Als die Bundeswehr 1955 gegründet wurde, lagen die Schwerpunkte auf konventionellen Land-, Luft- und Seeoperationen. Damals gab es noch keine wesentliche Vorstellung von Cyberkrieg oder hybriden Bedrohungen im Informationsraum. Informations- und Kommunikationstechnologien waren einfach, langsam und analog, der Cyberraum war kein taktisches Umfeld.
Bereits in den darauffolgenden Jahrzehnten entwickelte sich jedoch – insbesondere mit Blick auf die technischen Fortschritte – schnell die Erkenntnis, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien eine zentrale Rolle auf dem Gefechtsfeld der Zukunft spielen würden.
Die Aufstellung des Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum im Jahr 2017 und seine Erhebung zur Teilstreitkraft 2024 sind institutioneller Ausdruck dieser Entwicklung und gleichzeitig Reaktion auf die gesteigerte Bedrohungslage und die Abhängigkeiten auf diesem Feld.
Denn: Deutschland steht bereits heute rund um die Uhr durch ausländische Mächte unter Beschuss. Nicht von Panzern oder Flugzeugen, sondern durch Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und Störungen im elektromagnetischen Spektrum. Diese hybriden Angriffe zielen darauf ab, geheime Informationen zu entwenden, kritische, zivile Infrastruktur zu sabotieren, Entscheidungsprozesse zu stören sowie gesellschaftlichen Zusammenhalt und Vertrauen in Institutionen zu untergraben.
Die Teilstreitkraft CIR: Aufgaben und Rolle
Die Teilstreitkraft CIR übernimmt die zentrale Verantwortung für den Schutz und den Betrieb der IT-Systeme der Bundeswehr, sowohl im Inland als auch weltweit im Einsatz. Sie stellt Fähigkeiten zur Aufklärung und zur Wirkung im Cyber- und Informationsraum und trägt zur gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge bei. Dazu gehören unter anderem:
- Abwehr von Cyberangriffen und Gewährleistung der Informationssicherheit in den IT-Systemen der Bundeswehr sowie Beitrag zur gesamtstaatlichen Cyberabwehr.
- Sammlung, Analyse und Bereitstellung relevanter Daten zur Unterstützung militärischer Entscheidungen (Führungsfähigkeit).
- Führung von CIR-Kräften, insbesondere IT, Elektronischer Kampf (EloKa), Geoinformationswesen und Operative Kommunikation (OpKom).
- Ausbildung von Fachkräften sowie Forschung und Entwicklung im Cyber- und Informationsraum.
- Führung von sogenannten CIR-Operationen als Cyber and Information Domain Component Command (CIDCC) im Rahmen einer multidimensionalen Operationsführung oder als eigenständige militärische Operation.
Hybride Bedrohungen als neue Herausforderung
Staatliche und nichtstaatliche Akteure aus Ländern wie Russland, China, Iran und Nordkorea setzen heute gezielt Cyberangriffe, Sabotage, Spionage und Desinformation ein, um Deutschland und seine Verbündeten systematisch zu destabilisieren. Diese Angriffe sind oft schwer attribuierbar, d.h. auf den Verursacher zurückzuführen, da sie über Proxy-Gruppen sowie Mischformen von kriminellen und staatlichen Akteuren ausgeführt werden.
Der fließende Übergang von organisierter Kriminalität zu professionell gesteuerten Gruppen erschwert nicht nur die präzise Identifikation der Angreifer, sondern auch die Entwicklung wirksamer Gegenmaßnahmen. Eine klare Abgrenzung zwischen innerer und äußerer Sicherheit ist nicht mehr möglich.
Die Verschleierung der eigenen Urheberschaft und die damit einhergehende gezielte Destabilisierung bei gleichzeitiger Ausschaltung legitimer Abwehrmaßnahmen sind wesentliche Merkmale aktueller hybrider Bedrohungen.
Beispiele für hybride Angriffe sind der gezielte Cyberangriff der russischen Hackergruppe Fancy Bear, auch bekannt als APT 28, auf die Deutsche Flugsicherung im September 2024 sowie der Angriff auf die NATO-Schule Oberammergau im Jahr 2023, bei dem Daten von mehr als 12.000 Nutzerinnen und Nutzern kompromittiert wurden – ein direkter Angriff mit weitreichenden Folgen.
Darüber hinaus erfolgen nahezu täglich Cyberattacken auf deutsche Behörden und Rüstungsunternehmen mit dem Ziel, sensible militärische Informationen zu stehlen.
Parallel dazu stellen gezielte Angriffe im elektromagnetischen Spektrum eine weitere Bedrohung dar: So beeinträchtigen GPS-Spoofing-Attacken im Ostseeraum den zivilen Luftverkehr, während Störungen der militärischen Kommunikation an Einsatzorten in Litauen die Führungsfähigkeit der Streitkräfte gefährden.
Zudem versuchen Desinformationskampagnen – unter anderem durch Doppelgänger-Webseiten, Social Bots und verfälschte Videos – gezielt, sowohl die Bundeswehr als auch die Gesellschaft insgesamt zu verunsichern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schwächen.
