Munition für Russland

Wie viel (Artillerie-)Munition braucht die Ukraine für ihren Verteidigungskampf, wie viel wird tagtäglich verschossen und wie viel davon können oder wollen die befreundeten Staaten liefern? Auf der Seite des Aggressors wird oft angenommen, dass dessen Bestände schier unerschöpflich seien. Doch stimmt das oder könnte auch Russland von Engpässen bedroht sein? Wie es aktuell mit der Munition für Russland aussieht, haben wir im folgenden Beitrag näher betrachtet.

Munition für Russland – Ein ukrainischer Artillerist feuert die russische Haubitze D-30 ab.
Ein ukrainischer Artillerist feuert eine russische Haubitze D-30 ab.
Foto: DVIDS Public Domain Archive

Von diesen Größenordnungen sprechen wir bei Munition für Russland und die Ukraine: 800.000 Schuss Artilleriemunition will Tschechiens Präsident Petr Pavel in westlichen Beständen ausgemacht haben – bereit für eine schnelle Lieferung in die Ukraine. Das Land arbeitet seither and der Vermittlung von Finanzierung und Lieferung. Eine hohe Zahl im Vergleich zu den vor einem Jahr versprochenen eine Million Schuss aus der EU, von denen nur etwa 300.000 Granaten geliefert wurden.

Neben Lieferungen an die Ukraine sollen auch die europäischen Bestände aufgefüllt werden. Dazu muss die Munitionsproduktion hierzulande deutlich ausgebaut werden, wie jüngst bei Rheinmetall (cpm Defence Network berichtete). In Unterlüß und den übrigen Standorten des Unternehmens sollen zukünftig 700.000 Stück Artilleriemunition pro Jahr vom Kaliber 155 mm produziert werden.

Selbst wenn diese Produktion vollständig in die Ukraine ginge – was nicht der Fall ist – würde sie nicht einmal die Hälfte des dortigen Bedarfs decken. Der wird auf zwei bis 2,4 Millionen Schuss Artilleriemunition pro Jahr geschätzt.

Zahlen & Daten – Das verschießt die russische Armee

Die Angreifer aus Russland planen hingegen mit noch höheren Zahlen. In einem Kommentar für das Royal United Service Institutes (RUSI) nennen die beiden Militärexperten Dr. Jack Watling und Nick Reynolds einen Bedarf an 152 mm und 122 mm Artilleriegeschossen allein für das Jahr 2024 von 5,6 Millionen. Sie stützen sich bei ihren Angaben zur Munition für Russland auf Angaben des russischen Verteidigungsministeriums.

Die russische Führung beabsichtigt auch weiterhin rund 16.000 Granaten pro Tag abzufeuern, wobei bei diesen Zahlen noch keine Raketenartillerie wie beispielsweise Mehrfachraketenwerfer (MLRS) vom Typ BM-21 oder 9A53 Tornado berücksichtigt sind.

Munition für Russland: 152 mm Granaten für die Haubitze 2A65.
Munition für Russland: 152 mm Granaten für die Haubitze 2A65.
Foto: wikimedia / Verteidigungsministerium Russland

Nach Angaben von Watling und Reynolds habe die russische Industrie für das Jahr 2024 eine Produktionskapazität von ca. 1,3 Millionen Granaten vom Kaliber 152 mm und 0,8 Millionen Granaten vom Kaliber 122 mm prognostiziert. In der Ukraine rechnet man hingegen von einer russischen Produktionssteigerung im laufenden Jahr auf jährlich bis zu 4,5 Millionen Granaten und 1.200 Langstreckenraketen.

Munition für Russland aus dem Ausland

Ganz gleich, welche der Schätzungen man zugrunde legt, der Bedarf der russischen Armee ließe sich in keinem Fall aus eigener Produktion decken. Russland muss sowohl sowjetische Reserven aufbrauchen – Watling und Reynolds beziffern diese auf drei Millionen Schuss – als auch auf Lieferungen aus dem Ausland zurückgreifen.

Neben Kamikazedrohnen und Raketen aus dem Iran liefert insbesondere Nord-Korea containerweise alte Sowjetmunition und Eigenproduktionen von Munition für Russland. Auch norkoreanischen Raketenneuentwicklungen sollen zu Testzwecken in der Ukraine genutzt worden sein. Die genau gelieferte Menge ist unklar. Schätzungen des südkoreanischen Geheimdienstes gehen aufgrund der beobachteten Menge an transportierten Containern jedoch von einer halben bis zu drei Millionen Artilleriegranaten aus.

