Brigadegeneral Uwe Becker ist seit 1982 Soldat bei der Bundeswehr und seit dem 28. September 2021 General der Pioniertruppe und Kommandeur der Pionierschule in Ingolstadt. Im Interview mit cpmFORUM (Ausgabe 5/23) spricht der General über Landminen, internationale Zusammenarbeit und die Zukunft der Pioniertruppe angesichts von „Zielplan Heer“ und Neuaufstellung Mittlerer Kräfte.
(Dieses Interview erschien zuerst im cpmFORUM 5/23)
Herr General, die Truppengattung der Pioniere hat zu allen Zeiten einen hohen Stellenwert für die Operationsführung von Landstreitkräften. Können Sie uns zu Beginn einen Überblick über die Aufgaben der Pioniertruppe in der Landes- und Bündnisverteidigung geben?
Das Fähigkeitsspektrum der Pioniertruppe ist gerade mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung sehr vielschichtig, zum Teil hoch spezialisiert und leitet sich aus den vier Kernaufgaben der Pioniertruppe ab:
- dem Fördern eigener Bewegungen, hierzu gehört beispielsweise das Öffnen von Minensperren oder der Übergang über Gewässer;
- dem Hemmen und Kanalisieren der Bewegungen des Gegners, wozu auch das Anlegen von Sperren jeglicher Art zählt;
- dem Erhöhen der Überlebensfähigkeit, was z. B. den Bau von Feldbefestigungen oder das Härten von Stellungen für Gefechtsfahrzeuge beinhaltet sowie
- dem Beitrag zum Lagebild.
Bei der zuletzt genannten Aufgabe werden auf der Basis pioniertechnischer Führungsinformationen die für die Operationsplanung und -führung erforderliche Beratungsleistung und Lageinformationen bereitgestellt. Da nicht davon auszugehen ist, dass in einem potenziellen Einsatzgebiet – und hierzu zählen auch Einsatzgebiete im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung – alle erforderlichen Daten vorhanden sind bzw. sich diese im Laufe von Kampfhandlungen verändern, ist u. a. die Fähigkeit zur Pionieraufklärung von signifikanter Bedeutung.
Diese vier Kernaufgaben waren und sind durch Pioniere grundsätzlich auch in den verschiedenen Einsätzen im internationalen Krisen- und Konfliktmanagement zu leisten. Was sich seit 2014, also mit der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung verändert, ist die Gewichtung dieser Aufgaben und infolgedessen eine Rebalancierung einzelner Fähigkeiten, die grundsätzlich alle nach wie vor ihre Bedeutung haben. Zusammen mit den grundsätzlichen Vorgaben, die für die Entwicklung des „Zielbild HEER“ bestimmend sind, leiten sich hieraus die Anforderungen an Strukturen und die materielle Ausstattung der Pioniertruppe ab.
Darüber hinaus darf jedoch nicht vergessen werden, dass – auch wenn derzeit nicht im Fokus der Betrachtung – Pioniere weiterhin Einsätze im Rahmen des internationalen Krisen- und Konfliktmanagements zu bestreiten haben werden.
Der Teilaufgabe Hemmen von Bewegungen kommt gerade aus den Erfahrungen in der Ukraine wieder eine besondere Bedeutung zu. Was hat sich hier in den vergangenen 20 Jahren für Ihre Truppengattung geändert und welche Schritte sind zukünftig geplant?
Die Aufgabe Hemmen und Kanalisieren der Bewegungen des Gegners ist ein gutes Beispiel für die skizzierte Veränderung in der Gewichtung der Aufgaben. In den letzten 20 Jahren, in denen der Schwerpunkt auf internationalem Krisen- und Konfliktmanagement lag, wurde das Hemmen von Bewegungen zu einem großen Teil zugunsten der anderen Aufgaben reduziert. Glücklicherweise wurden die für diese Aufgabe erforderlichen Fähigkeiten jedoch nie in Gänze aufgegeben.
Das Anlegen von Sperren war auch in diesem Zeitraum eine ausgebildete und praktizierte Fähigkeit. Gleiches gilt für die Taktikausbildung, in der Sperren als eines der Hauptelemente des Gefechts immer eine wesentliche Rolle gespielt haben. Zusätzlich dazu hat auch die Pioniertruppe nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 schnell reagiert.
