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155mm-Ramjet-Artilleriegeschoss stellt Rekord auf

Wie Boeing am 9. Oktober mitteilt, wurde bei einem Test für die U.S. Army ein Reichweitenrekord mit einem 155 mm-Ramjet-Artilleriegeschoss aufgestellt. Der Test ist Teil einer Kampagne die Reichweite des indirekten Feuers signifikant zu erhöhen. Das Thema hat die oberste Modernisierungspriorität der U.S. Army.
NAMMO: Die Grafik zeigt die verschiedenen Optionen und Reichweiten des Steilfeuers, hier von einer Panzerhaubitze 2000 aus.
Die Grafik zeigt die verschiedenen Optionen und Reichweiten des Steilfeuers, hier von einer Panzerhaubitze 2000 aus.
Grafik: NAMMO

Einer Mitteilung von Boeing ist zu entnehmen, dass ein Team von Boeing und Nammo zusammen mit Vertretern der U.S. Army den Rekord für den längsten indirekten Feuertest eines staustrahlgetriebenen (Ramjet) Artilleriegeschosses aufgestellt hat. Dabei wurde eine Ramjet 155 mm-Munition von einer 58-Kaliber-Kanone der Extended Range Cannon Artillery (ERCA) auf dem Yuma Proving Ground in Ariz abgefeuert. „Unser Ziel war es, die Fähigkeit zu demonstrieren, mit dem ERCA-System sicher zu operieren und unsere Leistung zu validieren. Beide Ziele wurden erreicht. Das Team arbeitet daran, eine überlegene, erschwingliche Präzisionsschlagwaffe zu liefern, die kritische Ziele auf große Entfernung neutralisieren kann“, sagte Gil Griffin, Executive Director von Boeing Phantom Works.

Der jetzige Erfolg folgt einem Boeing-Nammo-Test von 2022, bei dem der bisher längste indirekte Feuertest einer Ramjet-155-Munition aufgezeichnet wurde. Dieser Test wurde mit einer 39-Kaliber-Schleppkanone auf dem Andøya Test Center in Norwegen durchgeführt. Dies zeigt auch, das das Geschoss in der Lage sein wird, von verschiedenen Geschützsystemen verschossen zu werden.
„Dieses Programm verfügt nun über ein gründlich getestetes Antriebssystem, das enorme Reichweitensteigerungen für alle Artilleriekanonen garantiert. Wir glauben, dass die größten Entwicklungshürden jetzt überwunden sind und die Produktion innerhalb eines relativ kurzen Zeitrahmens möglich ist“, sagte Morten Brandtzæg, CEO von Nammo.

Die Boeing-Nammo-Lösung wird im Rahmen des XM1155-Programms der U.S. Army entwickelt. Der Ramjet 155 gilt als motorisierte Artilleriemunition und verwendet ein luftatmendes Triebwerk, das die für die Verbrennung benötigte Geschwindigkeit durch den Abschuss der Kanone erzeugt. In einem bevorstehenden Test werden Boeing und Nammo ein Präzisionslenksystem in den Ramjet 155 integrieren, das einen Missionscomputer für Joint Direct Attack Munition (JDAM) nutzt. Die Demonstration wird die Reife und Wirksamkeit des Systems gegen stationäre und bewegliche Ziele sowie die Bereitschaft zum Übergang in die nächste Entwicklungsphase bewerten. „Unsere erfolgreichen Tests zeigen, dass Staustrahlgeschosse – eine echte Gemeinschaftsleistung von Boeing und Nammo – die von der U.S. Army gewünschte Reichweite und Präzision bieten. Die Staustrahltechnologie läutet eine Revolution in der Artillerie ein, die die Reichweite deutlich erhöht und unseren Nutzern strategische Vorteile bringt“, sagte Brandtzæg.

Flug des Ramjet-Artilleriegeschosses während des Tests. (Foto: Boeing)
Flug des Ramjet-Artilleriegeschosses während des Tests. (Foto: Boeing)

NAMMO erweitert die Fähigkeiten der US-Artillerie erheblich

Das Ziel bei jedem Waffensystem und Effektor muss der Reichweitenvorteil gegenüber dem Gegner sein. Denn dann kann ich ihn zwar schon bekämpfen, bin aber immer noch vor seiner Bekämpfung oder einem direkten Gegenangriff aus derselben Position sicher. Dies gilt insbesondere im Bereich der Artillerie, wo Russland als potenzieller Gegner deutlich mehr Systeme ins Feld führen kann als die NATO-Staaten. Gerade deshalb ist der Reichweitenvorteil so entscheidend. Hinzu kommen Kriterien wie Wirksamkeit und Treffergenauigkeit (CEP). Derzeit hat die U.S. Army mit ihrer Rohrartillerie – oft gezogene Haubitzen und M109 L52-Geschütze – nur eine Reichweite von bis zu 30 km. Es gibt jedoch mehrere Projekte, um die Reichweite der Artillerie deutlich zu erhöhen.

