Die beiden künftigen Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD haben heute ihren 146 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag vorgestellt. Er beginnt mit dem Thema Sicherheit und Verteidigung. „Deutschland steht vor historischen Herausforderungen“, ist in der Präambel zu lesen. Und: „Die Politik der kommenden Jahre wird maßgeblich darüber entscheiden, ob wir auch in Zukunft in einem freien, sicheren, gerechten und wohlhabenden Deutschland leben.“ Doch wie sieht es mit der Umsetzung und Ausgestaltung aus? CPM Defence Network liefert die Analyse.
„Die Ausgaben für unsere Verteidigung müssen bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich und stringent steigen. Die Höhe unserer Verteidigungsausgaben richtet sich nach den in der NATO gemeinsam vereinbarten Fähigkeitszielen“, berichtet der Koalitionsvertrag zum zukünftigen Verteidigungsetat und vermeidet somit gezielt eine Nennung konkreter Mindestzahlen.
Finanzierung und Beschaffungen für die Bundeswehr
Zur Gewährleistung und Priorisierung weitreichender Beschaffungs- und Rüstungsprojekte soll ein mehrjähriger Investitionsplan für die Verteidigungsfähigkeit eingeführt werden, der „im Einklang mit dem Deutschen Bundestag langfristige finanzielle Planungssicherheit gewährleistet“. In früheren Zeiten – vor dem Ende des Kalten Krieges – wurde dies mit dem Weißbuch und dem daraus abgeleiteten Fähigkeitsprofil der Bundeswehr gemacht, bevor sich das Weißbuch durch das Hinzuziehen von immer mehr Akteuren, Ministerien und Beratern zu einem politischen und somit durchweg neutralen Papier entwickelte.
Zur Verbesserung der materiellen Ausstattung der Bundeswehr, zur einfacheren Nutzung moderner Technologien sowie einer allgemein schnelleren Beschaffung soll das „Planungs- und das Beschaffungswesen“ reformiert werden, kündigen die künftigen Regierungsparteien an.
„Für einzelne Großprojekte, aber auch für Zukunftstechnologiebereiche, die einer hohen Innovationsdynamik unterliegen, werden wir neue Realisierungswege implementieren“, so der Koalitionsvertrag weiter. „In besonders kritischen Bereichen, wie Munition, werden wir verstärkt mit Vorhalteverträgen und Abnahmegarantien arbeiten. Die Verfügbarkeit von Schlüsselressourcen, wie zum Beispiel Sprengstoffen, wird abgesichert.“
Zudem wollen die beiden Fraktionen „empfehlen, die Höhe des Schwellenwertes für Beschaffungsvorlagen zu erhöhen“. Dies würde bedeuten, dass nicht mehr Vorhaben ab 25 Mio. Euro, sondern vielleicht erst ab 50 Mio. Euro oder sogar 250 Mio. Euro dem Parlament zur Billigung vorgelegt werden müssen.
Keine Rückkehr zur Wehrpflicht
Von hochrangigen Militärs, sicherheitspolitischen Experten und auch der CDU sowie CSU war vor der Wahl eine Wiedereinführung der Wehrpflicht bzw. ein verpflichtendes Dienstjahr für Deutschland gefordert worden. Im Koalitionsvertrag konnte sich nun augenscheinlich die SPD mit ihrer Ablehnung der Verpflichtung durchsetzen.
„Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert. Für die neue Ausgestaltung dieses Dienstes sind die Kriterien Attraktivität, Sinnhaftigkeit und Beitrag zur Aufwuchsfähigkeit leitend“, steht im Koalitionsvertrag. „Wertschätzung durch anspruchsvollen Dienst, verbunden mit Qualifikationsmöglichkeiten, werden die Bereitschaft zum Wehrdienst dauerhaft steigern. Wir orientieren uns dabei am schwedischen Wehrdienstmodell. Wir werden noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen.“
Zudem sollen die Rolle der Jugendoffiziere gestärkt und die Arbeitsbedingungen in der Bundeswehr verbessert werden: „Wir machen die Bundeswehr durch flexible Dienstzeit- und Laufbahnmodelle sowie in Fragen der sozialen Fürsorge attraktiver. Das bestehende Arbeitszeitregime für die Bundeswehr passen wir dem veränderten Bedarf der Streitkräfte an. Wir wollen den Anteil der Frauen und von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Bundeswehr erhöhen.“
Bauvorhaben und militärische Liegenschaften
„Die Aufwuchs- und Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte erfordern eine deutliche Steigerung der jährlichen Investitionen in militärische Infrastruktur. Um dies zu erreichen, werden wir das Genehmigungs- und Vergaberecht sowie die Beschaffung, den Schutz und die Widmung militärischer Flächen durch Verfahrensfreistellungen und durch mehr Eigenvollzugskompetenzen für die Bundeswehr vereinfachen.“
Diese kurz gefassten Sätze werden deutliche Auswirkungen auf die Kompetenzen des BMVg und seines nachgeordneten Bereichs haben. Doch damit nicht genug, im Koalitionsvertrag ist zudem festgehalten: „Für militärische Bauvorhaben vereinfachen wir die Bedarfsdefinition und Genehmigung und schaffen mit einem Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz Ausnahmeregelungen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht sowie beim Schutz und der Widmung militärischer Flächen. Die Belange und die Infrastrukturmaßnahmen zur Gesamtverteidigung sind als überragendes öffentliches Interesse festzuschreiben und in der Umsetzung gegenüber anderen staatlichen Aufgaben zu priorisieren.“
Der Nationale Sicherheitsrat kommt
„Wir entwickeln den Bundessicherheitsrat, im Rahmen des Ressortprinzips, zu einem Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt weiter“, ist im Koalitionsvertrag festgehalten. „Er soll die wesentlichen Fragen einer integrierten Sicherheitspolitik koordinieren, Strategieentwicklung und strategische Vorausschau leisten, eine gemeinsame Lagebewertung vornehmen und somit das Gremium der gemeinsamen politischen Willensbildung sein.“
Weitere Elemente sollen zudem auf Bundesebene und im Kanzleramt geschaffen werden: „Für eine ganzheitliche Bewältigung von Krisen braucht Deutschland einen Bund-Länder- und ressortübergreifenden Nationalen Krisenstab der Bundesregierung und ein Nationales Lagezentrum im Bundeskanzleramt, in dem ressortübergreifend ein Gesamtlagebild zusammengefügt wird.“
Hinzu kommt eine Stärkung des militärischen Nachrichtendienstes: „Um uns an die veränderte Sicherheitslage anzupassen, werden wir noch in diesem Jahr das Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst (MAD) umfassend novellieren. Mit einem Artikelgesetz Militärische Sicherheit wollen wir die bisherigen Verfahren bei Sicherheitsüberprüfung und Sabotageschutz verbessern und erheblich beschleunigen.“
Verteidigung eingebettet in die NATO
In den außenpolitischen Kapiteln bekennt sich die zukünftige Regierungskoalition zudem uneingeschränkt zur transatlantischen Partnerschaft, inklusive Nuklearer Teilhabe, zur Stärkung der NATO, zur Einbettung in die EU sowie zur anhaltenden Unterstützung der Ukraine.
Der Koalitionsvertrag liest sich wie eine direkte Fortsetzung der Arbeit von Verteidigungsminister Boris Pistorius, der nach Informationen der Bild-Zeitung zudem auch der künftige Verteidigungsminister sein soll. Der Inhalt des Koalitionsvertrages würde diese Personalie zumindest unterstützen.
Der gesamte Koalitionsvertrag kann hier abgerufen werden.
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