MGCS und der Landkampf der Zukunft

Es wären genau die richtigen Zeiten, um das Konzept des Kampfpanzers der Zukunft zu denken. Die Entwicklungen im Bereich der unbemannten Systeme, Loitering Munition, bei den Panzerabwehrwaffen und natürlich die Lehren aus dem Ukraine-Krieg könnten zur Erfindung eines neuen Landkampfkonzeptes mit entsprechenden Waffensystemen führen. Die Zeit ist also reif für das Main Ground Combat System (MGCS), wenn das Projekt denn militärisch statt politisch getrieben wäre.

Beim MGCS liegt die Zuständigkeit für den Kampfpanzer nicht in einer Hand, wie es etwa bei der Entwicklung des erfolgreichen Leopard-Kampfpanzer – hier zwei getarnte LEOPARD 2 A6 – und KMW war.
Beim MGCS liegt die Zuständigkeit für den Kampfpanzer nicht in einer Hand, wie es etwa bei der Entwicklung des erfolgreichen Leopard-Kampfpanzer – hier zwei getarnte LEOPARD 2 A6 – und KMW war.
Foto: KNDS

„Wir haben den Durchbruch erreicht“, betonte Verteidigungsminister Boris Pistorius am 22. März dieses Jahres und meinte damit die Verhandlungen mit Frankreich zum neuen gemeinsamen Kampfpanzer Main Ground Combat System (MGCS). „Wir, Frankreich und Deutschland, haben uns viel vorgenommen. Neben FCAS, dem Luftkampfsystem der Zukunft, wollen wir eben auch das Landkampfsystem der nächsten Generation gemeinsam entwickeln. Wir sind uns immer einig gewesen. Frankreich hat den Lead beim Luftkampfsystem – aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten auf diesem Gebiet – und wir Deutschen haben den Lead beim Landkampfsystem der Zukunft.“

Der vermeintliche Durchbruch im März

Doch während FCAS beständig Fahrt aufnahm, blieb es um MGCS die ganzen Jahre verdächtig still. Das Fundament für beide Projekte wurde schließlich schon 2018 gelegt, die Verträge zwischen Frankreich und Deutschland 2020 unterzeichnet. Beide Projekte sollten einen ähnlichen Aufbau mit Technologiesäulen haben, für die jeweils eine Nation bzw. eine Firma aus dieser Nation den Lead hat. Für FCAS waren es acht Säulen, wobei die Hauptsäule das Flugzeug ist, dessen Lead Frankreich mit Dassault innehat. An dieser Säule müssen sich alle anderen Technologiebereiche ausrichten.

Genau hieran krankte MGCS – und krankt immer noch, auch wenn Pistorius am 22. März nach dem Treffen mit seinem französischen Counterpart Sébastien Lecornu betonte: „Wir haben uns auf die Verteilung aller Aufgaben für dieses große Projekt verständigt.“ Es sei nun sehr klar abgegrenzt, „ohne Spielraum für Interpretationen oder Missverständnisse, auch von außen“, wer welche Bereiche übernehme. Zudem werde es bei der Produktion eine 50-50-Verteilung zwischen der Industrie der beiden Nationen geben, so der Minister. „Noch im April, nach jetzigem Plan am 26. April, werde ich nach Paris reisen und dieses Memorandum auf Understanding dort gemeinsam mit meinem Freund Sebastian unterschreiben.“

Unter der Überschrift „Durchbruch beim MGCS“ titelten daraufhin mehrere Zeitungen, auch das BMVg veröffentlichte einen Artikel mit diesem Tenor, der mittlerweile allerdings schon wieder von der Page des BMVg verschwunden ist.