In einem ersten Schritt soll sie auf 40+ km erhöht werden, wobei die normalen und bereits vorhandenen 155 mm IM HE-ER Geschosse verwendet werden. Die Lenkung ist kompatibel und in einer Reihe von Konfigurationen verfügbar. Dadurch wird die Reichweite der derzeitigen „stummen“ Geschosse erheblich vergrößert, während die Größe des Gefechtskopfes minimal verringert wird. Das derzeitige Geschoss ist an der Basis mit einem Aufsatz versehen, der eine größere Flugweite ermöglicht. Dadurch wird das Geschoss zwar länger, ist aber immer noch voll einsetzbar, ohne dass die Haubitzen L52 angepasst werden müssen. Neben der Erhöhung der Reichweite sind die Geschosse auf eine optimale Kombination aus erhöhter Sicherheit, hoher Leistung und ausgezeichneter Präzision ausgelegt. Die Lösung von NAMMO ist bereits verfügbar.

In einem zweiten Schritt wird die Reichweite dank eines Raketenhilfsgeschosses auf 70+ km erhöht. Dieses befindet sich bereits seit drei Jahren in einer Testphase. General Dynamics ist der Hauptauftragnehmer in den USA. NAMMO liefert den Antrieb für die US-Geschosse und baut die kompletten 155 H IM HE-LR-Geschosse für die norwegischen Streitkräfte, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt sind. Ziel ist die Einführung der Geschosse im Jahr 2023, die bisher mit den Artilleriesystemen Bofors ARCHER von BAE Systems (FH77BW L52 oder Artilleriesystem 08, das in Norwegen und Schweden eingesetzt wird) und einem weiteren L52-Geschütz verschossen wurden. Das 155 mm H IM HE-LR-Projektil ist modular aufgebaut und verfügt über mehrere Gefechtsköpfe. Es ist mit NATO-Standard-Geschützsystemen und Kurskorrekturzündern kompatibel. Es wird von einem Feststoffraketenmotor angetrieben, der für ein gutes Verhältnis zwischen Reichweite und Kosten sorgt. Mit einer Reichweite von mehr als 70 km kann sie alle russischen Rohrartilleriesysteme und einige der Raketenartilleriesysteme dank Reichweitenüberlegenheit bekämpfen.

Parallel dazu entwickelt die US-Armee ein neues Artilleriegeschütz des Kalibers 58, das eine noch größere Reichweite verspricht. Das Waffensystem M1299 Extended Range Cannon Artillery (ERCA) von BAE Systems ist eine verbesserte Variante der Panzerhaubitze M109A7 mit 155-mm-Raupenantrieb. Der derzeitige 38-Kaliber-Turm der M109A7 wird durch eine 58-Kaliber-Version der M907 L58 ersetzt, um ein 30 Fuß langes Geschützrohr aufzunehmen, aus dem das ERCA-Projektil verschossen werden kann. In einer dritten Entwicklungsstufe sollen Reichweiten von 100 bis 150+ km erreicht werden. NAMMO entwickelt und baut in Zusammenarbeit mit Boeing ein 155-mm-Festtreibstoff-RamJet-Projektil, wobei NAMMO den Antrieb liefert. Es wird dann aus Kanonen des Kalibers 52/58 eingesetzt werden und eine Reichweite von 100 bis 150+ km erreichen können. Die US-Anforderung liegt bei 120 km. Das Projektil wird zunächst wie eine normale Artilleriegranate abgefeuert und durch die Standardladungen beschleunigt. Nach Erreichen einer erforderlichen Mindestgeschwindigkeit und der entsprechenden Luftzufuhr kann der RamJet-Antrieb eingeschaltet werden. Dieser kann Höhen von bis zu 80.000 Fuß erreichen und damit die entsprechenden Reichweiten erhöhen. Allein aus dieser Höhe ist ein Gleitflug zum Ziel von bis zu 30 km möglich.

Die 155-mm-Festbrennstoff-RamJet-Lösung kann mit mehreren verschiedenen Lenksystemen integriert werden. Außerdem kann ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nutzlast und Treibstoff erreicht werden, um wechselnde Varianten des Geschosses zu liefern, die den wechselnden Kundenanforderungen entsprechen – in Bezug auf Reichweite oder Zielwirkung. Die 155 mm HE-ExR kann alle herkömmlichen russischen Systeme bekämpfen, so Nammo. Das Geschoss verfügt über ein Precision Guidance System, so dass es mit hoher Präzision gegen hochwertige Ziele eingesetzt werden kann.

André Forkert

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