Demonstration: Zukunft der Artillerie?

Gestern und heute fand mit Blick auf die Zukunft der Artillerie ein Demonstrations- oder Vergleichsschießen zweier moderner Artilleriesysteme auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow statt. Eingeladen hatten General Dynamics European Land Systems (GDELS) zusammen mit Partner KNDS. Gezeigt wurde das Artillerie-Geschütz-Modul (AGM) von KNDS auf zwei unterschiedlichen Mobilitätsplattformen. Die gezeigten Artilleriesysteme sind eine Kombination aus der automatisierten und fernbedienbaren Artillerie-Feuerkraft des AGM und Military-of-the-Shelf (MOTS) Radmobilität.

Zukunft der Artillerie: Das AGM von KNDS auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS bei der Schussabgabe.
Das AGM von KNDS auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS bei der Schussabgabe.
Foto: cpm / André Forkert

Das AGM-Geschütz wurde 2014 erstmalig auf der Eurosatory durch KNDS (damals noch Krauss-Maffei Wegmann) präsentiert. Es handelt sich um eine firmenfinanzierte Entwicklung für die Zukunft der Artillerie. Laut Hersteller soll das AGM höchste voll automatisierte Artillerieeffizienz mit einer netzbasierten Systemarchitektur bieten. Genutzt wird die bewährten NATO-JBMoU 155 mm/L52-Rohrwaffe von Rheinmetall, im Gegensatz zur Panzerhaubitze 2000 aber in einer unbemannten und modernen Ausführung.

Das AGM wurde bei der Demonstration vor Presse und potentiellen Kunden als RCH 155 – also mit dem bekannten BOXER-Fahrmodul – sowie erstmals auf einem Piranha 10×10 HMC von GDELS gezeigt. Ganz klar, das RCH 155-Angebot richtet sich vor allem an die potenziellen Kunden Bundeswehr und das britische Heer als auch alle anderen BOXER-Nutzer. Die Kombination AGM mit Piranha 10×10 HMC (Heavy Mission Carrier) ist auf die entsprechende Ausschreibung der Schweiz ausgerichtet.

Die Vorteile des AGM-Systems für die Zukunft der Artillerie sind vor allem die Kombinationsmöglichkeiten mit einer Vielzahl an Plattformen. Neben der RCH 155 (Remote Controlled Howitzer 155 mm) und dem AGM Piranha 10×10 HMC wurden in der Vergangenheit das Systeme auch auf der Mobilitätsplattform ASCOD 2 (als DONAR) oder IVECO 10×10 LKW gezeigt.

Die beiden vorgestellten Systeme des AGM: Als RCH 155 auf BOXER-Fahrmodul und erstmals auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS.
Die beiden vorgestellten Systeme des AGM: Als RCH 155 auf BOXER-Fahrmodul und erstmals auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS.
Foto: cpm / André Forkert

Auf entsprechenden Fahrgestellen – hier BOXER und Piranha 10×10 HMC – kann das AGM im 360°Azimut wirken und alle Ladungs- und Elevationsbereiche nutzen. Das Gesamtsystem bietet die vollständige Autonomie in Führung, Navigation und Feuerleitung sowie eine systembedingte Stabilität. Diese Fähigkeiten bietet ganz neue technische Möglichkeiten und damit auf taktische Anpassungsfähigkeiten.

Hier sind vor allem Schießen aus der Bewegung, oder auch Wirken auf bewegliche Ziele. Das System ist zudem ohne große Vorbereitung auch in Stellungen umgehend schussfähig, es müssen keine Stützen, etc. ausgefahren werden. Dieses spart enorm wichtige Zeit (Shoot and scoot) und erhöht die Flexibilität des Systems.

Zukunft der Artillerie: Mehr Feuer am Gegner, weniger eigene Verluste

Die RCH 155 kann mit Standardmunition (Base Bleed, BB) bis zu 9 Schuss pro Minute wirken, Artillerieprojektilen mit sehr großer Reichweite (VLAP) sowie SMArt-Munition nutzen. Außerdem bietet es Multiple Round Simultaneous Impact (MRSI).

Das heißt es können bis zu fünf Geschosse nacheinander abgefeuert werden, die gleichzeitig im Ziel treffen (z. B. innerhalb von 2 Sekunden auf 12 km). Das Wirken aus der Bewegung oder Wirken aus einer Stellung in unter einer Minute vermindert die Gefahr eines Gegenschlages erheblich.

Das AGM von KNDS auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS bei der Schussabgabe.
Das AGM von KNDS auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS bei der Schussabgabe.
Foto: cpm / André Forkert

In der Regel benötigt die gegnerische Aufklärung und Wirkung rund zwei Minuten, bis dahin ist das AGM schon längst an einem anderen Ort. Dank der Automatisierung und höheren Bekämpfungsgeschwindigkeit kann laut KNDS so drei- bis viermal mehr Feuer an den Feind gebracht werden als mit vergleichbaren anderen Systemen.

Dank der AGM-Fähigkeiten kann nicht nur mehr Feuer an den Gegner gebracht werden, sondern auch die eigenen Verluste durch Artillerie-Feindeinwirkung deutlich reduziert werden. Dies haben entsprechende Berechnungen durch KNDS ergeben. Grund ist vor allem die hohe Mobilität und Zeitersparnis. Diese Faktoren können noch einmal verbessert werden, wenn SMArt-Munition verwendet werden.