Mit der Aufstellung von Sperrzügen in den Panzerpionierbataillonen unter Nutzung des zur Verfügung stehenden Minenverlegesystems 85 konnte, im Rahmen der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung, eine erste Kapazität zum Sperren von Flächen gegen einen konventionellen Gegner reaktiviert werden. Das Minenverlegesystem 85 ist zwar – wie der Name schon sagt – nicht mehr das Neueste, aber es ist robust und in der Pioniertruppe kein unbekanntes System. Die Reaktivierung des Minenwerfers SKORPION war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich, da die Fahrzeuge bereits der Verwertung zugeführt waren.
Zurzeit wird an einer Entwicklungslösung zur Wiedererlangung der Fähigkeit zum raschen, d. h. lage- und zielorientierten Sperren von Flächen und Räumen mit skalierbarer Wirkung gearbeitet. Das Ziel besteht darin, eine schaltbare Variante eines Sperrsystems zu entwickeln, welches selbstständig diskriminierungsfähig ist und somit die Einschränkungen für die eigene Operationsfreiheit und Bewegungen sowie das Auslöserisiko für eigene Kräfte minimiert. Allerdings sprechen wir hier von Entwicklungs- und Implementierungszeiträumen, die jenseits des erwarteten Nutzungsdauerendes der derzeitigen Systeme liegen.
Daher soll diese Fähigkeit in mehreren Teilfähigkeiten Schritt für Schritt implementiert werden, was die grundsätzliche Möglichkeit des Kaufs einer verfügbaren Interimslösung einschließen kann. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass eine Fähigkeitslücke zwischen dem Nutzungsdauerende jetziger Systeme und der Implementierung des Zielzustandes entsteht. Denn eines zeigt der Krieg in der Ukraine aus meiner Sicht mehr als deutlich: Die Bedeutung und der Einfluss von Sperren, gerade auch Minensperren, auf die Operationsführung ist bedeutend, die Fähigkeit somit nach wie vor relevant.
Sperrwirkung wird jedoch nicht nur durch Minensperren erreicht. Die Pioniertruppe verfügt unverändert über die Fähigkeit, komplementär zu Minensperren auch durch Spreng- und Bausperren die für die Operationsführung erforderlichen Effekte zu erzielen.
Landminen hatten in Zeiten jedes Krieges gerade für das Anlegen von Sperren und das Kanalisieren von Bewegungen eine hohe Bedeutung. Welche Mittel stehen uns heute dazu zur Verfügung und wie geht die Pioniertruppe mit der allgemeinen Ächtung von Landminen um?
Das „Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung“, umgangssprachlich als „Ottawa-Konvention“ bekannt, ist das zentrale Vertragswerk zur weltweiten Ächtung von Antipersonenminen. Der „Ottawa-Konvention“ gehören mittlerweile 164 Vertragsparteien an, darunter alle Mitgliedsstaaten der EU. Deutschland hat mit der Zeichnung des Vertrages die Herstellung, den Einsatz, den Handel und die Lagerung von Antipersonenminen verboten und diese wurden demzufolge abgeschafft. Über diese Art von Minen (Antipersonenminen) verfügt die Bundeswehr schon seit Jahren nicht mehr.
Zusätzlich ist durch den Nachweis und die Kennzeichnung von Sperren, gerade auch bei Minensperren, deren exakte Lage bekannt und sie können zukünftig genauso wie bereits heute, nach Beendigung der Kampfhandlungen wieder aufgenommen werden und bleiben nicht als unkalkulierbares Risiko über Jahrzehnte vor Ort.
Bezogen auf Minensperren stehen derzeit drei unterschiedliche Minentypen zur Verfügung: Die Panzerabwehrwurfmine, die heute nur noch mittels Raketenwerfer der Artillerie fernverlegt wird. Ursprünglich war auch die Pioniertruppe in der Lage, diesen Minentyp mit dem Minenwerfer SKORPION einzusetzen. Die Panzerabwehrrichtmine zum Anlegen von Richtminen- und Sicherungsminensperren und letztlich die Panzerabwehrverlegemine, welche mittels des bereits angesprochenen Minenverlegesystems 85 verlegt wird. Obwohl die Konzepte der genannten Minentypen schon etwas älter sind, sind sie doch zeitlich programmiert und deaktivieren sich nach dem Ende der Wirkzeit selbst. Darüber hinaus erweisen sich die beiden letztgenannten aktuell als höchst wirksam.
Kommen wir zu der Aufgabe Fördern von Bewegungen, Herr Brigadegeneral Uwe Becker. Hier wird sich durch den Zulauf neuen Geräts mit dem neuen Pionierpanzer KODIAK ein Fähigkeitsaufwuchs ergeben. Was konkret kann der „Neue“ besser und welche weiteren Bedarfe gibt es hier?