Professionelle Verteidigung im gesamtstaatlichen und internationalen Verbund
Die Bundeswehr ist auch mit der Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum ein zentraler Akteur im Rahmen der gesamtstaatlichen Sicherheitsarchitektur. Sie bündelt Verantwortung für den Schutz, Betrieb und die Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur der Bundeswehr und führt dazu spezialisierte Einheiten, beispielsweise für die Cyberabwehr, Elektronische Kampfführung, operative Kommunikation und geoinformationelle Dienste.
Die hohe Leistungsfähigkeit der deutschen Cyberverteidigung zeigt sich exemplarisch im erfolgreichen Abschneiden des deutsch-singapurischen Teams bei der multinationalen NATO-Cyberverteidigungsübung „Locked Shields“ 2025, bei der der erste Platz erreicht wurde.
Der Inspekteur CIR betont dabei das „Alle-Mann-Manöver“ als grundlegendes Prinzip der Verteidigung im Cyber- und Informationsraum, das die enge Zusammenarbeit aller staatlichen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Kräfte erfordert, um der vielschichtigen Bedrohung wirksam zu begegnen.
Denn die TSK CIR übernimmt zwar mit dem Zentrum für Cybersicherheit sehr erfolgreich die Verantwortung für den Schutz im Cyber- und Informationsraum für die Bundeswehr, jedoch kann die Verteidigung Deutschlands im CIR ausschließlich als gesamtstaatliche Anstrengung gelingen. Nur so lässt sich die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt stärken und die andauernde Gefährdung wirksam abwehren.
Der Schutz Deutschlands gründet auf einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit sowie auf multilateralen Bündnissen und Kooperationsbeziehungen. Deshalb engagiert sich die TSK CIR auch in der Operationszentrale des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ) als ressortübergreifendes Projekt.
Internationale Akzente setzen insbesondere das Cyber-Informations-Domain-Component-Command (CIDCC) der EU sowie wichtige bilaterale Partnerschaften, etwa mit Singapur im Indopazifik.
Digitaler Wandel als Eckpfeiler der Widerstandsfähigkeit
Die Technologiebasis der Bundeswehr erfährt einen umfassenden und zukunftsweisenden Umbau: Die Teilstreitkraft CIR errichtet geo-redundante, hochverfügbare Rechenzentren, schafft eine eigene Bundeswehr-Cloud mit KI-gestützten Analyse- und Bedienverfahren und modernisiert die militärische Kommunikationsinfrastruktur.
Die flexibel verlegbaren, kleineren und containerisierten Rechenzentren erhöhen die Resilienz dieser Bundeswehr-Cloud. Innovativ sind der Ausbau des Tactical Wide Area Network (TaWAN) für Landoperationen ebenso wie die nächste Generation der Satellitenkommunikation (SATCOMBw Stufe 3).
Diese digitale End-to-End-Vernetzung aller Akteure – vom Gefechtsfahrzeug bis zur Führungsebene – ermöglicht einen entscheidenden Informationsvorsprung und beschleunigt Führungs- und Steuerungsprozesse. Ein durchgängiger Informations- und Kommunikationsverbund ist unverzichtbar, um auf zukünftige Bedrohungen schnell, flexibel und wirkungsvoll reagieren und damit glaubwürdig abschrecken zu können.
Ziel aller Maßnahmen sind Multi-Domain Operations (MDO): Mit einer durchgehenden digitalen Anbindung werden alle Sensoren, von der Drohne in der Luft bis zum Soldaten auf dem Gefechtsfeld, vernetzt und tragen zu einem gemeinsamen Echtzeitlagebild bei. Auf dieser Grundlage kann die Führung dann das geeignetste militärische Mittel für den gewünschten Effekt auswählen und beauftragen.
Vorangetrieben wird dies im Zentrum Digitalisierung der Bundeswehr und Fähigkeitsentwicklung CIR. Hier sitzen die Architektinnen und Architekten der digitalen Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr und erschließen neue Technologien, um den Wettlauf auf dem gläsernen Gefechtsfeld zu gewinnen.
Die hohe politische Priorisierung dieses digitalen Transformationsprozesses spiegelt sich im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wider, der den Ausbau der Cyberabwehr und die Förderung digitaler Innovationen klar als Schwerpunkte definiert.
Zukunftsausblick: Technische Überlegenheit als Schutzfaktor
Das bekannte Prinzip „Wer schneller schießt und besser trifft, gewinnt“ bleibt bestehen, verstärkt durch Vernetzung und digitale Schnelligkeit. Die Teilstreitkraft CIR ist vorbereitet, diesen Wettlauf zu führen und Deutschland wirksam für das digitale Gefecht zu befähigen.
Mit der Etablierung der TSK CIR hat die Bundeswehr eine leistungsfähige Organisation geschaffen, die bereits heute einen wichtigen Beitrag zur gesamtstaatlichen Resilienz leistet und bereit ist, Deutschland auch im Cyber- und Informationsraum zu verteidigen.
Autorin:
Franziska Hennecke,
Presse- und Informationszentrum, Kommando Cyber- und Informationsraum
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