Die Präsidentin des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Annette Lehnigk-Emden, sieht im neuen Beschaffungsbeschleunigungsgesetz einen wichtigen Schritt, um die Truppe rechtzeitig auszurüsten. Im Interview auf der Handelsblatt Konferenz „Wirtschaftsfaktor Rüstung“ erläuterte sie heute Morgen in Düsseldorf die wichtigsten Neuerungen und ihre Bedeutung für die Praxis einer beschleunigten Beschaffung.
Seit Jahren gilt die Beschaffung von Rüstungsgütern für die Bundeswehr als schwerfällig und bürokratisch – auch wenn sich unter der Ampel-Regierung und angesichts der Zeitenwende bereits einiges getan hat. Doch noch immer gilt: Verträge über 25 Millionen Euro müssen grundsätzlich durch den Haushaltsausschuss des Bundestages genehmigt werden, was zu langen Wartezeiten führt.
Auf der Handelsblatt Konferenz in Düsseldorf machte BAAINBw-Präsidentin Annette Lehnigk-Emden heute deutlich, welche Verfahren die Handlungsfähigkeit bisher massiv einschränkten und welche Verbesserungen sie zukünftig erwartet. Grund für ihren Optimismus ist das „Gesetz zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr“, auch bekannt unter dem sperrigen Namen Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG). Das Gesetz wurde im Juli durch das Bundeskabinett auf den Weg gebracht und muss noch durch das Parlament beschlossen werden.
Das BwBBG – 2. Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz
„Das ist ein sehr gutes Gesetz für die Beschaffungsbehörde der Bundeswehr“, stellte Lehnigk-Emden fest, „weil dieses Gesetz an das erste Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz anknüpft und jetzt noch weitere beschleunigende Faktoren enthält, die in der Lage sind, national – also unabhängig vom europäischen Recht – Beschaffung umzusetzen.“
Konkret nannte die Präsidentin des BAAINBw mehrere Punkte, die sowohl den Umfang der beschleunigt beschaffbaren Güter vergrößern als auch die Ausnahmen erweitern, mit denen eine Beschaffung beschleunigt erfolgen kann.
Zunächst solle das neuen BwBBG den Anwendungsbereich erweitert. Während sich die erste Fassung nur auf militärische Ausrüstung bezog, können jetzt auch zivile Güter für die Bundeswehr schneller beschafft werden. Dazu gehören etwa logistische Hilfsmittel oder Materialien für den täglichen Dienstbetrieb. Gerade in einer Armee, die seit Jahrzehnten mit knapper Ausstattung kämpft – auch jenseits von Kampfflugzeugen und Munition –, ist dies ein entscheidender Fortschritt.
Mehr Ausnahmen für eine schnellere Beschaffung
Besonders hervor hob Lehnigk-Emden die Bedeutung der Interoperabilität: „Wenn wir nämlich Interoperabilität zu Militärgerät anderer NATO-Staaten herstellen möchten – daher das Gleiche kaufen möchten – ist das [im neuen Gesetz] als technisches Alleinstellungsmerkmal anerkannt worden.“ Das bedeutet, dass die Begründung für eine Ausnahme aus den europaweiten Ausschreibungsbedingungen dann einfacher erfolgen kann.
Beschaffung ohne Finanzierung
Ein weiteres Novum sorgt dafür, dass das BAAINBw bereits früher mit der Arbeit beginnen darf als bisher. „Wir dürfen die Vergabeverfahren beginnen“, so die Präsidentin, „ohne dass die Finanzierung bereits hundertprozentig abgesichert ist. Das heißt, wir müssen der Industrie sagen, dass das Geld noch nicht hundertprozentig sicher ist. Die Industrie kann sich dann überlegen, ob sie unter diesen Bedingungen ein Angebot abgibt oder auch nicht.“
Auch für finanziell kleinere Aufträge gibt es Verbesserungen. Für Verträge unterhalb der EU-Schwelle von derzeit rund 443.000 Euro entfällt künftig die Pflicht zur Ausschreibung. Damit können deutlich mehr Beschaffungen direkt beauftragt werden, ohne dass langwierige Wettbewerbsverfahren nötig sind.
Zudem wird laut Lehnigk-Emden durch das kommende BwBBG der Artikel 346 des EU-Vertrages präzisiert: Das Ziel, die europäische Verteidigungsbereitschaft zu sichern, gilt dann offiziell als wesentliches nationales Sicherheitsinteresse Deutschlands. Mit dieser Begründung gewinnt die Bundesrepublik mehr Flexibilität bei der Vergabe strategisch wichtiger Projekte.
Was beschafft werden soll
Natürlich wurde Lehnigk-Emden in Düsseldorf auch danach gefragt, welche großen Beschaffungsvorhaben in diesem Jahr noch anstehen und ob die Zahl von 97 25-Millionen-Euro-Vorlagen in diesem Jahr noch übertroffen würde. Ins Detail wollte die BAAINBw-Präsidenten jedoch nicht gehen und nannte nur die Fennek-Nachfolge als Beispiel. Ansonsten gelte: „Alles das, was die Truppe braucht; und leider ist das ziemlich alles.“
Dennoch müsse 2028 Material bei der Truppe auf dem Hof stehen, damit die Bundeswehr die politisch an sie adressierten Ziele erreichen könne. Daher gehe es nun darum, zügig Verträge zu schließen und die Industrie zum Hochfahren der Produktion zu bewegen.
Lehnig-Emmen ist allerdings überzeugt: Das neue BwBBG ist ein entscheidender Schritt, um die Beschaffung effizienter zu gestalten. Doch am Ende zählt die Umsetzung. Nur wenn die Verfahren tatsächlich schneller greifen und die Industrie ihre Produktionskapazitäten hochfährt, kann die Bundeswehr das gesteckte Ziel erreichen – einsatzbereite und voll ausgerüstete Streitkräfte bis Ende des Jahrzehnts.
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