Der Pioniertruppe steht mit dem Pionierpanzer (PiPz) 2 DACHS eine seit Jahrzehnten bewährte und hoch leistungsfähige gepanzerte Pioniermaschine zur Verfügung. Der PiPz 2 DACHS erfüllt jedoch wesentliche funktionale Forderungen in den Bereichen Schutz, Mobilität und Führungsfähigkeit nur noch eingeschränkt. Auch die logistische Versorgbarkeit der LEOPARD 1-Fahrzeugfamilie, zu der der PiPz 2 DACHS zählt, neigt sich dem Ende zu.
Hier wird mit dem PiPz 3 KODIAK angesetzt. Die Pionierunterstützung hoch mobiler mechanisierter Kräfte im Gefecht stellt an ein Fahrzeug höchste Anforderungen in den oben genannten Bereichen. Durch die Einführung eines Systems auf Basis eines LEOPARD 2-Fahrgestells wird der KODIAK in den Bereichen Mobilität, Schutz und Durchhaltefähigkeit über nahezu gleiche Befähigungen wie die zu unterstützende Kampftruppe verfügen. Im Bereich der Wirkung wird der PiPz 3 mit einer eigens entwickelten, modernen und hoch leistungsfähigen Waffenstation ausgestattet. Die Integration von moderner Kommunikationstechnik ist auch hier vorgesehen, was eine bessere Führbarkeit sowie Bereitstellung und Verarbeitung von Informationen sicherstellen wird.
Wegen der Vielfalt möglicher zu erfüllender pioniertechnischer Aufgaben durch den PiPz 3 KODIAK ergeben sich auch gesteigerte Anforderungen an die pioniertechnischen Einsatzmittel, Werkzeuge und Anbauteile.
Durch die höhere Leistungsfähigkeit des Räumschilds können Stellungen für Gefechtsfahrzeuge schneller gehärtet und Hindernisse, Barrikaden u.ä. besser geräumt werden. Ebenfalls erwähnenswert ist seine Unterwasserfahr- und Unterwasserarbeitsfähigkeit. Das Fördern von Bewegungen umfasst allerdings mehr als nur die Fähigkeit, die der KODIAK bietet.
Beispielsweise sind hier die Schwimmbrückensysteme AMPHIBIE M3 und Faltschwimmbrücke anzuführen. Um diese Fähigkeit auch zukünftig abbilden zu können, wird aufgrund der jeweiligen Nutzungsdauerenden derzeit die Beschaffung eines Nachfolgesystems geplant. Im Kern soll dieses die gleiche Funktionalität aufweisen wie derzeit die AMPHIBIE M3, jedoch wird es über eine erhöhte Tragfähigkeit verfügen. Wesentlich ist hierbei die Interoperabilität zu
Brückensystemen verbündeter oder befreundeter Staaten, um den umfangreichen Bedarf an Übersetzkapazitäten im Verbund zu decken. Die AMPHIBIE M3 als Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Beschaffung des Nachfolgesystems bietet hier die optimalen Anknüpfungspunkte, da neben Deutschland und Großbritannien zukünftig u. a. auch Lettland und Schweden über dieses System verfügen werden – Tendenz steigend.
Darüber hinaus verfügen wir mit den gepanzerten Gefechtsfeldbrücken BIBER und dem Nachfolgesystem LEGUAN über die Fähigkeit, der Kampftruppe schnelle Übergangsmöglichkeiten über Gewässer und Einschnitte geringer und mittlerer Breite zur Verfügung zu stellen.
Beide Brückenlegepanzer sind aufgrund ihrer Konfiguration in der Lage, zusammen mit der Kampftruppe zu marschieren, im Gefecht unmittelbar zu folgen und müssen daher nicht extra herangeführt werden.
Im Unterschied zu seinem Vorgänger ist der LEGUAN in der Lage, zwei unterschiedliche Brücken zu verlegen und aufzunehmen. Das auf dem LEOPARD 2-Fahrgestell basierende System kann entweder mit zwei 14 Meter langen oder mit einer 26 Meter langen Brücke ausgestattet werden, die auch überlappend verlegt werden können. Die Brücken des LEGUAN ermöglichen zudem das Übersetzen aller Gefechtsfahrzeuge der Bundeswehr. Der LEGUAN stellt somit einen erheblichen Fähigkeitsgewinn für die Pioniertruppe dar und ist eines der modernsten und besten Systeme dieser Art weltweit.
Letztendlich gewährleistet die Faltfestbrücke als Unterstützungs- bzw. Logistikbrücke, beispielsweise zur Aufrechterhaltung der Versorgung, die Möglichkeit einer Überbrückung von Einschnitten bis zu 40 m.
