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Türkei stellt neue Drohnen vor

In den vergangenen Jahren waren Drohnen sowie deren Abwehr (Counter UAV; C-UAV) die beherrschenden Themen auf den Luftfahrtmessen der Welt. Dieses Jahr war auf das Thema während der International Paris Air Show 2023 Le Bourget nicht mehr ganz so im Fokus. Dennoch ist klar, welche Bedeutung Drohnen für heutige Konflikte haben. Ein Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine oder der Krieg um Bergkarabach 2020 zwischen den Streitkräften Armeniens und denen der Republik Arzach (Aserbaidschan) führen dies nur allzu deutlich vor Augen.
Das System auf der Paris Air Show 2023.
Foto: cpm GmbH/Andre Forkert

In beiden Konflikten waren prominent Drohnen aus türkischer Produktion beteiligt. So setzt die Ukraine unter anderem die türkische Kampfdrohne vom Typ Bayraktar TB2 ein. Und selbst Russland wollte im Juli 2022 Drohnen aus der Türkei erwerben, laut offiziellen Statements jedoch ohne Erfolg. Das gleiche Modell kam auch schon im Bergkarabach-Konflikt zum Einsatz, neben einer großen Anzahl israelischer Systeme.

Die Bayraktar TB2 ist ein taktisches unbemanntes Luftfahrzeug der Klasse Medium Altitude Long Endurance (MALE), das in der Lage ist, Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance (ISR) Missionen sowie bewaffnete Angriffsmissionen durchzuführen. Hersteller ist Baykar Defense (Joint Venture von Baykar Makina und der Kale Group) und die Drohne ist seit 2024 in Nutzung. Zu den 18 Nutzerstaaten gehören neben der Türkei und der Ukraine auch Aserbaidschan, Polen, Katar, Rumänien, Litauen sowie die Kosovo Security Forces. Die Drohne nutzt das Aselsan Common Aperture Targeting System (CATS) kann offiziell vier MAM-L (High-Explosive Gefechtskopf) oder vier MAM-C (Smart Munition Thermobaric Gefechtskopf) aufnehmen. Die Familie der Mini Akilli Mühimmat (MAM) Smart Micro Munition (SMM) ist ein türkisches leichtes luft- und bodengestütztes Waffensystem, das für den Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs) und leichten Kampfflugzeugen optimiert ist. Die Munition ermöglicht den Plattformen Präzisionsschläge zur Luftnahunterstützung (CAS). Neben den beiden zuvor genannten Varianten existiert noch die MAM-T. Hersteller ist Rocketsan aus der Türkei.

Die lasergesteuerte MAM-L SMM (1 m Länge, 22 kg Gewicht) besitzt keinen Raketenmotor und funktioniert als Gleitmunition. Sie kann mit einem (optionalen) panzerbrechenden HE-Spreng-/Splitter- oder Thermobar-Gefechtskopf konfiguriert werden, der durch einen Aufschlag- oder Annäherungszünder gezündet wird. Der Gefechtskopf wurde für den Einsatz gegen leichte Strukturen, ungepanzerte Bodenfahrzeuge, Radarantennen und feindliches Personal entwickelt. Roketsan gibt einen Explosionsradius von 25 m und einen Tötungsradius von bis zu 12 m gegen diese Zielkategorien an.

Die MAM-C SMM (1 m Länge, 6,5 kg Gewicht) besitzt die gleiche Funktionalität und einen Mehrzweck-HE-Gefechtskopf (HE-Sprengsatz, panzerbrechend und Brandsatz).

MAM-T (1,4 m Länge, 95 kg) ist die größere und weitreichendere Variante der MAM-L-Munition. Sie verfügt über einen größeren und verbesserten Gefechtskopf und einen zusätzlichen Starrflügel, der eine größere Reichweite ermöglicht. Der Gefechtskopf wurde für den Einsatz gegen feste und bewegliche Ziele auf größere Entfernungen konzipiert.