Die Probleme des MGCS-Projekts

Allein schon das Verschwinden des Artikels zum Durchbruch bei MGCS von der Page des Verteidigungsministeriums lässt darauf schließen, dass es am 26. April wahrscheinlich doch keine Verkündung der Aufteilung der Technologiesäulen auf die Nationen und Unternehmen geben wird. Auf die Anfrage nach den Namen der Technologiesäulen antwortete ein Sprecher des BAAINBw: „Ich bitte um Verständnis, dass wir Ihre Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten können, da die gewünschten Informationen eingestuft sind.“

Wie cpm Defence Network aus üblicherweise gut unterrichteten Kreisen erfahren konnte, handelt es sich um insgesamt acht Technologiebereiche, in die MGCS aufgeteilt wurde. Diese Aufteilung sei allerdings nicht militärischen oder industriellen Anforderungen geschuldet, sondern rein politisch getrieben. Frankreich war zwar bereit, offiziell den Lead des Projekts an Deutschland abzugeben, aber auch nur, weil es zum damaligen Zeitpunkt unbedingt den Lead bei FCAS für Dassault brauchte. So richtig abgeben will Frankreich aber keine Kompetenzen bzw. wichtigen Bereiche beim neuen Landkampfsystem.

Aus Industriekreisen ist zudem zu hören, ein bisher noch ungelöstes Problem sei, dass Frankreich im Rüstungsbereich alles komplett national produzieren können will. Dies widerspricht der deutschen industriellen Doktrin, gute Zulieferteile auch aus dem befreundeten Ausland zu beziehen, wenn diese besser oder günstiger oder schneller verfügbar sind. Frankreich nimmt lieber Qualitäts- oder Performanceeinbußen in Kauf – zumindest im Landbereich – als auf die nationale Beschaffung zu verzichten. Es darf zudem nicht vergessen werden, dass sich der Großteil der französischen Industrie im Staatsbesitz befindet, im Gegensatz zur rein privaten deutschen Rüstungsindustrie.

Zerstückelung des Kampfpanzers

Als Resultat dieser politischen Befindlichkeiten besitzt MGCS nun also acht Säulen, die sich nicht militärisch oder aus der Herstellung ergaben, sondern den Verhandlungen zwischen den Nationen geschuldet sind. Bei diesen Säulen handelt es sich nach Informationen von cpm Defence Network um: Plattform und Chassis inklusive Antrieb, Turm und Hauptwaffe, Weitere Bewaffnung (Jammer, Laser, Lenkflugkörper), Combat Cloud, Simulation, Sensoren, Schutz (Aktiv und Passiv), Wartung und Unterstützung.

Wie diese Auflistung zeigt, gibt es bei MGCS keine Technologiesäule „Kampfpanzer“, die analog zur FCAS-Säule „Flugzeug“ wäre und bei der Deutschland den Lead haben könnte. Dies war dem Umstand geschuldet, dass Frankreich auf der Zuständigkeit für den Turm bestand. Und danach brach dann der ganze Kampfpanzer auseinander bzw. verteilte sich auf einzelne Häppchen für die Unternehmen.

Kampfpanzer Leopard 2 und Schützenpanzer Puma, diese Kombination gilt es eigentlich auch beim MGCS zu bedenken – plus unbemannte Systeme.
Kampfpanzer Leopard 2 und Schützenpanzer Puma, diese Kombination gilt es eigentlich auch beim MGCS zu bedenken – plus unbemannte Systeme.
Foto: Bundeswehr

Nach ursprünglichen Planungen – mit Verkündung der Ergebnisse des Durchbruchs am 26. April – sollte das BAAINBw noch in diesem Jahr die Verträge an die Industrie vergeben. Insgesamt sind für MGCS aktuell 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, der Kampfpanzer soll 2040+ zur Verfügung stehen.