Insgesamt sind wir hinsichtlich unserer Brückensysteme qualitativ gut aufgestellt und können Übergangsmöglichkeiten für unterschiedliche Einschnittbreiten zur Verfügung stellen. Mit Blick auf die Fähigkeit Öffnen von Sperren verfügen wir unverändert über den Minenräumpanzer KEILER. Dieses System funktioniert zuverlässig, kommt allerdings altersbedingt an sein Nutzungsdauerende.
Um sowohl bei der Fähigkeit zum Überwinden von Gewässern und Einschnitten (Schwerpunkt Schwimmbrücken) als auch dem Öffnen von Sperren weiterhin den Anforderungen des Gefechts der verbundenen Waffen zu entsprechen, finden in beiden Bereichen Überlegungen zur Regeneration statt. In diesem Zusammenhang wird entsprechend der Vorgaben aus dem BMVg vor einer möglichen Neuentwicklung die Prüfung marktverfügbarer Systeme priorisiert, um zum einen teure Entwicklungslösungen zu vermeiden und zum anderen eine zeitgerechte Verfügbarkeit des Materials sicherzustellen. Weiterhin gilt es allerdings aus meiner Sicht auch zu überlegen, ob eine ggf. erforderliche Kapazitätssteigerung dadurch erzielt werden kann, dass zunächst bei gleichzeitiger paralleler Einführung der neuen die bewährten Systeme weitergenutzt oder zumindest verfügbar gehalten werden können.
Neue Strukturen im Heer, wie die Aufstellung der Mittleren Kräfte, bedingen auch Anpassungen in den Strukturen der Truppengattungen. Welche Auswirkungen und Strukturanpassungen kommen da in den nächsten Jahren auf die Pioniertruppe zu?
Eine grundlegende Forderung, der mit dem „Zielbild HEER“ begegnet werden soll, ist die Schaffung von kohäsiven, aus sich selbst heraus geschlossen einsetzbaren Großverbänden.
Dies bedingt, dass sowohl die Brigade als auch die Division jeweils als Systeme zu betrachten sind, die möglichst alle Fähigkeiten zur erfolgreichen Operationsführung in ihren Strukturen integriert haben. Dazu gehört auch eine an die Aufgaben der jeweiligen Führungsebene angepasste Pionierunterstützung.
Integraler Bestandteil im „Zielbild HEER“ ist die neue Kräftekategorie der Mittleren Kräfte, für die kürzlich ein Konzept in Kraft gesetzt wurde, das den Grundpfeiler der weiteren Ausplanung bildet. Unter anderem geht es in dieser neuen Kräftekategorie, die über eine ausgewogene Kombination aus den Faktoren Feuerkraft, Schutz und Mobilität verfügen wird, darum, schnell und selbstständig über weite Strecken in den Einsatzraum verlegen zu können. Dies erfordert – als ein wesentliches Merkmal dieser Kräftekategorie – radbasierte Systeme.
Die Pioniertruppe ist bereits mit einer ganzen Reihe von radbasierten Systemen ausgestattet, denken wir z. B. an den teilweise sogar noch schwimmfähigen Transportpanzer FUCHS bzw. dessen vorzugsweise ebenfalls schwimmfähigen Nachfolger, was eine gute Anfangsbefähigung für die Mittleren Kräfte darstellt. Dennoch gilt es nun, radbasierte Fähigkeitsträger zu beschaffen, die im Fähigkeitsspektrum der Mittleren Kräfte die kettenbasierten Pioniersysteme ersetzen, aber unter bestimmten Umständen auch in der Lage sein können, sie im Gesamtsystem, also auch bei den schweren Kräften, zu ergänzen.
Hierzu drei Beispiele:
Für das Projekt „Gefechtsfeldbrücke, Radplattform“ ist eine Realisierung auf BOXER-Basis vorgesehen. Ein solches ist grundsätzlich marktverfügbar. Die Tragfähigkeit orientiert sich im Wesentlichen an den Gewichtsklassen der in den Mittleren Kräften eingesetzten Radfahrzeuge und stellt den bestmöglichen Kompromiss aus den Faktoren Trägerfahrzeug, Überbrückungsweite und Tragfähigkeit dar.
Das Projekt „Pionierpanzer, Radplattform“ soll ebenfalls auf der Grundlage marktverfügbarer, ggf. anzupassender Lösungen realisiert werden, wobei grundsätzliche Forderungen wie Räumen von Barrikaden, Härten von Stellungen, Schutz und Bewaffnung bei gleichzeitiger Geländegängigkeit und Mobilität realisiert werden sollten.
