Über die Türkei: Export trotz Sanktionen

Westliche Exporte nach Russland sind aufgrund der beschlossenen Sanktionen auf Rüstungs-, Luxus und Dual-Use-Güter 2022 deutlich zurückgegangen. Das war auch so beabsichtigt. Gleichzeitig ist jedoch der Export trotz Sanktionen in russische Nachbarstaaten deutlich gestiegen. Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein westliches Druckmittel umgangen werden soll. Dabei spielt die Türkei eine wichtige Rolle, wie die Financial Times berichtet.
Moskau braucht Importe aus dem Westen – Die Türkei sorgt für Export trotz Sanktionen.
Moskau braucht Importe aus dem Westen – Die Türkei sorgt für Exporte trotz Sanktionen.
Foto: Ivan Shilov / Unsplash
  • Im Zeitraum von 2015 bis 2021 betrugen türkische Exporte von Produkten nach Russland, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können, durchschnittlich 28 Millionen Dollar pro Jahr. Die Financial Times hat nun Daten der Zolldatenbank Trade Data Monitor analysiert, nach denen die Türkei im Jahr des Kriegsbeginns 2022 den Export trotz Sanktionen aus dem Westen auf rund 50 Millionen Dollar steigern konnte – oder gerade deswegen.

  • Doch mit dieser Verdopplung es nicht genug. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 seien es sogar Waren im Wert von 158 Millionen Dollar gewesen – mehr als das Fünffache des Vorkriegszeitraums. Auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung veröffentlichte bereits im Februar 2023 eine Analyse des Handels zwischen Russland und seinen Nachbarländern, die einen ganz ähnlichen Trend zeigte: Die Exporte von bestimmten Waren und Gütern in den Kaukasus und nach Zentralasien nahm im vergangenen Jahr zu, während Exporte nach Russland wunschgemäß abnahmen bzw. aussetzten.

    Welche Waren werden vom wem gehandelt?

    Zu den als Dual-Use-Technologie sanktionierten Produkten gehören beispielsweise Mikrochips, Kommunikationsgeräte oder Teleskopvisiere. Solche Produkte dürfen nicht nach Russland, wohl aber nach Usbekistan, Armenien und andere ehemalige Sowjetstaaten verkauft werden – und an den NATO-Partner Türkei. Über Zwischenhändler werden die Produkte dann weiterverkauft und ihre endgültigen Ziele verschleiert. Dass dies von vornherein ein geplanter Export trotz Sanktionen nach Russland ist, kann nur selten zweifelsfrei bewiesen werden. Doch die Zolldaten lassen kaum einen anderen Schluss zu.

    Die Türkei hat von Kriegsbeginn an auf beide Seiten gesetzt und sich nicht an den Sanktionen beteiligt. Auch mit der staatlichen Turkish Airlines werden weiter Ziele in Russland angeflogen. Die Nähe von Staatspräsident Erdogan zu Russlands Herrscher Putin mag beim Getreideabkommen noch hilfreich gewesen sein, beim Export trotz Sanktionen ist sie jedoch ein Problem. Dazu kommen Ex-Sowjetstaaten, die wie Aserbaidschan, Kasachstan und Kirgistan durch eine gemeinsame Zollunion unkompliziert Waren weiter nach Moskau leiten können und gleichzeitig durch ihre kulturelle und historische Verbundenheit zur Türkei über gute wirtschaftliche Kanäle ins Land verfügen.

    USA wollen sich das von der Türkei nicht länger bieten lassen

    Die von den Staaten gemeldeten Import- und Exportzahlen weisen zudem eine Ungereimtheit auf, die besonders die Türkei belastet. So deklarierte Ankara laut der Analyse von Financial Times in den ersten neun Monaten dieses Jahres Exporte der genannten Warengruppen nach Kasachstan im Wert von 66 Millionen US-Dollar. Laut Kasachstan kamen im selben Zeitraum jedoch nur Importe im Wert von 6,1 Millionen US-Dollar aus der Türkei an. Der Verdacht liegt nahe, dass die Exporte direkt nach Russland gingen und nur auf dem Papier über Kasachstan. Zusätzlich Sorge bereitet den westlichen Verbündeten der Türkei, dass das Land nicht nur bei der Umgehung der Sanktionen hilft, sondern auch eigene Rüstungsgüter verstärkt nach Moskau liefert.

    Zumindest die USA wollen jetzt wieder Druck auf die Türkei machen, um die Sanktionsumgehung zu unterbinden. Früheres Einwirken auf das Land hatten nur kurzzeitig geholfen, den Export trotz Sanktionen zu unterbinden. Wie das US-Finanzministerium vorgestern bekannt gab, reist Brian Nelson, Unterstaatssekretär für Terrorismus und Finanzinformationen, in die Türkei, wo er jene Bemühungen diskutieren will, die „Handels- und Finanzaktivitäten zu verhindern, zu stören und zu untersuchen, die den russischen Bemühungen in ihrem Krieg gegen die Ukraine zugutekommen.“

Navid Linnemann

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