Politisch-industrielle Betrachtung statt militärischer Planung

Nun könnte natürlich gesagt werden, dass eine Aufteilung des MGCS aufgrund von politisch-industriellen Verhandlungen nichts Schlechtes sein muss, wenn darüber nicht die militärische Sicht vernachlässigt würde. Doch genau dies ergibt sich aus der genannten Einteilung der Säulen aufgrund der nationalen Befindlichkeiten. Während bei FCAS nur eine Säule das aktuell dafür genutzte Hauptsystem – das Kampfflugzeug, was bei MGCS analog der Kampfpanzer wäre – betrachtet, befassen sich alle anderen Technologiebereiche mit den Neuerungen des Luftkampfes, wie beispielsweise mit Remote Carriern oder Stealth-Anforderungen. Dies alles wird zwar beim Commandfighter unter dem Lead von Dassault zusammengeführt, im Mittelpunkt von FCAS steht allerdings der Luftkampf der Zukunft, nicht das Kampfflugzeug der Zukunft. So erhielt z.B. bei FCAS das Zukunftsthema unbemannten Systeme mit Manned-Unmanned-Teaming die eigene Technologiesäule „Remote Carrier“.

Anders bei MGCS in der aktuellen Aufteilung. Es gibt keine Säule Kampfpanzer und somit auch keinen deutschen Lead Kampfpanzer, auf den sich die Betrachtung des Landkampfes der Zukunft beziehen könnte.

Der Landkampf der Zukunft

Kampfpanzer sind die Waffensysteme der vordersten Front. Sie sollen die feindlichen Linien durchbrechen. Doch will man in Zukunft überhaupt noch einen Menschen zum Durchbrechen der Front einsetzen? In diesem Moment der höchsten Gefahr wären eventuell unbemannte Panzer besser geeignet. Auch wenn bei MGCS nur noch eine Zwei-Mann-Besatzung eingeplant ist, sind zwei Menschen schon zwei verlorene Leben zu viel, wenn der Einsatz sie nicht unbedingt erfordert.

Ebenso ist beispielsweise das Konzept der Hauptwaffe mit Pfeilgeschossen durchaus überdenkenswert. Schließlich sind Pfeilgeschosse im Grunde nur noch für Panzerduelle geeignet. Doch genau solche Panzerduelle kommen im Ukraine-Krieg nicht mehr vor. Dort setzen zwar beide Seiten erfolgreich Panzer ein, doch nicht für Duelle. Kein einziger Kampfpanzer wurde in der Ukraine durch einen anderen Kampfpanzer zerstört, sondern durch Minen, Artilleriegeschosse, Lenkflugkörper oder Drohnen bzw. Loitering Munition. Top-Down-Angriffe sind besonders gefährlich für Kampfpanzer, nicht das Duell mit einem frontal oder seitlich anfliegenden Pfeilgeschoss.

Doch alle diese Überlegungen sind nur möglich, wenn – analog zum FCAS – der Kampfpanzer in einer Hand liegt. Denn wenn die Häppchen verteilt sind, dann entwickelt jeder genau das, was gefordert ist. Da Nexter (KNDS Frankreich) den Auftrag für den Turm mit Hauptwaffe erhält, wird es auch einen Panzerturm mit Kanone und Pfeilgeschossen geben.

Eine engere Ausrichtung an militärischen Überlegungen wären notwendig, um sich tatsächlich auf den Landkampf der Zukunft auszurichten. So entsteht der Eindruck, dass eher noch die LEOBEN-Community (Gemeinschaft der Leopard-Nutzerstaaten) mit dem Leopard-Kampfpanzer die Zukunft gestaltet. Auf der Hausmesse von KMW (KNDS Deutschland) befand sich zumindest im Herbst letzten Jahres schon ein unbemannter Kampfpanzer in der Vorführung.

Es gibt sie also, die Überlegungen zum Landkampf der Zukunft. Es gibt sie im deutschen Heer und in der deutschen Industrie. Es gibt sie auch im französischen Heer und der französischen Industrie. Wie sich die politische Zusammenführung all dessen in der praktischen Umsetzung tatsächlich gestaltet bleibt allerdings abzuwarten. Ebenso wie die Verkündung der Zuständigkeiten bei MGCS am 26. April 2024, so sie denn tatsächlich stattfindet.

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BundeswehrDeutsches HeerFCASKampfpanzerKMWKNDSMGCS
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