Zudem sind die russischen Streitkräfte laut dem Kiel Report in der Lage, sehr schnell neue Großverbände aufzustellen. Im Mai 2023 seien durch das russische Verteidigungsministerium die Entstehung der 25th Combined Arms Army sowie des 40th und 44th Army Corps verkündet worden. Das IfW prognostiziert anhand der aktuellen Produktionsrate, dass diese Verbände spätestens im Oktober 2024 voll ausgerüstet und einsatzbereit sind.
Das Zahlenspiel der Schützenpanzer
So interessant die im Kiel Report genannten Zahlen auch sind, es bleibt eine deutliche Unschärfe, die unter anderem der bei wissenschaftlichen Untersuchungen üblichen Clusterbildung geschuldet ist. Als Beispiel seien hier die Schützenpanzer (Infantry Fighting Vehicle) genannt. Deutschland besaß laut dem Kiel Report im Jahr 2021 insgesamt 674 Schützenpanzer, gab davon 140 an die Ukraine ab und orderte 193 nach.
Diese reinen Zahlen ergeben ein deutlich verschobenes Bild, solange man nicht einbezieht, dass Marder an die Ukraine gingen und Pumas geordert wurden. Zudem spricht die Bundesregierung in ihrer offiziellen Liste nur von 120 abgegebenen Mardern, die „aus Bundeswehr- und Industriebeständen“ stammen, also deren Weggang nicht vollständig die Bundeswehr betrifft, während die Neubeschaffungen nur der Bundeswehr zu Gute kommen.
Unklar ist auch, was durch das IfW noch zu den Infantry Fighting Vehicles gezählt wurde, da Deutschland bisher nur 50 neue Pumas orderte. Eventuell wurde die Modernisierung von 143 bereits vorhandenen Pumas auf den neuesten Konstruktionsstand mit einbezogen, was zumindest gemeinsam mit den 50 neuen Schützenpanzern die im Kiel Report genannte Zahl 193 ergeben würde, wodurch dann allerdings die Bezeichnung „Units ordered“ nicht mehr stimmt. Es stünden in diesem Fall den 120 abgegebenen Mardern nur 50 zusätzliche Pumas gegenüber, was ein Minus von 70 Schützenpanzern abzüglich der Marder aus Industriebeständen ergibt.
Trotz dieser Schwächen ist der Kiel Report des IfW durchaus lesenswert, da er ein deutliches Bild der Wehrhaftigkeit des Herzens Europas vermittelt und die tatsächlichen Verluste durch die Merkel-Ära beziffert. Das Dokument ist hier abrufbar.