Dank der Automatisierung kann das Geschützsystem mit nur zwei Soldaten bedient werden. Das spart im Vergleich zur Panzerhaubitze 2000 gleich drei Soldaten ein. Dort sind noch fünf (Geschützführer, Fahrer, Richtkanonier, Munitionskanonier 1, Munitionskanonier 2) notwendig.

Schon heute und auch für die Zukunft der Artillerie ein sehr wichtiger Aspekt, da gerade Personalmangel eines der größten Probleme der Streitkräfte in den westlichen Nationen ist. Hier muss in Zukunft die Frage nach der Durchhaltefähigkeit noch weiter untersucht und geklärt werden. Aber ein automatisiertes 360°-Rundumsichtsystem wird dazu beitragen, die Besatzung zu entlasten.

Das System überwacht die Umgebung, kann Bewegungen erkennen, eine Freund-Feind-Erkennung durchführen und erste Gegenmaßnahmen vorbereiten. So kann die Crew auch Ruhen und sich auf das Sichtsystem und eine entsprechende Alarmfunktion verlassen.

Fahrzeugplattform Piranha 10×10 HMC

Auch in der Schweiz geht es um die Zukunft der Artillerie: Die Mobilitätsgrundlage Piranha 10×10 HMC basiert auf dem bekannten Piranha 3+ bzw. IV (so wird das Fahrzeug in den Schweizer Streitkräften bezeichnet). Aber hier wurde eine 5. Achse eingerüstet, um das AGM aufnehmen zu können.

Das AGM Haubitzenmodul von KNDS als RCH 155 auf dem BOXER-Fahrmodul.
Das AGM Haubitzenmodul von KNDS als RCH 155 auf dem BOXER-Fahrmodul.
Foto: cpm / André Forkert

Die 1., 2., 4. und 5. Achse sind lenkbar, um die Agilität und Beweglichkeit zu erhöhen. Der Wendekreis liegt damit bei 18 Metern. Gerade die Mobilität ist eine kritische Fähigkeitsforderung der Schweiz, damit dieses System auch im Gebirge und auf engen Passstraßen operiert werden kann. Dank des verlängerten Chassis steht das Geschützrohr auch weniger über die Wanne nach vorne über und befindet sich immer innerhalb des Wendekreises.

Der Aufbau dieses Fahrzeug-Demonstrators erfolgte durch GDELS in unter 18 Monaten, um noch rechtzeitig an der Evaluation der Schweiz teilnehmen zu können. Damit gibt es mit der RCH 155, dem AGM-Piranha und dem ARCHER-LKW 8×8 von BAE Systems drei Konkurrenten für die potentielle Schweizer Beschaffung zur Zukunft der Artillerie.

Der Piranha 10×10 HMC hat ein zulässiges Gesamtgewicht von bis zu 40 Tonnen. Das bedeutet dieses Fahrgestell bietet 15 Tonnen Nutzlast. Dies beinhaltet 2 Tonnen als Reserve für künftige Weiterentwicklungen. Dank der Verlängerung des Chassis bietet das Fahrzeug Platz für drei Soldaten im Inneren, oder zwei mit viel Platz für die persönliche Ausrüstung. Das AGM benötigt nur eine Crew von zwei, die dritte Person könnte aber so die Durchhaltefähigkeit erhöhen.

In der Schweiz wurde vor wenigen Tagen erst die Evaluationsphase für das Projekt „Artillerie Wirkplattform und Wirkmittel 2026“ (Art WPWM) abgeschlossen. Jetzt findet die Bewertung statt. Mit einer Auswahl wird Mitte 2025 gerechnet. Damit könnte die Beschaffung in der Armeebotschaft 2026 eingeleitet werden. Der Erstkunde für das AGM – als RCH 155 – ist die Ukraine mit 54 Einheiten. Der Zulauf soll 2025 beginnen.

Das AGM von KNDS auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS bei der Schussabgabe.
Das AGM von KNDS auf einem Piranha 10x10 HMC von GDELS bei der Schussabgabe.
Foto: cpm / André Forkert

Neben der hohen Mobilität auch im Gebirge ist für die Schweiz ebenso die Fähigkeit der Miliz-Ausbildung von hoher Bedeutung. Das heißt, die Schweizer Milizsoldaten müssen in nur drei Wochen am Gesamtsystem ausgebildet werden können, und danach das System bewegen und im scharfen Schuss einsetzen können. Auch dieses wurde in den vergangenen Wochen auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow ausgiebig erprobt.

Neben den beiden AGM-Systemen und der Demonstration im scharfen Schuss wurde durch KNDS auch ein neues Resupply Konzept vorgestellt. Dieses wurde ebenfalls auf Kundenanforderungen hin und in Zusammenarbeit mit dem potenziellen Kunden entwickelt. Einen ausführlichen Bericht zu diesem Aspekt der Zukunft der Artillerie demnächst hier.

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ArcherArtillerieDemonstrationGDELSKMWKNDSRCH 155
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