Das Projekt „Gepanzertes Minenräumsystem“ zur Ablösung des Minenräumpanzers KEILER wird in Abhängigkeit von der zu unterstützenden Kräftekategorie als Rad- oder Kettenfahrzeug realisiert werden. In der anstehenden Definitionsphase wird zu entscheiden sein, welches Wirkprinzip (Schlegel-/Fräswerkzeug, Sprengtechnik, Mechanik, Elektromagnetik, Ballistik) zu bevorzugen ist, wobei die beste und schnellste Räumleistung aller Wahrscheinlichkeit nach durch eine Kombination verschiedener Wirkprinzipien zu erzielen sein wird. Auch hier kann ein Blick über den Tellerrand und die Prüfung von bereits marktverfügbaren und bei befreundeten oder Partnernationen eingeführten und sich dort bewährenden Systemen lohnen.
Insgesamt sehe ich persönlich bei der Aufstellung der Mittleren Kräfte die große Chance, dass diese gerade auch für die Pioniertruppe als Innovationstreiber fungieren.
Internationale Kooperation gibt es nicht nur bei Rüstungsvorhaben. Auch die Pioniertruppe hat mit dem Deutsch-Britischen Pionierbrückenbataillon 130 eine internationale Komponente. Welche Vorteile zieht die Pioniertruppe konkret aus derartigen Kooperationen? Gibt es weitere Nationen, mit denen eine engere „Verzahnung“ geplant ist? Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit gemeinsamen Rüstungsvorhaben der Pioniere z. B. bei der AMPHIBIE, aus?
Der zum 1. Oktober 2021 in das deutsch-britische Pionierbrückenbataillon 130 umgegliederte Verband ist sicherlich beispielgebend für internationale Kooperation, insbesondere auch unter dem Aspekt der Interoperabilität. Gemeinsam stellen Deutschland und Großbritannien der NATO eine Unikatfähigkeit im Bereich der amphibischen Brückensysteme zur Verfügung. In diesem Verband werden Einsatzgrundsätze und Verfahren unter Nutzung weitgehend identischen Geräts, hier die AMPHIBIE M3, einheitlich ausgebildet und angewendet. Dieses gewährleistet auch für den Einsatz belastbare und durchhaltefähige multinationale Strukturen.
Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit bieten sich auch im Rahmen des 2013 durch Deutschland initiierten und im Rahmen des NATO-Gipfels in Wales 2014 beschlossenen „Framework Nations Concept“, in welchem Deutschland im Rahmen des Pionierwesens, bzw. des Military Engineering, die Rolle der Rahmennation übernommen hat.
Ergänzend zu den genannten Punkten stellen die Themenfelder Mobility und Counter Mobility, die durch die NATO zu High Visibility Projects erklärt wurden, aktuell Aufgabenfelder dar, in denen auch andere Nationen nach Lösungen suchen. Diese beiden Themen können grundsätzlich als Klammer der multinationalen Zusammenarbeit gerade im Bereich der Pioniertruppe angesehen werden. Das Centre of Excellence for Military Engineering behandelt diese Themen als NATO-akkreditierte Dienststelle sehr intensiv im Rahmen der Military Engineering Working Groups. Hier bietet sich die Möglichkeit, auf multinationaler Ebene zusammenzuarbeiten und zumindest die konzeptionellen Überlegungen zu koordinieren. Die Thematik der Interoperabilität ist dabei handlungsleitend und schwingt bei jeder Betrachtung und Abstimmung mit.
Somit sehe ich, für meine Truppengattung gesprochen, im gesamten Fähigkeitsspektrum grundsätzliches Potenzial für weitere multinationale Zusammenarbeit.
Herr Brigadegeneral Uwe Becker, wenn Sie einen Wunsch für Ihre Truppengattung hätten, was würden Sie am ehesten gerne umgesetzt sehen wollen?
Aus meiner Sicht ist es jetzt und in der überschaubaren Zukunft besonders wichtig, dass es gelingt, die Chancen, die im „Zielbild HEER“ für die Pioniertruppe liegen, zu nutzen, sie mit Leben zu füllen und die erforderlichen Fähigkeiten strukturell abzubilden sowie materiell zu hinterlegen. Auf diesem Weg gilt es nicht nur Fähigkeitslücken zu vermeiden und Vollausstattung zu realisieren, sondern parallel dazu neue Fähigkeiten, wie z. B. den Aufbau der Mittleren Kräfte, zu generieren.
Herr General, wir danken Ihnen für das Gespräch.