ANKA-3 vorgestellt

Auf der Paris Air Show 2023 zeigte Turkish Aerospace Industries (TAI) unter anderem die Drohnen AKSUNGUR, SUPER SIMSEK sowie ANKA. ANKA-3 ist die fortschrittlichste unbemannte und bewaffnete Drohne von TAI und wurde im März 2023 gemeinsam mit dem leichten Angriffs- und Trainingsjet Hürjet sowie dem TF-X Kaan der fünften Generation vorgestellt. Wie die Vorgängermodelle ANKA und ANKA-2, verfügt die neue Drohne über eine hocheffiziente Avionikarchitektur und wird über Bodenkontrollstationen gesteuert. Unter jeder Tragfläche der ANKA-3 ist Lightning-Streumunition verankert. Mit ihrer Nurflügler-Konstruktion verfügt sie laut Hersteller über Tarnkappeneigenschaften. ANKA und ANKA-2 besaßen noch die Standardform einer Drohne. Die maximale Flughöhe der ANKA-3 beträgt knapp 12.200 Meter, und die maximale Flugdauer bis zu zehn Stunden. Damit weicht sie deutlich nach unten anderer MALE-Systeme mit 24 Stunden und mehr ab. Dabei erreicht die ANKA-3 aber deutlich größere Höchstgeschwindigkeiten von 864 km/h (0,7 Mach) und ist für einen schnellen Einsatz auch in entlegene Gebiete geeignet. Dadurch ist sie auch schwerer durch feindliche Systeme zu bekämpfen, als die normalerweise langsam fliegenden MALE-Systeme mit größerer Ausdauer. ANKA-3 kann Nutzlasten von bis zu 1.200 Kilogramm aufnehmen, ihr maximales Startgewicht liegt bei 6.500 Kilogramm. Im Vergleich dazu, die ANKA die In Paris gezeigt wurde, hat eine Spannweite von 17,5 m, eine Flugdauer von bis zu 30 Stunden, eine maximale Flughöhe von 30.000 Fuß (MSL; 12.192 m) sowie ein maximales Abfluggewicht von 1.700 kg.

Akıncı, ebenfalls eine Drohne von Baykar, kann dank Künstlicher Intelligenz (KI) ein eignes Lagebild erstellen und so automatisiert auf neue Situationen reagieren und optimierte Aufklärungsinformationen liefern. Mit einer verdrehten Flügelstruktur und einer Spannweite von 20 Metern kann diese Drohne Präzisionsmunition tragen.

Kemankeş heißt der intelligente Mini-Marschflugkörper des Unternehmens Baykar für den Einsatz gegen strategische Ziele. Die Drohnen Akıncı, TB2 und TB3 desselben Herstellers sind mit Kemankeş kompatibel und können damit ausgestattet werden. Mit seinem durch KI unterstützten autonomen Flugsystem und einem Strahltriebwerk erreicht er eine Flugzeit von einer Stunde und ist äußerst wirksam beim Einsatz gegen kritische Ziele. Auch sein optisches Leitsystem ist KI-gestützt und ermöglicht einen Tag- und Nacht-Einsatz, dabei ist der Marschflugkörper durch Anti-Jamming-Features auch gegen elektronische Störversuche geschützt. Das antriebsstarke Düsentriebwerk gewährleistet eine Reisegeschwindigkeit von 360 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 720 km/h. Selbst nur 30 Kilogramm leicht, kann der Flugkörper noch einen Sprengkopf von 6 Kilogramm befördern. Ab Ende 2023 geht Kemankeş in die Serienproduktion.

SUPER SIMSEK ist ebenfalls ein Marschflugkörper von 4 m Länge und einem Gewicht von 200 kg (Nutzlast 35 kg), der von den Drohnen AKSUNGUR oder ANKA-3 nahe ans Zielgebiet gebracht werden kann. Die Reichweite wird vom Hersteller mit 200 km und die Fluggeschwindigkeit mit 0,85 Mach angegeben.

Kızılelma, ebenfalls aus dem Hause Baykar, wurde als erstes unbemanntes Kampfflugzeug/Drohne mit Turbinenstrahlantrieb in der Türkei entwickelt, das Triebwerk wird von dem ukrainischen Hersteller Ivchenko Progress produziert. Es wird ausschließlich mit türkischer Luft-Boden- und Luft-Luft-Munition ausgestattet und zusammen mit der TB3 von der türkischen Marine eingesetzt werden. Operativer Stützpunkt soll das amphibische Einsatzschiff TCG Ana¬dolu sein. Ab 2024 startet die Serienproduktion von Kızılelma.

Ebenfalls in Paris vor Ort war die Drohne AKSUNGUR von TAI, mit einer Spannweite von 24,2 m, einer Flugdauer von bis zu 50 Stunden und einem maximalen Abfluggewicht von 3.300 kg. Sie kann für Luft-Boden- sowie Luft-Maritime-Einsätze bewaffnet werden.

Mit einigen dieser Drohnen bietet die türkische Industrie heute schon Fähigkeiten an, die in Europa den beteiligten Nutzerstaaten – Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien – über die MALE Eurodrone ab 2030 erst noch zur Verfügung bzw. entwickelt werden soll. Der Erstflug des prototype ist für Mitte 2027 geplant.

 

 

Autor: Andre Forkert, cpm GmbH

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