Jetzt scheint allerdings der Transport von Munition für Russland von Nord-Korea aus ins Stocken geraten zu sein. Wie das amerikanische Nachrichten- und Analyse-Portal mit Schwerpunkt Nord-Korea NK Pro berichtet, liefen die vier mit bislang mutmaßlich 32 Munitionstransporten in Verbindung gebrachten russischen Frachtschiffe in den letzten Wochen keinen nordkoreanischen Hafen mehr an. Ob und inwieweit Artilleriegeschosse über China auf dem Landweg nach Russland gebracht werden, ist unklar.

China selbst liefert nach bisherigen Informationen keine Munition für Russland, jedenfalls nicht für Artilleriesysteme. Bekannt wurden lediglich gelieferte Dual-Use-Güter sowie 1.000 als „zivile Jagdgewehre“ deklarierte chinesische M16-Kopien.

Russische Rekordausgaben für das Militär

Forbes Ukraine beziffert die Steigerung des russischen Militärhaushalts auf mittlerweile 6,5 Prozent des BIP. Damit steigt der Militäretat in diesem Jahr um rund 70 Prozent gegenüber 2023 und beträgt ca. 108 Milliarden Euro. Zum Vergleich: die Etats der NATO-Staaten kommen insgesamt auf über 1.200 Milliarden Euro; der Etat der Ukraine auf ca. 40 Milliarden Euro (fast die Hälfte des ukrainischen Haushalts).

Eine russische 152-mm-Haubitze vom Typ 2A85 Msta-B
Eine russische 152-mm-Haubitze vom Typ 2A85 Msta-B
Foto: wikimedia / Vitaly V. Kuzmin

Die gestiegenen finanziellen Mittel führen auch zu einer Produktionssteigerung von Munition für Russland. NPO Splav, Produzent der oben erwähnten Mehrfachraketenwerfer, dazugehöriger Munition und Granaten, verkündete jüngst eine um das Vierfache gestiegene Produktionskapazität durch 90 neu in Betrieb genommene Fertigungsmaschinen seit Jahresbeginn.

Auch in anderen Bereichen der Rüstungsindustrie gibt Russland deutliche Steigerungen an. So verkündigte der russische Machthaber Wladimir Putin im Februar Produktionssteigerungen bei Schützenpanzern um das Dreieinhalbfache und bei Kampfpanzern um das Fünffache. Wobei 80 Prozent der an die Armee ausgelieferten Panzer in Wirklichkeit aufbereitete Fahrzeuge aus Altbeständen sein sollen.

Problematisch sind für Russland weiterhin Ersatzteile bei westlichen Technologien. Auch wenn diese trotz der Sanktionen über südliche Nachbarstaaten weiterhin ins Land kommen, fallen die Stückzahlen bei steigenden Preisen geringer aus.

Munition für Russland: Engpässe trotz Kriegswirtschaft?

Soll und Ist stimmen auch in Moskau nicht überein. Es fällt dem Aggressor zunehmend schwerer, ausreichend Munition für Russland zu beschaffen. Einerseits vermelden Putin und sein Propagandaapparat eine Rekordzahl nach der anderen, andererseits verlieren diese bei genauerer Betrachtung deutlich an Glanz:

Welchen Wert hat eine Steigerung um den Faktor Fünf, wenn als Ausgang die sehr niedrige Produktionsrate von 100 Panzern im Jahr 2022 als Grundlage genommen wird und nicht die davor üblichen 250 pro Jahr? Was bringt es, von gestiegener Munitionsproduktion zu sprechen, wenn absolute Zahlen unter Verschluss bleiben und selbst das Bekannte nicht das Benötigte deckt?

Mit Blick auf die nackten Zahlen sind die Verbündeten der Ukraine besonders in Bezug auf ihre finanziellen Mittel Russland weit überlegen. Nur: Die Produktion läuft hierzulande deutlich schleppender an und – wenn man einzelne Positivbeispiele wie Dänemark und Deutschland außenvorlässt – bunkern viele Staaten in der aktuellen sicherheitspolitischen Lage eher, als der Ukraine das zur Verfügung zu stellen, was sie verfügbar hätten.

Dabei könnte auch der (europäische) Westen „auf Zeit“ spielen, wie es Putin im Fall der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl macht. Schätzungen gehen davon aus, dass das Land ab spätestens 2026 bei der Munition für Russland an seine Grenzen kommt. Es besteht also Hoffnung auf den Freiheitskampf der Ukraine und ein damit einhergehendes Ende der Herrschaft Putins – wenn das Land bis dahin mit ausreichend westlicher Unterstützung durchhalten kann.

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