr- und Industriebeständen“ stammen, also deren Weggang nicht vollständig die Bundeswehr betrifft, während die Neubeschaffungen nur der Bundeswehr zu Gute kommen.

Unklar ist auch, was durch das IfW noch zu den Infantry Fighting Vehicles gezählt wurde, da Deutschland bisher nur 50 neue Pumas orderte. Eventuell wurde die Modernisierung von 143 bereits vorhandenen Pumas auf den neuesten Konstruktionsstand mit einbezogen, was zumindest gemeinsam mit den 50 neuen Schützenpanzern die im Kiel Report genannte Zahl 193 ergeben würde, wodurch dann allerdings die Bezeichnung „Units ordered“ nicht mehr stimmt. Es stünden in diesem Fall den 120 abgegebenen Mardern nur 50 zusätzliche Pumas gegenüber, was ein Minus von 70 Schützenpanzern abzüglich der Marder aus Industriebeständen ergibt.

Trotz dieser Schwächen ist der Kiel Report des IfW durchaus lesenswert, da er ein deutliches Bild der Wehrhaftigkeit des Herzens Europas vermittelt und die tatsächlichen Verluste durch die Merkel-Ära beziffert. Das Dokument ist hier abrufbar.

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